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L e v i

"So, das nächste Projekt kommt von Adam und Amaya", kündigt Mr. Davis an. Ich muss mein Gesicht verziehen. Ihr Name gehört da nicht hin. Nicht zu ihm. Ich bin bereit alles dafür zutun, dass er das nach heute auch nie wieder sein muss. "Sehen wir mal, was die beiden sich überlegt haben."

Ich drehe mich zu Amaya und lächle aufmunternd. Die Erleichterung, die sie heute morgen noch verspürt hat, ist spätestens dann verschwunden, als wir den Kunstraum betreten haben. Ich hoffe nur, dass ihre Anspannung mindestens genauso schnell schwindet, wenn Mr. Davis die Datei öffnen und nichts finden wird. Und meine genauso. Ich habe das Video mit meinen eigenen Händen gelöscht, selbst den Papierkorb ausgeleert, um mir wirklich sicher sein zu können, und trotzdem kann ich die Nervosität langsam um mich herumschleichen spüren.

Mein Herz fängt mit jedem Schlag an, schneller zu pochen. Mein nächster Atemzug brennt in meiner Brust. Ich weiß, dass alles gut wird, aber ich bin erst dann beruhigt, wenn ich mich selbst davon überzeugen konnte.

"Und mach dir keine Sorgen, Amaya. Adam hat mir bereits Bescheid gegeben, dass du Schwierigkeiten damit hattest, mir dir Datei zu senden."

Ich setze mich auf und drehe mich nach hinten. Meine Augen scannen die letzte Reihe hektisch ab, bis sie Adam finden, ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen, welches meine Atmung zu einem Stopp kommen lässt. Und mit Mr. Davis nächsten Worten kommt auch meine ganze Welt zu einem Halt.

"Aber dein Partner hat mitgedacht und mir heute morgen noch vor Schuldbeginn eine Kopie gesendet."

Adam zuckt mit seinen Schultern, im selben Moment, in dem ich das Klicken des Touchpads höre. In meinen Ohren ähnelt es einer Explosion, die das Video freisetzt. Dann höre ich die gedämpften Stimmen. Ich höre das aufgeregte Gebrüll, lautes Lachen. Mein Blick folgt Adam's Zeigefinger gegen meinen Willen nach vorne, und ich sehe es.

Mein Herz hört auf zu schlagen, als Amaya's aufgerissenen Augen die Kamera finden. Ihr Blick ist leer, ihre Lippen halb geöffnet, als würde sie etwas sagen wollen, doch noch bevor sie das tun kann, greift der Junge neben ihr nach ihrem Gesicht und hält sie davon ab. Er wirft sein Bein über ihr's, hält sie so auf dem nassen Rasen gefangen, auf dem sie liegen.
Ich will wegsehen. Ich will schreien. Ich will den Jungen finden und sein Gesicht, seine Hände, einfach alles, womit er Amaya berührt hat, zerschmettern.
Aber ich sitze hier und ich sehe meine beste Freundin dort liegen, und ich weiß, dass sie etwas sagen wollte. Sie wollte etwas sagen.

Um mich herum brechen Stimmen in Geflüster aus. In mir drin bricht alles zusammen. Ich erlaube mir eine einzige Sekunde, um mir selbst beim fallen zuzusehen. Eine Sekunde, um zu fühlen. Ich fühle Wut, so viel Trauer, und ich fühle die Schuld, die Amaya sich schon seit Monaten zuschreibt.

Und dann stehe ich auf.

"Schalten sie das ab", befehle ich, meine eigene Stimme für mich völlig fremd. Sie ist zittrig und gleichzeitig doch so klar, wie noch nie zuvor.

Mr. Davis sieht zu mir, ein bestürzter Ausdruck auf seinem Gesicht. Er ist sich definitiv im Klaren darüber, dass gerade etwas passiert, was niemals passieren sollte. Und doch tut er nichts. Er lässt das Video weiter abspielen. Er lässt jeden in diesem Raum weiter über Amaya reden. Er gibt Adam die Macht, die er hiermit erlangen wollte.

"Schalten sie das verdammte Video ab!", wiederhole ich lauter und kräftiger, um die Stimmen im Video zu übertönen.

Ich kann die Dinge, die Amaya zugerufen werden, nicht einmal in meinen eigenen Gedanken nachsagen. Ich kann sie nicht miteinander verbinden. Das, was sie da über Amaya sagen-das ist sie nicht.

StormWhere stories live. Discover now