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A m a y a

Er sagt nichts. Er steht einfach dort, hält meine Hand fest, und sieht mich gequält an.

Weiß er denn nicht, was er mir hiermit antut?

"Lass mich doch endlich los", flehe ich, meine eigene Verzweiflung fast schon stechend in meinen Ohren.

Er lässt mich tatsächlich los. Er lässt mich gehen, denke ich. Ich versuche, mir meine Enttäuschung darüber nicht anmerken zu lassen. Immerhin wollte ich es. Er hat endlich eingesehen, wer ich wirklich bin. Er sieht mich endlich so, wie ich mich selbst sehe. Mein größter Wunsch und mein schlimmster Albtraum sind wahr geworden.

Ich will nicht, dass er mich wieder verlässt. Ich will nie wieder ohne ihn sein.
Ich will einfach nur, dass er aufhört, mich auf irgendein Podest zu stellen, auf dem ich es gar nicht verdient habe, zu sein.

Jeder Mensch in meinem Leben zeigt mir immer wieder, wie wertlos ich bin. Levi war der einzige, der das nie getan hat. Und dafür hasse ich ihn. Wie kann er einfach in mein Leben treten und mich immer und immer wieder alles, was ich jemals dachte zu wissen, in Frage stellen lassen?

Manchmal ächze ich nach seiner Liebe, manchmal verabscheue ich sie.
Manchmal glaube ich ihm, wenn er mir sagt,
wie wichtig ich ihm bin,
manchmal hasse ich seine Lügen.

Ich mache einen Schritt zurück, bereit dafür, endlich von hier zu verschwinden.

Aber dann löst sich eine einzige Träne aus Levi's Augenwinkel und läuft ihm seine Wange entlang, und ich kann mich plötzlich nicht mehr bewegen.

"Levi", sage ich erschrocken, meine Wut auf mich selbst und die ganze Welt mit einem mal vorerst in den Hintergrund geschoben. "Was ist-"

"Sag das nie wieder", fällt er mir ins Wort und macht einen Schritt auf mich zu. "Nie wieder, hast du gehört?" Er klingt so ernst. So streng. So habe ich ihn noch nie gehört. Zumindest nicht, wenn seine Worte an mich gerichtet waren.

Er macht noch einen Schritt in meine Richtung. Und noch einen. Ein weiterer Schritt, eine weitere Träne.

"Du hast kein Recht dazu, so etwas zu sagen. Nicht über meine beste Freundin."

"Aber du hast es dir doch angesehen", bricht es aus mir heraus. "Du hast dir das Video angesehen."

Meine ungerechtfertigten Vorwürfe schweben einfach an ihm vorbei.

"Und jetzt? Erwartest du von mir, dass ich dich weniger bewundere?", fragt er. "Denkst du, mir jetzt nichts mehr wert zu sein?"

Ich kann nichts sagen. Mit jedem ruhigen und klarem Wort, jedem Schritt, jeder Träne, nimmt er mir etwas mehr von meiner Stimme.

"Glaubst du wirklich, dieses Video würde irgendetwas an der Tatsache ändern, dass deine Liebe die Einzige ist, die ich kenne?"

Ich antworte nicht. Jetzt bin ich diejenige, die ihn einfach nur ansieht, wahrscheinlich genauso gequält, wie er gerade noch.

Ein Teil in mir wünscht sich, dass es so wäre. Der andere würde sterben, wenn die Antwort ein ja wäre.

"Sag es mir, Amaya", verlangt er sanft. Er legt seinen Kopf schief, ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen. "Denkst du das alles?"

"Ich...weiß es nicht", krächze ich in einem Flüstern.

"Dann lass mich dir helfen, okay?" Das letzte Bisschen von Levi's Strenge ist verschwunden, doch seine Worte verlieren nicht an ihrer so offensichtlichen und folternden Ehrlichkeit. "Nichts und niemand kann etwas daran ändern. Nicht einmal du."

StormOnde histórias criam vida. Descubra agora