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A m a y a

Entschlossen stehe ich auf und laufe zu Levi rüber, sein Blick stur auf einen Punkt neben mir gerichtet.

Er muss nicht darüber reden, wenn er nicht will, aber er soll mich nicht von sich stoßen.

Ich verstehe ihn. Ich verstehe, dass er verzweifelt dagegen ankämpft, nicht unter dieser Nacht zu zerbrechen. Ich verstehe, dass er nicht zu lange still stehen kann, weil der Schmerz ihn sonst lebendig verschlingen wird. Er kann aufhören so zu tun, als wäre es nicht so.

"Sieh mich an", verlange ich sanft und lege eine Hand auf seine Wange, um seinen Kopf in meine Richtung drehen zu können.

Seine Augen treffen mich und lassen mich für einen Moment erstarren. Sie sind voller Nebel, durch den ich nicht hindurchschauen kann. Es ist, als wäre er gar nicht hier.

"Levi?", versuche ich, ihn mit meiner Hand auf seiner Wange wieder zu mir zu holen.

"Wer weiß, was er getan hätte", flüstert er ausdruckslos an mir vorbei. "Wenn ihr nicht gekommen wärt, dann-" Er beendet seinen Satz nicht, doch das muss er auch nicht.

Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und schlinge meine Arme um seinen Nacken.

Wie soll ich ihm ins Gesicht sehen und ihm die ganzen schrecklichen Dinge, die er gerade denkt, einfach so ausreden, wenn ich den Gesichtsausdruck seines Vaters doch auch gesehen habe?

Seine Hände krallen sich in meiner Taille fest, und ich denke, sein Herz mit einem Schluchzer aus ihm herausbrechen zu hören.

"Ich kann das nicht, Amaya", spricht er direkt in meine Halsbeuge, in die er sein Gesicht vergraben hat.

"Doch", widerspreche ich.

"Ich schaffe das nicht. Nicht bei diesem Mal."

"Doch, das wirst du. Und es wird nicht einfach werden, aber ich werde dich nicht alleine lassen, hörst du? Wir stehen das gemeinsam durch."

Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber er darf sich einfach nicht aufgeben. Wenn er das erst einmal tut, dann wird das alles nur so viel schwieriger.

Also löse ich mich von ihm, greife nach seiner Hand und laufe mit ihm ins Wohnzimmer. Ich greife nach den frischen Schlafsachen von meinem Vater, die meine Mutter ihm zurechtgelegt hat, und mache mich dann auf den Weg nach oben.

"Was machst du?", fragt Levi leise, wehrt sich aber nicht dagegen, als ich ihn die Treppe hochführe.

"Du solltest jetzt nicht alleine sein", antworte ich und drehe mich kurz zu ihm, um durch meine eigenen Tränen hindurch sanft zu lächeln.
Er muss wissen, dass wenigstens eine Person an ihn glaubt. Auch, wenn er das selbst nicht tut.

"Aber deine Eltern", wendet er ein.

"Wir sind bei diesem Mal vorsichtiger."

Darauf sagt er nichts mehr, folgt mir einfach in mein Zimmer und sieht mir zu, wie ich die Tür hinter uns abschließe.

Ich lasse seine Hand los und halte ihm die Schlafsachen hin, die er schwach lächelnd annimmt.

"Lass dir Zeit", sage ich, bevor ich mich umdrehe, um ihm etwas Privatsphäre zu geben.

Ich kann hören, dass er etwas weiter in mein Zimmer läuft und seine Schuhe von sich kickt. Dann höre ich die Schnalle seines Gürtels. Kurz darauf, wie er seine Hose auf meinen Schreibtisch legt und sich die Schlafhose überzieht.

"Passt alles?", frage ich unsicher, weil Levi zwar nur ein kleines bisschen größer als mein Vater ist, dafür aber um einiges schmaler.

"Geht schon", sagt er bloß.

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