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L e v i

"Sie war so...nett zu mir, Levi", erzählt Amaya aufgeregt und dreht sich zu mir.

"Natürlich war sie das. Wieso hätte sie es nicht sein sollen?"

Es gäbe kaum Worte auf dieser Welt, die beschreiben würden, wie stolz ich darauf bin, dass Amaya Adam nicht gewinnen lassen hat. Dass sie Hilfe von Nova angenommen hat, obwohl ich weiß, wie viel Angst ihr das bereitet haben muss. Aber ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass sie denkt, dieser Hilfe nicht würdig zu sein.

Ich habe nach Schulschluss vor der Schule auf sie gewartet und konnte sie kaum in den Arm nehmen, bevor sie mir davon erzählt hat, was für einen erfolgreichen Tag sie mit Nova hatte. Den ganzen Weg bis zur Bushaltestelle und auch die ganze Busfahrt über hat sie mir erzählt, was genau passiert ist. Sie hat mir von Scham gefüllt gestanden, dass sie erst einmal nicht vorhatte, überhaupt in die Schule zu gehen und gewartet hat, bis ich weg war, um zu fliehen, aber das Nova sie noch davon abhalten konnte.

Sie hat erzählt, wie verständnisvoll Nova war, und dass sie sich genau deswegen Sorgen um sie macht. Sie hat gehofft, eine neue Freundin gefunden zu haben und den Gedanken dann selbst immer wieder ins Lächerliche geredet.
Aber vor allem hat sie die ganze Zeit so verwundert gewirkt, so fassungslos, dass andere Menschen sie nicht nur wie den Dreck unter ihren Schuhen behandeln können.

Und - fairerweise - es hat ihr noch nie jemand einen Grund gegeben, an das Gegenteil zu glauben, doch sie soll trotzdem wissen, wie sehr gerade sie das alles verdient.

Sie antwortet nicht auf meine Frage, sieht mich bloß mit ihrem tu nicht so Blick an.

Ich wünschte, ich könnte darauf etwas sagen, aber wie sagt man einer Person, die sich selbst nicht lieben kann, dass sie keinen Hass verdient hat?

"Na ja, wie auch immer. Erzähl mir jetzt etwas von deinem Tag", lächelt sie.

Und wie soll ich ihr erzählen, dass ich die eine Hälfte des Tages damit verbracht habe, ihr besorgt irgendwelche Nachrichten zu schreiben, und die andere Hälfte damit verbracht habe, ihr Zimmer nach jeder letzten Klinge abzusuchen?
Wie wird sie mir das jemals verzeihen?

"Es ist nicht wirklich viel passiert", antworte ich und setze ein Lächeln auf. Sie ist so glücklich wegen der Sache mit Nova, ich will einfach nicht der Grund dafür sein, dass sie es plötzlich nicht mehr ist.

Das ist unser Problem, schätze ich. Wir sind so sehr fokussiert darauf, die Freude des Anderen nicht zu gefährden, dass wir gar nicht bemerken, wie sehr wir gerade das damit tun.

"Wie? Was meinst du? Was hast du den ganzen Morgen ohne mich gemacht?", lässt Amaya nicht locker. "Warst du Zuhause? Hat dein Vater irgendwas gemerkt?" Die plötzliche Sorge in ihren Gesichtszügen verschwindet mit einem Kopfschütteln meinerseits.

"Nein."

"Okay, was hast du dann gemacht?"

Ich zucke mit den Schultern. »Ich war spazieren.«

Sie legt ihren Kopf schief.

"Mhm? Du bist einfach die ganze Zeit rumgelaufen?"

"Jap. Ich wollte in der Nähe sein, falls du mich gebraucht hättest."

"Levi", sagt sie gerührt und lächelt leicht. "Das hättest du nicht tun müssen. Wie gesagt, es war alles gut."

"Hättest du mich angerufen, wenn es nicht so gewesen wäre?", rutscht es aus mir heraus.

Ich will wissen, ob sie mir die Wahrheit sagt. Für uns beide war Selbstverletzung noch nie ein Tabu Thema. Es war die eine Sache aneinander, die wir immer verstanden haben, über die wir immer reden konnten. Ich will wissen, was das alles jetzt ist. Ob ich mir Sorgen machen muss, weil und ob ich für sie inzwischen wie die anderen geworden bin.

StormWhere stories live. Discover now