Abschied

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30 Minuten brauchte es, bis ich mich langsam, schritt für schritt, aufgerichtet hatte. Durch den Muskelkater fühlte ich mich wie überfahren. wie als würde ich an tausenden von unsichtbaren Fäden in alle Richtungen gezogen werden. Vielleicht hatte ich gestern wirklich übertrieben und hätte nicht die halbe Nacht durch Möbelauseinander bauen sollten. Wehleidig schaute ich auf das Möbelstück, welches mich nicht überlebt hatte. Der Kleiderschrank lag da -zu größten Teil noch zusammengebaut- die Seite mit dem Riss von mir weg gedreht, aber der Schaden war auch so sichtbar. Die Wand beulte unnatürlich auf der einen Seite zur halbabmontierten Tür und halb von dem Loch, wo zuvor die zweite Tür in den Angeln gehangen hatte, weg.
Sitzen fühlte sich an wie bergklettern, so sehr schien es meine Muskeln zu reizen, aber mir bleib keine Zeit um weiter zu faulenzen. Es war schlau gewesen an einem Mittwoch umzuziehen -so war das gebuchte Umzugsunternehmen günstiger, aber jetzt gerade wollte ich einfach in Bett liegen und schlafen, aber das ging nicht, auch wenn alles bereits in den typischen Kartons gepackt und die Möble bereit waren. Ein kleiner Sprung über den Stabel Stangen, der normal mit drei Brettern ein Regal bildete, und ich stand in dem noch recht lebendig aussehenden Badezimmer. Hier würden die Möble bleiben. Immerhin gab es dort bereits alles, was diesen Raum grob ausstattete. Aber auch hier war es ausgeräumter, als es erst schien. Der Schrank war, bis auf einen Verbandkasten geräumt und auch sonst lagen eigentlich nur noch die Nötigsten Hygieneartikel und ein Stabel mit der Kleidung für heute in dem Raum. Geschwind schlüpfte ich in die schwarze Latzhose und das weiß blau gestreifte T-Shirt, welches beim Malen schon so einige Farbspitzer abbekommen hatte. Schnell Zähneputzen und fertig machen, sodass ich 10 Minuten später  wieder in dem -noch- vollgestellten Nebenzimmer stand und auf das Chaos unter mir blickte. Der große Teppich, welcher normal unter dem Sofa lag, stand aufgerollt und in ein Gelbensack verpackt an die leere Wand gelehnt. Neben diesem Stapelten sich die beiden Sofa Hälften über einander. Der Raum war lichtdurchflutete, immerhin gab es keine Trennwände oder Vorhänge mehr, und so strahlte die Sonne ungehindert auf mich hinab. Lies meine Roten Haare, welche in einen unordentlichen Zopf zusammengebunden waren, noch wilder aussehen, als sowie so schon. Kurz gönnte ich mir selbst diesen Moment der Ruhe -genoss die warmen Strahlen auf meiner Haut , dann trat ich die Treppe hinunter in das Erdgeschoß. Keine Menschenseele schien hier herumzugeistern. Waren mein Vater und die Dame wohl wieder irgendwo. Was interessierte es mich, was sie trieben, solange man nicht auf die Idee kam mir ein Geschwisterkind unter zu jubeln konnte es mir egal sein.  Ein Kaffee mit mehr Milch und Zucker, als es gut für mich war, sollte richtig wach machen. Das heiße Getränk war mir immer noch zu bitter -ich hasste den Geschmack einfach- aber trotzdem leerte ich es in einem Schluck. Vielleicht machte es mich ja wirklich wach. Hoffentlich...

Wie ein kleines Kind klebte ich am Küchenfester. Der Umzugswagen müsste jeden Augenblick kommen und mein Herz schlug mir bis zum Hals. War es wirklich so warm, oder warum schwitzten meine Hände so? Die Aufregung hatte mich in ihre Mängel genommen und hielt mich fest. Das sonst so ruhige entspannende Ticken der Uhr schien auf einmal drei mal so schnell zu schlagen und zog meinen Herzschlag in das schnelle Tempo. Tick. Tack. Pochte es immer und immer wieder in meinem Kopf. Noch 5 Minuten. Tick. Tack. 4 Minuten und 59 Sekunden. 4 Minuten 58 Sekunden...
Gedanklich ging ich alles noch mal durch. Die Möble waren alle ausgeräumt. Ihr Inhalt in Kisten geräumt und alles war berechnet. Wirklich es gab mehr Mathematik im Leben, als ich dachte, je brauchen zu müssen. Allein die Größe des Treppenhauses zu berechnen und das errechnen der Wandfläche um passend Tapete zu kaufen hatte mich an meine Grenzen gebracht. Was man nicht mehr nutze vergaß man eben und sowas hatte ich nach der Schule nicht mehr gebraucht.  Natürlich viel auch noch massig Papierkram an. Allein das ummelden von Hannover nach Berlin war eine Bürokratischelawine, die es zu überwinden galt, aber ich hatte es irgendwie geschafft. Hoffentlich. 

In dem Moment wo ich mir wieder Sorgen um meinen geliebten PC mache wollte -Ich hatte zwar alles mehr als sicher verpackt, aber man konnte ja nie wissen- fuhr der Wagen vor. Sich kurz Mut zureden und schon schleppten die Umzugshelfer die größten Möble in den LKW. Nach den Sofastücken und Bettteilen folgte der Haufen an Kartons und langsam leerte sich das Zimmer mit jedem Gang nach unten etwas mehr. Ein Mann sagte irgendetwas zu mir, aber ich konnte nur dem Hall seiner Stimme lauschen, der nun in dem Raum wiederhalte. Es klang so anders, als wenn ich mir keine riesigen Mühe mit die Schallschluckenden Möbel, Teppiche, aber auch Paneele gegeben hatte. Ich würde nichts in Hannover vermissen, es gab nichts, was mich hier hielt, aber um die viele Mühe, die ich mir mit meinem Reich hier gegeben hatte trauerte ich. In Erinnerung würde das Zimmer und die Zeit mit den Leuten im Chat oder DC für mich bleiben und nicht das schöne Rathaus, oder Maschsee und erst recht nicht Jonas oder mein Vater. 

Mit dem Moment wo die Haustür hinter mir zuschlug endete diese Phase meines Lebens. Wurde hinter mir gelassen, als sich die Autotür ins Schloss fiel und sich der Wagen in Bewegung setzte. Hannover zog an mir vorbei und war bald nur noch eine von vielen Städten, die wir passierten. 

Die Fahrt war lang und ich hatte nichts zutun, als mir Gedanken zu machen. ich könnte schlafen, aber mein Körper konnte nicht zur Ruhe kommen, zu sehr stand er unter Strom ja nichts vergessen zu haben. Ich war Umgemeldet. Die Post wurde umgelenkt und um ein Namenschild für die Haustür wurde ich mich schon kümmern, aber die Anspannung wollte nicht gehen. Ich teilte mit keinem meine Gefühle. Stegi erkundigte sich kurz. Wollte offensichtlich ein Gespräch mit mir anfangen per Whatsapp, aber es machte mich nur noch nervöser und so gab er es schnell auf. Irgendwann kam das Fahrzeug vor dem richtigen Haus zum stehen. Um wieder zog alles halb an mir vorbei. Ich stemmte die Möble und Kisten genauso wie die Helfer. Schleppte es die Treppen hoch, oder fuhr mit de Aufzug, was in diesen passte. Und doch konnte ich es nicht realisieren, als ich durch die leeren Räume ging und überall Kisten oder Möbelteile liegen sah. Es war geschafft, alles war hier in Berlin. jetzt hielt mich nicht mal mehr Materielles in Hannover. Klar ich stand erst am Anfang des Umzugs und noch viel weiter am Anfang eines neuen Lebens in Berlin, aber der zweite große Schritt war getan und nun hieß es Kisten ausräumen, aber erst Morgen, denn heute war ich einfach nur noch Todmüde und hatte Arme, die bis zum Boden zu reichen schienen. Ja Morgen, dass klang gut. So schlief ich ein. Auf einer Matratze, die heute morgen noch in einer anderen Stadt über 300 Kilometer von hier entfernt gelegen hatte. Umgeben von einer Leere, die ich nicht kannte, aber zu lieben lernen würde. Berlin. Ja, dass war meine Zukunft. Vielleicht für immer und vielleicht nur für eine Zeit, aber jetzt war es perfekt für mich, genau hier. 

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Gamergirl: von Sims über Fall Guys zu MinecraftWhere stories live. Discover now