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Zu denken, dass nach diesem Stream alles ruhig wurde wäre falsch, leider. Jonas zerstörte etwas, von dem er nicht wusste, welch große Bedeutung es hatte. Ohne das er wissen konnte, dass Bastian und ich inzwischen in einer speziellen Beziehung waren, zerbrach diese immer mehr unter seinen Anschuldigungen. Mein Nachbar schien förmlich daran kaputt zu gehen, dass er mich nicht seine Freundin nennen konnte, ganz abseits von Jonas, aber gleichzeitig war ich dazu vieles, aber sicher nicht breit. Zusätzlich noch die ständigen Nachfragen. Wir waren beide vollkommen gereizt. Die Abende, an denen wir stritten, bis einer der Situation entfloh, wurden immer häufiger und lauter. Manchmal, da hatte ich Angst, wenn die Tür entweder hinter  mir, oder ihm knallte, aber es gab keine Lösung. Die Situation schien ausweglos. Entweder man vergaß es oder ignorierte es. Und Bastighg war für mich immer noch jemand, mit dem ich keinen Kontakt haben wollte, auch wenn es eigentlich die Person war, die ich liebte.

Wieder fiel die Tür ins Schloss mit einem lauten Knall. Ich kauerte nur noch auf dem Boden, hatte es aufgegeben ihm hinter her zu laufe, wie er es bei mir ebenso getan hatte. Tränen liefen mir in Wasserfällen aus den Augen. Eigentlich gab ich Basti in diesem Fall ja recht, doch ich konnte ihm nicht zustimmen. Er war einfühlsam und verständlich, aber auch das hatte seine Grenzen. Nur ging es bei mir noch immer um ein Trauma und da half es nicht, wenn irgendwann der Geduldsfaden rieß. Bastian hatte mit ansehen müssen, wie schrecklich es mir durch Jonas Leaks ging, aber er wollte einfach nicht akzeptieren, dass ich deswegen nicht zu einem Arzt wollte. "Es lag an dem Stress, da ist nicht mehr.", hatte ich versucht. Immer und immer wieder das selbe dumme Argument. Und er hatte mich in den Arm genommen und auf mich eingeredet, dass mir alle nur helfen wollen und es nur zur Vorsicht wäre. Aber hier konnte ich nicht mit mir reden lassen. Stieß ihn von mir und floh in ein anderes Zimmer. Dumm nur, dass dort alles von vorne los ging. Ich hatte die Sorge gehört in seiner Stimme, aber in meiner Angst und Panik vor dem Thema war ich immer grober geworden hatte ihn immer hysterischer versucht davon zu überzeugen, dass es nicht nötig war. Die Bilder verfolgten mich. Ich wollte seine Mühen schätzen. Wollte Dankbar sein dafür und mich selbst überwinden, aber die Schwelle war zu hoch und auch die Räuberleiter konnte mich nicht hinüber bringen. Anders als sonst hatte ich Angst, nicht nur durch meine Phobie, sondern ich hatte mich gefürchtet vor dem Mann, der seine Hand zur Faust geballt hatte und beinahe erzitterte vor unterdrückter Wut. In dem Moment, wo ich zurück zuckte und ängstlich davon rutschte, da wechselte es zu Schock. Sein Handeln wurde ihm klar und er floh, so schnell er konnte.

Am nächsten Tag klingelte es an der Tür. Eingemummelt in einen Haufen aus denken und Kissen hörte ich es, aber ich stand nicht auf und öffnete sie. Auch die Anrufe ignorierte ich vollkommen. Ich lag einzig und allein da und weinte und das Stunden lang, bis meine Augen wie leer geweint schienen. Sie waren rot und brannten, so wie es mein Herz tat. Eigentlich hatte ich am Morgen einkaufen gehen wollen, was ich auch Bastian gestern gesagt hatte, aber die Vorstellung, dass er vor der Tür warten und das Thema klären wollte ließ mich warten, bis er den live Stream startete. Dumm nur, dass er nicht wie geplant schon um 14 Uhr, sondern spät abends, on kam. Hungrig aß ich nichts mehr, als ein trockenes Toastbrot, bevor mein schlechtes Gewissen mich so sehr quälte, dass es selbst über meine Angst hinaus ging. Inzwischen war es ca 23 Uhr. In Socken und mit knall roten Augen stand ich vor der Tür der Nachbar Wohnung und hoffte so sehr, dass sie sich öffnen würde und alles vergessen war, aber ich wusste, dass dieses kein normaler Konflikt war, in dem beide Parteien einfach vergessen konnten und er gelöst wurde.

Und so wurde es auf der Schwelle immer kühler und noch immer schaute ich auf Holz vor mir. Am liebsten wäre ich zusammen geschrumpft, wie ein Haufen Asche, doch es blieb bei den durchschnittlichen ein Meter siebzig. Nach weiteren Minuten überrollte mich die Welle der Erkenntnis, dass mir niemand die Tür öffnen würde. Wir spielten Verstecken, nur waren wir beide die versteckter und suchten jemanden, der unmöglich zu finden war. Katz und Maus mit zwei Mäusen. Schleppend halte der Aufprall jedes Schrittes im Treppenhaus und summte eine Melodie, so traurig, dass mir die Tränen erneut kamen.
Warum konnte mir das Schicksal nicht einmal das Glück erlauben?

Das verdrängte Gefühl von Einsamkeit überkam mich erneut und die bekannte Übelkeit folgte dem innerlichen Schmerz. In einer ewigen Sekunde schlossen sich meine Augen, bis das meine Welt in Dunkelheit tauchte. Den Kopf in den Nacken gelegt und bemüht den Atem zu beruhigen, hielt ich die Welle, die kalt über meine Rücken lief, aus. Zittrig verharrte meine Hand auf auf meinem Herzen, auch als der Puls gleichmäßig und der Atem ruhiger wurde. Ein wenig war ich stolz drauf, wie ich mich selbst und meinen Körper kannte, sodass ich mich runter zu bringen wusste, aber gleichzeitig wusste auch, dass es keine Dauerlösung und erst recht keine Endlösung war. Das bisschen Kontrolle, welches ich mir erarbeitet hatte, sollte normal oder gar nicht erst notwendig sein. Und es gab Dinge, die fühlte ich nicht, egal wie tief ich in mich hörte. Manches verfrass leise von Innen. Ein Geschenk unserer Zeit war es, dass ich, in meiner Privilegierten Situation, so etwa vorzeitig erkennen konnte, aber dazu müsste ich es auch zu nützen wissen.

Auch wenn es nicht möglich war, so hatte ich das Gefühl die Augen erst wieder zu öffnen, als der erste Klingelton des Telefons ertönte. Meine Finger waren wie automatisch über die Tastatur geflogen und hatten mich zu der Nummer des Ätztehauses getippt, welche Sprechstundenhilfe nun mit mir eine Termin vereinbarte. Einige Monate, in denen ich mich mental vorbereiten könnte, aber ich wusste, dass mich hierdrauf keine Zeit vorbereiten könnte. Ich begann mich meiner wohl tiefsten Angst zur stellen und ich fühlte mich dabei so unendlich schwach. Wie ich hier saß zitterte wie Espenlaub und eigentlich nicht mehr wollte, als den Anruf zu beenden und mich zur allen Männern und Frauen in klischeehaften weißen Kitteln zu verschanzen.

Gamergirl: von Sims über Fall Guys zu MinecraftWhere stories live. Discover now