DA?

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"Während einer Geburt schaltet der Körper auf Autopilot. Alles was passiert, die Geburtsstadien und die Geburt Ihres Kindes selbst fühlen sich an, als ob es ein tierischer Instinkt ist. Der Körper weiß, was zu tun ist."

Immer wieder tauchten diese Worte so oder ähnlich auf. Was mich wohl beruhigen sollte machte mir leider nur noch mehr Angst. Jeder schien von mir zu erwarten, dass ich in der Situation wusste, was zu tun war, wie durch Magie, aber woher sollte ich es erfahren. Ich hatte Angst es nicht zu schaffen. Wieder in den Augen der anderen Abzurutschen, weil mein Instinkt falsch gehandelte. Da war nicht genug Vertrauen in meinem Körper um sich unvorbereitete in eine solche Ausnahmesituation zu werfen. Jeder ihrer Blicke sollte mir egal sein, nicht nur in diesem Bereich, sondern allgemein, aber sie waren es nicht und sie konnten es auch nicht sein, leider.

Mein kleiner Lichtblick war da mal wieder Stegi. Und erneut konnte ich nicht glücklicher sein ihn bei mir zu wissen. Wo jeder mich allein lies, da machte er Ding mit, die so viel mehr verlang waren, als man von einem Freund erwarten konnte und durfte.

Er machte all diesen Scheiß mit mir gemeinsam durch und das ohne murren oder Wutausbrüche -die übernahm ich für uns beide. Er hatte mir sogar versichert, dass er auch bei der Geburt nicht von meiner Seite weichen würde, solange ich nicht explizit verlange, dass er ging. Sind wir ehrlich, ich hatte geweint, als er mir das eröffnet hatte. Bitterlich und wie ein kleines Mädchen und er hatte mich in den Arm genommen und irgendeinen Mist erzählt, aber es brachte mich zum Lachen. Was grau war bekam die Farbe, die es brauchte um zu strahlen. Stegi war mein Pinsel um all die schönen Farben in meine Welt zu malen.

Irgendwie hatte ich angefangen meine Situation als Spiel zu sehen. Wie könnte ich es mir den anders schön rede? Ich würde sagen ich war nicht schlecht in diesem Spiel und hatte so schon viele Level geschafft, wie die unzähligen Untersuchungen und Geburtsvorbereitungskurse. Der Endboss war nur noch nicht mal in der Storyline geboren und die Aktuellen Tasks nur die Aufwärmrunde für sehr viel schwirigere Aufgaben. Nur eine Vorbereitung für die erste große Quest: Die Geburt. Gamer durch und durch.

Ich packte meine Tasche, was sich mit einem nicht zu verschweigenden Bauch als deutlich schwieriger herausstellte -sollte sich das kleine Menschchen dazu entscheiden auf die Welt zu kommen- und das mit Tränen verschleierter Sicht. Die Zeiten, in denen ich es als einen Albtraum gesehen hatten waren vorbei. Hier kam kein Erwachen. All das passiere wirklich. Keine Spukgeschichte meines Kopfes, bittere, böse Realität. Mehr als akzeptieren war mir nicht möglich, wenn ich nicht vollständig daran kaputt gehen wollte. Und es alt Spiel sehen. Ein Spiel begleitete von Wellen an Tränen. 

Auch wenn für mein Stadium der Bauch immer noch klein war, so war er doch nicht zu übersehen. Mit dem verkünden der Nachricht über die Schwangerschaft und meine Realisation wuchs er dann plötzlich ganz schnell. Man hatte mir gesagt, ich hätte zuvor unwissend meine Bauchmuskeln angespannt, wodurch man nichts sehen konnte. Hatte man wirklich gar nichts bemerken können? War vielleicht nur ich unwissend?

Und wieder stellte ich mir die Frage, wie viel Basti wusste, auch wenn ich ihn doch vertreiben wollte aus meinen Gedanken. Es war nicht möglich ihn zu vergessen. Nicht, wenn ich wusste, dass es sein Kind war, was verborgen unter meine Herzen wuchs. Dem Fratz ging es gut. Die Nachricht sollte mich genauso fühlen lassen, tat sie aber nicht. Ich wollte dem Kind nichts Böses, wie unmenschlich könnte ich sein es für unsere Taten zu hassen (ok anfangs hatte ich das vielleicht), nur warum musste ich es sein, die die Dummheit zweier Parteien ausbaden musste?

Und plötzlich waren da schmerzen die ich nicht kannte, die mir Angst bereiteten und mich von Angst und Panik geleitet Stegis Nummer wählen ließen. Es hätte ein halbwegs friedlicher Tag seinen können. Einer, von dem es so viele gab. Die Vernunft war genauso unsicher, wie das Chaos selbst, welches in meinem Kopf und somit im meinem handeln lag. Ich wollte mir einreden, dass es zu früh war. Klar, die Ärzte meinten inzwischen, dass das Baby jeder Zeit auf die Welt kommen könnte, aber ich hatte so darauf gehofft mehr Zeit zu haben. Mindestens bis zum errechneten Termin, am besten sogar noch weitere. Diese Hoffnung verpuffte mit den Schmerzen.

Aus einem stummen, fast unbemerkten Zittern mit stummen Tränen wurde ein Heulkrampf, der meinen Körper schüttelte. Ich war daran mich zu beruhigen, aber keine meiner Techniken wollte so recht funktionieren.

Gespielte ruhe sollte in meinen panisch zusammen gestotterten Worten liegen, doch davon gab es nichts in meiner Stimme. Da waren blanke Emotionen, die sich nicht herunterspielen ließen.

Während man Stegi anmerkte, dass auch seine Ruhe nur geschauspielert war, stellte sich in meinem Hinterkopf ein Timer, den er war bei sich und nicht in Berlin. Als mir langsam dämmerte, dass ich allein sein würde tat ich es ihm gleich und versuchte so gut es Ding die Tränen zu überspielen. Allein war es mir nicht möglich, aber als ich mich seiner Stimme anpasste wurde es greifbar. Da mir die Nummer für ein Taxi in dieser Region nicht einmal bekannt war musste ich erst einmal recherchieren, bevor ich erneut einen Anruf mit dem drücken des grünen Knopfes startete.

Niemals zuvor in meinem Leben hatte ich dermaßen drauf gehofft meinem Nachbarn nicht zu begegnen. Egal wie sehr die kleine Hoffnung in mir glitzerte, er würde bei der Geburt dabei sein. Wie in allen Filmen, wo plötzlich die Gebärende wunderhübsch daliegt und ihr Prinz in den Kreissaal stürmt und ihr einen Heiratsantrag machte. So oder so ähnlich lief es doch immer. Irgendwie hoffte ich darauf, dass Stegi Basti darüber in Kenntnis gesetzt hatte. Alles in mir sträubte sich dagegen ihn darum zu bitten, aber ich hoffte ganz ganz tief in mir drin darauf, nur würde ich es nie an die Oberfläche lassen.

Der Taxifahrer war freundlich und führte Smalltalk um mich zu beruhigen, was sogar mehr oder wenige gelang. Noch war es erträglich, wenn auch nicht sonderlich angenehm. Im Hinterkopf habend, dass das leider nicht immer so bleiben wird, warte ich in dem gelben Fahrzeug aus. Stegi war inzwischen los gefahren und schrieb mir, wann er ankommen sollte. Dieser Zeitpunkt war für meinen Geschmack viel zu lang entfernt. Leo, du schaffst das!

Vor dem riesigen weißen Gebäude musste ich also alleine stehen, in dem Moment, wo das gelbe Auto davon fuhr. Ich zitterte wie Espenlaub, wie ich dort stand. Im Sommer und doch war mir so unendlich kalt. Selbstgespräche mit meinem prallen Bauch führend, die nur davon handelten, dass ich das Baby darin frage, ob es nicht die Uhr falsch gelesen hatte, lief ich auf das Krankenhaus zu,  welches einen schier unendlichen Parkplatz vor sich hatte. Die Sporttasche immer noch in einer Hand, sodass diese langsam immer weißer wurde unter dem Gewicht. 

Drinnen angekommen übergab ich erneut alle Kontrolle an Schwester und Ärzte ab, die sich mir zuwandten. Doch die meiste Zeit hieß es leider warten und warten und noch etwas warten. So wie für all die anderen Menschen hier. Kinderweinen war zu hören und Eltern versuchten sie zu beruhigen. So sah der Finger des Jungen vor mir merkwürdig verdreht aus, aber er saß tapfer da und spielte auf dem Handy seines Vaters irgendein Spiel. Natürlich ohne den besagten Finger zu nutzen. Er tat mir leid, aber als ich vor ihm behandelt wurde war ich einfach nur froh darum, dass es weiter ging. 

Die typischen Untersuchungen begannen erneut und ich ließ es wie so oft einfach geschehen. Hier wussten alle besser, was zu tun war, als ich. Einige Test waren mir allerdings neu, so wie das Messen der Wehen, aber diese taten nicht weh, als ließ ich es einfach einfach geschehen. 

Nachdem man einige Messgeräte fixiert hatte ließ man mich alleine. Neben einem Wehenschreiber, maß man auch meinen Herzschlag, sowie den des Ungeborenen. Dessen Herztöne erklangen dabei auch laut im Raum und ich lauschte ruhig dem gleichmäßigen Schlagen des kleinen Herzens, und dimmerte dabei beinahe weh, so entspannend war es. Da Schlägt einfach ein Herz neben meinem!

Ändern tat sich das, als ein Arzthelfer die Gerätschaften entfernte und daraufhin eine Arzt hereintrat um mir die Ergebnisse zu erläutern. Innerlich hoffte ich auf wenig Fachvokabular, damit ich nicht erst googlen musste, bevor ich seine Worte verstand. Meine Angst war ausnahmsweise unbegründet, denn der junge Mann erklärte es mir mit Adressatenbezug.

"Sie sollten sich weiter schonen. Bisher sind es ganz normale Vorwehen, nichts erwähnenswertes. Trinken sie einen Tee und ruhen Sie sich aus. Sie haben noch Zeit, bis ihr Baby auf die Welt möchte."

Und damit schickte man mich nach Hause. Ich sollte erleichtert sein. Mich freuen, dass ich noch zeit hatte, aber ich konnte es nicht. Irgendwie hatte ich das so ein Gefühl. Vielleicht eine Vorahnung. Und so war ich froh, dass auch Stegi in Aufruhe war und für mich da sein wollte. Jetzt allein zu sein hätte ich nicht gekonnt. Zu sehr spielte mein Kopf Karussell.

Gamergirl: von Sims über Fall Guys zu MinecraftWhere stories live. Discover now