vom Winde verweht

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Getragen von der leichten Musik, die von einem Straßen Musiker hinüber wehte und meine Wege erfühlte ging es mit einem schlafenden Neugeborene zurück in die Wohnung. Leicht wippte mein Oberkörper im ruhigen Rhythmus des Volkslied. Der Weg zurück schien ewig und doch viel zu kurz. Ich war gehetzt, da ich noch ein Video aufnehmen wollte, welches nicht einfach werden würde, so lange Kalina schlief, aber gleichzeitig wollte ich nicht mehr, als mich davor zu drücken. Einfach weiter den Klängen lauschen, die ich sonst nie freiwillig abspielte.

Ich war für zwei Monate vollkommen von Sozialen Medien verschwunden. Es nur mit einem „Private Probleme" abzutun funktionierte, aber warf ordentlich Fragen auf. Solche, welche ich nicht bereit war zu beantworten.
Dumm nur, dass ich eine scheußliche Lügnerin war und es auch nicht sein wollte. Die kurze Entschleunigung  hatte gut getan, doch ich konnte und wollte mich nicht ewig davor drücken.

Im Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses drückte ich bereits auf den Knopf, welcher den Fahrstuhl hinunter rief, während meine Finger flink den Briefkasten mit dem Namen Benson aufschlossen und Papier heraus zogen. Den Stapel an Briefen stopfte ich in die Tasche, welche unter dem Griff des Kinderwagens hing, auf Grund dessen ich froh war eine Wohnung gewählt zu haben, welche einen Aufzug besaß. Anders wäre es unmöglich weiter hier zu leben.

Ich hatte meine Räumlichkeiten ins Herz geschlossen und war es etwas schönes immerhin das gewöhnte Heim zu haben, wo sich doch so vieles veränderte. Diese Wände standen für mein Ich fern ab von Eltern und dem Prüfenden Augen meiner anderen Verwandten. Freiheit lag in der Luft, die ich am liebsten mit geschlossenen Augen aufsaugen wollte.

Nur für wenige Augenblicke ruhten meine Augen auf meinem Handy und checkten Nachrichten und andere Benachrichtigungen, da öffneten sich die schweren Türen vor mir bereits. Zuerst bemerkte ich die andere Person gar nicht, welche es sich bei meinem Anblick anders überlegte und doch nicht ausstieg. Sobald mein Blick allerdings höher zum Spiegel hinauf wanderte weiteten sich meine Augen geschockt. Nervosität überkam mich in einer Flut und lies sowohl meine Beine, wie auch meine Knie zittern. Um halt zu finden krallten sich meine Hände in den Griff des Kinderwagens.

Stegi, ich brauch dich. Jetzt!

Neben mir stand der Mann, welcher mich aus den selben Augen ansah, wie sie mich auch bei meiner Tochter anstarrten. Gerade konnte das Blau den Schock und die Überraschung ihres Besitzers nicht verbergen. Man konnte es Bastian wohl nicht verübeln. Die Ex-Freundin nur wenige Monate nach der Trennung mit einem Kinderwagen im Fahrstuhl zu treffen war wohl... eine Ausnahmesituation.

Und so naiv es auch von mir war -ich könnte mich allein für den Gedankten lünchen- ich kam nicht umher zu merken, dass er immer noch genauso Atem beraubend aussah, wie vor unser Trennung. So wie er da lehnte, die metallisch, silbrige Stange im Rücken. Der drei Tage Bart, welchen er zuvor nicht trug, stand ihm dabei leider unglaublich gut und lies diesen Mann nur noch besser aussehen. Wie automatisch biss ich mir unsicher auf die Unterlippe. Er machte das doch absichtlich.

Die Türen hatten sich längst geschlossen und selbst wenn sie es nicht hätten für eine Flucht war es zu spät. Mich selbst beruhigend hob ich den Blick und schaute in die Augen hinauf, welche ich doch immer noch im verborgenen liebte. Seine Aufmerksamkeit galt dabei einzig dem Mädchen in dem Wagen vor mir, welches natürlich auch so stand, dass er perfekte Sicht auf das Gesicht hatte, welches ihn so sehr wieder spiegelte.

"Wie ist das möglich? Nein, das kann unmöglich sein." , hörte ich ihn leise flüstern. Worte, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für meine Ohren gedacht waren und sie nur unwillig trafen. Seine Hand wollte vermutlich nach der winzigen Hand greifen, wie sie sanft auf diese zuwanderte, aber bevor es zu einer Berührung kommen konnte zuckte die Hand zurück, als hätte Basti sich verbrannt. Stattdessen wandte er sich an mich, welche zuvor wie ein Brett im Aufzug stand. Immer noch waren meine Augen stark vergrößert. Sicher sah ich aus, als habe ich zuvor einen ganzen Haufen an Drogen konsumiert.

"Was habe ich in dem letzten halben Jahr verpasst? Wer wurde aus dem Mädchen, welches ich liebte wie kein anderes?" Dabei strahlte er eine Ruhe aus, welche mich sofort ergriff. Meine Nervosität erlosch und lies das angenehme Kribbeln zurück, welches einzig mein Nachbar bei mir auslöste.

"Einiges... Du hast einiges verpasst.", sagte ich und mein Blick glitt liebevoll zu Kalina, welche friedlich schlief, ohne zu wissen, dass sie das erste mal in ihrem jungen Leben direkt von ihren beiden Elternteilen umgeben war. Bastis zweiten Satz lies ich dabei absichtlich außenvor, auch wenn ich träumerisch wurde bei seinen Worten. Es war vergangen. Wie er sagte: liebte. Es war Vergangenheit. Was einmal war gab es nicht mehr. Auch wenn mein Herz etwas anderes schreien wollte.

Der Aufzug war schon lange im richtigen Stockwerk angekommen und inzwischen standen wir im Flur. Und in keiner meiner Vorstellungen lief ein solches Gespräch dermaßen friedlich ab. Er überraschte mich jedes Mal aufs neue.

"Wie heißt die Kleine?" , fragte er, wobei erneut ein glitzern in seine Augen zu betrachten war. Längst war mir klar, dass er wusste, wer sie war. Offensichtlicher konnte es wohl auch nicht sein. Ein Gen Test würde wohl keiner brauchen um zu wissen, dass es sich um Bastis Kind handelte.

Das die Schnullerkette aus bunten Holzperlen, welche Stegi Kalina selbst gebaut hatte, ihren Namen trug ignorierte ich einfach mal. Vielleicht hatte Basti sie tatsächlich nicht gesehen. Eher unwahrscheinlich, wenn man bedachte wie er das Mädchen, an dessen Kleindung sie hing, betrachtete. "Kalina. Kalina Marie.", flüsterte ich fast schon und wusste selbst nicht so ganz, warum meine Stimme so leise geworden war.

Ihm schien der Name sehr zugefallen und er erkundigte sich tatsächlich interessiert nach der Bedeutung. Sonderlich gewöhnlich hatte ich ihren Namen immerhin nicht gewählt. Meine Erzählung von der allgemeinen und meiner Persönlichen Bedeutung des Names wurde allerdings von der Trägerin höchst selbst unterbrochen, als diese die Augen aufschlug und ihren Eltern entgegen blinzelte. Was allein kein Problem wäre, wurde eines, als das kleine Mädchen zu schreien began. Da hatte wohl jemand Hunger...

Für einen Moment lag Bastis Blick noch bewundert auf seiner Tochter, bevor er sich lösen konnte und zu mir hinauf sah. „Würdest du Mittwoch mit mir essen gehen? Nur wir zwei. Stegi ist eh in der Stadt und könnte sicher ein paar Stunden auf Kalina aufpassen."

Und wie er verschwand in dem Moment, wo ich zusagte, da wusste ich, dass es vielleicht mit einer Nachricht zu einem Bruch kam, aber nicht zu einem Ende, denn diesem leichten Schmunzeln konnte ich nicht widerstehen.

Gamergirl: von Sims über Fall Guys zu MinecraftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt