Rettungsinsel

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Ich wachte auf und war wie im Delirium. Die Welt schwankte mit den wirren Bewegungen meines Kopfes mit, aber sie klärte sich. Langsam und nur ein wenig, aber das reichte mir schon. Der Geruch wurde präsent und ich spürte die Schmerzen im Rücken und Nackenbereich. Meine Glieder waren steif. Gefühlt jeder einzelne Knochen knackte, als ich mich aufrappelte. Alles drehe sich erneut. Bei all den Einflüssen hätte ich mich am liebsten erneut übergeben, aber irgendwie richtete ich mich zum Stand auf und tastete mich langsam zur Tür. Ich brauchte neue Kleidung und etwas zu trinke und zu essen, anders würde es gefährlich werden.

Als ich dann am Türgriff ankam und ihn hinunter drückte strömte frische(re) Luft aus dem großen Zimmer in meine Lunge. Was eigentlich förderlich sein sollte ließ mich erneut schwanken und um ein Haar wäre ich nach hinten gekippt. In diesem Moment hatte ich Todesangst. Wenn ich hier zusammenbreche, wer findet mich dann, und nach welcher Zeit. Wie viele Leute hatten irgendwelche kleinen oder größeren Unfälle im Haushalt und verstarben daran, weil niemand da war, um ihnen zu helfen. Ich wollte keiner von ihnen sein. Meine Kraft reichte einfach nicht, bis in mein Schlafzimmer, weshalb ich mitfühlend auf die Couch fallen ließ und mein Handy hervorholte. Ich war schon wieder so müde. Und ich brauchte Energie durch Nährstoffe. Meine Finger fanden wie automatisch Stegis Kontakt und riefen ihn an.
Vielleicht nicht das Schlauste, immerhin wohnte er weit entfernt, aber einerseits wollte ich wegen der Basti Sache mit ihm reden und andererseits war er mein Freund und konnte auch von seiner Heimat einen Krankenwagen alarmieren. Und mein Nachbar war definitiv keine Auswahl, für meine aktuelle Hilfe.

„Guten Mittag liebste Leonie. Was kann ich für Sie tun?" , flötete ein viel zu gut gelaunter Stegi, als er abnahm. Ich versuchte mein kleines Stückzwieback, welches ich gerade aß, hinunter zu schlucken, allerdings kam damit die Übelkeit zurück. Bis ins Bad schaffte ich es nicht mehr, und so zierte den Fußboden im Flur das neu Bekannte Gebräu. Zum Glück war ich noch zu faul, um einen Teppich zu kaufen. Der wäre jetzt schön dekoriert.

Stegi unterdessen drehte halb durch. Naja was würde man auch machen, wenn man angerufen wird und die andere Person plötzlich ihre Wohnung verziert.

„Stegi ich hab Angst.", gestand ich mir meine Schwäche ein und stand somit schon wieder kurz vorm Weinen. „Leo, alles gut bei dir." Was eine dumme Frage. Egal. Er versuchte es wenigstens. „Ich weiß es nicht." Ein neuer Schwall auf den Teppich. Ok, was ist mit mir los? Gar nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Übrigens genauso dumme Antwort von mir. „Ist jemand bei dir." Niemand, den ich erwähnen will. „Nein." „Ok." Sehr geistreich Stegi. „Kennt du jemanden in der Nähe?" Keksoma, aber die mag mich sicher auch nicht mehr... und der dessen Namen nicht genannt werden darf (Voldemort 2.0) aka. Bastighg. „Nein." Etwas gelogen, aber enthält einen Hauch Wahrheit. „Ok." Man Stegi red doch vernünftig. „Ich komm zu dir." Ok, weniger geistreich ist mir lieber. Er klingt so, als müsse er sich selbst davon überzeugen. „Sicher." Ich wollte ihm nicht direkt sagen, dass ich ihn so NICHT sehen wollte. Ich war ein Wrack, so sollte er mich nicht sehen. Leo, er hat es gefühlt alles von dir gesehen, es wäre wirklich keine Steigerung mehr. „Ganz sicher." Scheiße er ist entschlossen. Ich hab Angst. Ich kotze wieder. Sterne tanzen einen viel zu schnellen Tanz vor mir. Ich schwanke, ob wohl ich auf dem Boden sitze. Ich sollte zum Arzt. Ich will nicht zum Arzt.

Ich sah mich selbst. Noch ganz klein und hilflos. In einem Bett, jenes viel zu groß für meinen winzigen Körper war. Kanülen in meinem Arm. Verbunden mit einem Tropf neben dem Bett. Ich wäre gestorben in dieser Zeit, hätte man mir nicht künstlich Wasser und Nährstoffe, sowie Medikamente gegeben, und doch hatte es mich negativ geprägt gerettet zu werden. Für eine Fünfjährige ist es kein Lebenretten, für eine solch junge Seele wird es zum Trauma. Seit her ist da dieses Angst. Sie beherrscht mich von innen heraus. Ärzte wollen mir helfen. Sie tun mir gut und doch bleibe ich ihnen so gut es geht fern. Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht haben.

Ich verhalte mich lächerlich. Ich weiß das. Nur leider kann ich es nicht besser machen. Da ist kein Ausschalter, der die Bilder verschwinden lässt. Sie spucken immer in den untiefen meines Verstanden und tauchen hinauf, wenn ich sie am wenigsten sehen will. So wie jetzt.

Irgendwann drangen die verzweifelten Versuche Stegis an meine Ohren, wie er versuchte mich an zusprechen. Immer wieder reif er meinen Namen. Zuerst einfach nur ein Leo, oder Leonie, aber irgendwann tatsächlich auch meinen vollen Namen, wobei ich sehr zusammen zuckte. Aber es verfehlte seine Wirkung nicht. Ich hörte zu, wie er beruhigend auf mich einrede. Immer langsamer wurde mein verschmelzender Herzschlag, bis ich wegdriftete in einen Schlaf voller wirrer Träume.

Einmal sah ich meinen Vater -ein eh schon seltener Gast in meiner Traumwelt- wie er in einem schwarzen Raum lag. Seine Augen waren geschlossen und die Arme vom Körper weg gestreckt. Auf seiner Brut, die wie mit Krallen verschnitten war, verklumpte krustiges Blut das Hemd zu einem Fetzen aus Dreck, Gedärmen und Blut. Haufen weise Blut. Es musste lebensgefährlich sein, so viel Lebenssaft zu verlieren. Wo es an den meisten Stellen bereits dunkel und trocken war, da leuchtete es in einem feine, fast schon kunstvoll verschnörkelten Fluss noch Himbeerfarben rot von der Tiefsten Stelle hinunter bis zur Hüfte, wo sich ein Tropfen löste und zu Boden fiel. Selbst auf dem schwarz verschwand er nicht, sonder erhellte den Raum, bevor er mit einem Donnern  geschluckt wurde. Zurück blieb eine nun vollständig dunkle Leiche, welch nun optuziert wurde.

Ich schreckte auf. Der Anblick im Traum war absolut widerwärtig. Die Galle stieg bereits erneut meinen Rachen hinauf, als ich durch ein Klingeln an der Tür das Bild der Leiche verlor. Zum Glück, es war schrecklich. Niemals sollte ein Wesen so zugerichtete werden, wie es die Leiche meines Erzeugers in diesem Raum war. Leo, es war nur ein Traum. Dein Vater ist lebendig. Egal wie sehr ich es mir auch einrede, ich machte mir Sorgen um die Person, welche doch eigentlich eine der wichtigsten in meinem Leben hätte sein sollen. Mir lag nichts an ihm, aber ein solchen Ableben, wünschte ich selbst ihm nicht. Keinem sollte es wieder fahren.

Meine Hand lag immer an den Wand, um mich zu stützen, als ich mich auf die Haustür zu bewegte. Innerlich wappnete ich mich auf einen Polizisten, oder einen Notfallseelsorger, als ich den Knopf berührte, der die Hauttür öffnen ließ. Wie reagiere ich, wenn man mir sagt, dass mein Vater tot ist. Ungläubig? Geschockt? Weine ich? Lache ich die Beamten aus? Ich weiß es nicht. Reagiere ich gerade über? Möglich/Wahrscheinlich. Meine Augen auf die Tür gerichtete stehe ich vor dieser und starre das Holz in Grund und Boden. Kann die Person nicht endlich Klingeln, ich will meine Reaktion sehen. Ok, ich habe mich mit meinem überlegen selber neugierig gemacht. Klingt Save mega komisch, weil es darum geht, wie ich auf einen Tod reagiere, aber wie gesagt große Neugierde wenig Verstand, da entstehen solche Gedanken Gänge.

Das Schellen wirkte wie eine Erlösung. Nach gefühlten Stunden des Wartens konnte ich die Tür offnen, ohne wie der größte Psychopart herüber zu kommen. No Koke, wer die Tür öffnet, bevor der Besuch oben ankommt ist weird, da lasse ich nicht mit mir reden.

Naja ein Bestatter stand nicht vor mir und auch kein Notfallpsychopart, sondern Stegi. Warum ist das wusste? Also da war ein Stück dickes Krepppapier, auf dem mit Pinkem Edding die krummen Buchstaben S T E G I standen.
„Ehm hi."

Gamergirl: von Sims über Fall Guys zu Minecraftحيث تعيش القصص. اكتشف الآن