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Irgendwann muss ich auch eingeschlafen sein, denn ich wache davon auf, dass jemand mir eine Hand ins Gesicht haut. Verstört schlage ich meine Augen auf und sehe Luke neben mir, seine Hand in meinem Gesicht. Er schläft noch und ich will ihn nicht wecken. Allerdings ist es nicht gerade angenehm, eine Hand vor den Augen zu haben. Deshalb schiebe ich sie von meinem Gesicht und lege sie neben seinen Kopf. Er stöhnt leise auf, schläft jedoch weiter. Mein linkes Bein ist eingeschlafen, denn Luke liegt darauf, doch als ich mich befreien will kann ich mein Bein nicht bewegen. Panik steigt in mir auf. Warum kann ich mein Bein nicht rühren? Verzweifelt versuche ich, irgendwie Bewegung in meinen linken Oberschenkel zu bekommen, doch vergebens. Ich fange an zu weinen und wecke damit Luke. ''Annie! Was ist los?'' fragt er sofort, dennoch verschlafen. ''Ich kann mein Bein nicht bewegen.'' sage ich panisch. Er nimmt mich in den Arm. ''Ich weiß. Das haben uns die Ärzte gesagt. Sie wissen nicht, was es ist, aber deine Muskeln arbeiten nicht mehr richtig." sagt er niedergeschlagen. "Aber mach dir keine Sorgen. Sie haben auch gesagt, dass du mit ein bisschen Training deine Beine auf jeden Fall wieder bewegen und wahrscheinlich auch wieder laufen kannst. Je nachdem was die Ursache ist" fügt er hinzu. Erleichtet atme ich auf. ''Geht es dir besser?'' frage ich meinen Freund. ''Ja, aber es sollte nicht um mich gehen. Es tut mir leid. Ich hätte nicht gehen dürfen. Aber ich dachte, es wäre nicht so schlimm mit dir...'' ''Was wäre nicht schlimm?'' ich bin verwirrt, wie so oft in letzter Zeit. ''Mit deiner Depression...'' murmelt er. Dann fällt mir wieder ein, was Calum gestern Abend gesagt hat: ''Luke. Ich wollte mich nicht umbringen. Wirklich nicht.'' Jetzt ist es Luke, der verwirrt ist. ''Aber...'' ''Nichts aber.'' ''Warum bist du dann Auto gefahren, obwohl du keinen Führerschein hast?'' ''Emma hat mich verraten und ich brauchte Zeit und Raum zum überlegen. Ich wollte zur Bucht und als ich deinen Anruf auf Lautsprecher stellen wollte bin ich von der Straße abgekommen.'' erkläre ich meinem Freund. Plötzlich bricht er in Tränen aus. ''Luke, was ist los?'' frage ich, doch er antwortet nicht. Sein Körper bebt und er schluchzt immer lauter. Ich nehme ihn in den Arm und küsse seine Schläfe. ''Es ist alles meine Schuld'' weint er. ''Nein. Gar nichts ist deine Schuld Luke. Du warst für mich da, als ich dich am meisten gebraucht habe.'' Auch ich weine jetzt, denn es bricht mir das Herz, dass Luke denkt, er wäre Schuld an allem. ''Nicht weinen Annie.'' flüstert Luke und rutscht ein Stück hoch. Nun liegen wir Stirn an Stirn in meinem Krankenhausbett und weinen. ''Ich liebe dich'' sage ich leise unter Tränen und fahre mit meinem Finger Lukes Gesichtszüge nach. Er lächelt und antwortet: ''Und ich liebe dich.'' Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Wir bleiben lange so liegen. Erst als jemand klopft und das Zimmer betritt, sehen wir auf. ''Na ihr zwei?'' Calum grinst uns an. ''Hi Cal'' antworten Luke und ich gleichzeitig. Wir unterhalten uns lange und irgendwann merke ich, wie Luke wieder einschläft. Auch Calum merkt das und sagt leise: ''Ich bin so froh, dass du wieder wach bist. Er sieht besser aus.'' ''Aber trotzdem noch schrecklich.'' füge ich hinzu. ''Ja das stimmt, aber ihr bekommt das hin. Du und Luke, ihr seid füreinander gemacht.'' Ich muss lächeln, als Calum das sagt und drücke Lukes schlafenden Körper an mich. ''Wo sind die anderen beiden?'' frage ich neugierig. ''Die können erst ein bisschen später kommen. Ich hole sie gleich ab. Gestern Abend waren sie schon weg, als du wach geworden bist.'' ''Achso.'' Nach einer kurzen Pause füge ich hinzu: ''Danke für alles Cal.'' ''Du musst dich nicht bedanken Annie. So etwas ist selbstverständlich.'' ''Nein ist es nicht. Es ist nicht selbstverständlich mit einem depressiven Mädchen befreundet zu sein. Und es ist noch weniger selbstverständlich, für sie da zu sein, wenn man denkt, sie hätte sich umbringen wollen. Nicht einmal meine Mutter war für mich da..'' flüstere ich und erneut steigen mir Tränen in die Augen. Schnell setzt Calum sich an mein Bett und streichelt über meine Haare. ''Annie. Shhh. Ich weiß, dass im Moment alles scheiße ist, aber bitte sag so etwas nicht.'' Ich nicke und wische die Tränen weg. Ich muss stark sein. Luke braucht mich. Ich muss ihm zeigen, dass es mir gut geht, auch wenn das nicht wirklich stimmt. Aber das ist jetzt egal. Luke ist wichtiger!

Als es an der Tür klopft, wacht Luke auf und reibt sich verschlafen die Augen. Noch immer sieht er unglaublich fertig aus, und gegessen hat er immer noch nichts. Deshalb bin ich froh, als eine Krankenschwester ins Zimmer kommt und Mittagessen bringt. ''Dankeschön'' sage ich leise. ''Gerne. Wie geht es dir?'' fragt sie. ''Ganz okay. Aber ich habe Angst.'' ''Angst wovor?'' fragt die Krankenschwester weiter und Calum entschuldigt sich. Er holt die Jungs ab, sagt er. ''Davor, dass ich das alles nicht schaffe. Ich meine, ich kann nicht laufen, bin depressiv und...es ist einfach alles zu viel im Moment'' gebe ich zu und bin schon wieder den Tränen nah. ''Hey, nicht aufgeben. Du hast einen wunderbaren Freund, der für dich da ist, deine anderen drei besten Freunde sind auch immer da und die Familie deines Freundes auch. Und ihm wird es bald besser gehen. Er hat sich ziemlich Sorgen um dich gemacht.'' Die Krankenschwester ist so unglaublich nett. ''Danke.'' sage ich leise. Dann verlässt sie das Zimmer und ich bin wieder mit Luke alleine. Der ist allerdings wieder eingeschlafen, sodass ich ihn wecken muss, damit er endlich etwas isst. ''Luke.'' sage ich leise und küsse ihn sanft. Er stöhnt leise auf und dreht sich in meinen Armen um. ''Na super..'' murmele ich zu mir selbst. ''Luke'' wiederhole ich und rüttele vorsichtig an seiner Schulter. Er dreht sich zurück zu mir und blickt mich aus verschlafenen Augen an. ''Hey'' flüstere ich. ''Hi'' antwortet er leise und nimmt mich in den Arm. ''Geht es dir besser?'' frage ich. ''Es geht nicht um mich Annie.'' ''Luke es ist mir egal um wen es geht. Ich habe dich gefragt, ob es dir besser geht.'' ''Ja, definitiv. Ich hatte so Angst um dich.'' Ich lächele meinen Freund an und küsse ihn. Es ist so schön, ihn wieder lächeln zu sehen. Gestern Abend war ich wirklich geschockt von seinem Zustand. ''Wir haben Mittagessen.'' sage ich. ''Nein, du hast Mittagessen.'' widerspricht Luke. ''Du isst auch was davon.'' beharre ich. ''Annie, ich-'' ''Nein! Du isst etwas davon. Du hast unfassbar viel abgenommen! Ich werde schon satt.'' unterbreche ich ihn. Widerwillig schiebt er sich auch eine Gabel voll Nudeln in den Mund. ''Die sind erstaunlich lecker.'' gibt er zu. ''Das stimmt.'' bestätige ich.

Zehn Minuten später fliegt die Tür auf und Calum, Ashton und Michael stürzen lachend ins Zimmer. Überglücklich begrüße ich meine besten Freunde und umarme jeden aus meinem Bett heraus. ''Was ist jetzt eigentlich passiert?'' platzt Michael heraus.

depressed. l.h. (Teil 1)Where stories live. Discover now