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Am nächsten Morgen weckt Liz mich, damit ich meine Sachen einpacke. Zum Glück habe ich nicht so viel mit und den Großteil ist in der Tasche. Nachdem ich alles eingepackt habe, mache ich mich fertig und warte, bis Liz mich abholt. Sie bringt meine Tasche und Chris ins Auto und kommt, gerade die Treppe wieder hoch, als Luke mich hochhebt. ''Ich bringe sie runter Mama. Du musst das nicht machen.'' Ich seufze und lasse mich von Luke ins Auto setzen. Als er mich hingesetzt hat, berühren sein Lippen kurz meine Wangen und er wird rot. ''Sorry.'' flüstert er und ich antworte: ''Schon okay.'' Wie sich das Verhältnis zwischen zwei Personen innerhalb von 12 Stunden so verändern kann... Nichts desto trotz sitzt Luke auf der Rückfahrt nach Brighton neben mir und ich fühle mich ein wenig unwohl.

Sobald wir vor der Ferienwohnung angekommen bin, verabschiede ich mich mit den Worten: ''Ich gehe zu Papa'' und mache mich sofort auf den Weg. Die Straße hinunter, dann links abbiegen und am Ende der Straße wieder links. Dort ist die Kirche und nebenan der Friedhof. Je näher ich dem Tor komme, desto langsamer werde ich. Vorsichtig öffne ich es und schiebe mich an und über den kleinen Pfad. Den Weg zu Papas Grab kenne ich noch genau. Früher bin ich ihn jeden Tag gegangen...Heute rolle ich den Weg entlang.

Tränen steigen in meine Augen, als ich den Grabstein meines Vaters sehe und ich halte an. Langsam drehe ich meinen Rollstuhl und blicke auf:

John McForster

geb.: 23.05.1967

gest.: 17.06.2013

''Hi Papa. Ich hoffe, dass es dir besser geht, als mir. Es tut mir leid, dass ich so lange nicht mehr da war, aber Mama hat ihren Traum wahr gemacht...Sie ist mit mir nach Sydney gezogen. Ich denke, du kannst dir ungefähr vorstellen, wie sehr ich mich darüber gefreut habe...gar nicht. Seitdem hat sie sich echt verändert. Sie redet nicht mehr mit mir...In der Schule wurde ich verarscht und irgendwie ging alles den Bach runter. Mama hat nen Neuen gefunden und wieder geheiratet. Wie kann sie nur? Und um alles zu toppen, habe ich einen Unfall gebaut. Wie du siehst kann ich jetzt nicht mehr laufen...Nur eine Person war immer für mich da: Luke. Ich habe ihn in einem Musikladen kennengelernt und wir sind beste Freunde geworden. An Mamas Hochzeit hat er mich gefragt, ob ich seine Freundin sein möchte. Seitdem sind wir ein Paar und ich liebe ihn unendlich. Ich lebe bei ihm und seiner Familie und ja... es gefällt mir total gut bei den Hemmings'. Wegen ihnen bin ich auch hier. Sie haben mir die Reise geschenkt. Aber im Moment wird alles wieder schlechter...Luke kommt irgendwie nicht damit klar, dass ich nicht laufen kann...Er hat glaube ich gestern mit mir Schluss gemacht, aber ich weiß es nicht genau. Er hat es nicht ausdrücklich gesagt. Was soll ich jetzt tun Papa? Ich wäre so froh wenn du noch da wärst. Alles wäre viel einfacher...'' Ich erzähle einfach alles, was in den letzten Monaten passiert ist und es ist mir egal, dass Papa es nicht wirklich hören kann. Daran sieht man, wie kaputt ich bin. Leise weinend sitze ich vor Papas Grab und wünsche mir nichts mehr, als dass er noch leben würde.

Nach einigen Minuten schlingen sich von hinten Arme um mich und ich weiß sofort wer es ist - Luke. ''Was willst du Luke? Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben'' schniefe ich, doch er hört nicht. ''Annie...ich..ich ach keine Ahnung, was mit mir los ist, aber ich liebe dich und-'' ''Luke, hast du mich nicht verstanden?'' unterbreche ich ihn. ''Doch habe ich, aber ich möchte, dass du weißt, dass ich dich liebe.'' ''Und woher weiß ich das?'' frage ich ihn unsicher und ein wenig wütend. ''Weil ich hier bin...'' flüstert er. ''Du warst immer da. Aber in den letzten Tagen scheint es nicht so, als würdest du mich lieben'' antworte ich. ''Annie, was soll ich tun, um es dir zu zeigen?'' ''Bleib und hör auf, ständig vor den Problemen wegzurennen. Das bringt nichts Luke. Der Rollstuhl ist nunmal ein Teil von mir...'' sage ich bestimmt. ''Ich weiß...Es tut mir leid'' bringt Luke erstickt hervor. ''Dann beweis es mir'' Langsam drehe ich mich von Papas Grab weg und will wieder zur Ferienwohnung, aber Luke hält mich zurück. ''Soll ich mich nicht deinem Vater vorstellen?'' fragt er leise. Ich muss lächeln und drehe mich wieder um. Luke beginnt zu reden. ''Hallo Mr McForster, ich bin Luke, der Freund von dem Ihre Tochter eben geredet hat. Es tut mir leid, was ich ihr mit dem was ich die letzten Tage gemacht habe, angetan habe, aber ich verspreche Ihnen, dass ich ab jetzt immer für sie da sein werde, egal was passiert. Ich liebe Ihre Tochter mit meinem ganzen Herzen.'' sagt er und treibt mir damit Tränen in die Augen. ''Es wäre schön, wenn ich Sie persönlich hätte kennenlernen können.'' schließt mein Freund ab und kniet sich in den Schnee vors Grab. Ich lege eine Hand auf seine Schulter und er dreht seinen Kopf zu mir. Auch Luke weint und ich bedeute ihm, aufzustehen und sich auf meinen Schoß zu setzen. Sofort tut er das und wir umarmen uns lange und innig. ''Es tut mir leid. So so leid'' schnieft mein Freund, nachdem wir uns voneinander gelöst haben. ''Ich weiß'' antworte ich leise und lege meine Lippen auf seine. Glücklich erwidert Luke den Kuss und wir sind uns endlich wieder so nah, wie vor ein paar Tagen. Ich weiß, dass Luke mich liebt. Manche werden mich für naiv halten, aber das ist mir egal. Ich brauche Luke. Er gehört einfach dazu. Ohne ihn bin ich nichts.

Nachmittags treffe ich mich spontan ein zweites Mal mit Lauren und ich bin überglücklich, sie noch einmal zu sehen, bevor wir wieder nach Sydney fliegen. Für sie habe ich heute schon ein Geschenk, anstatt eines Weihnachtsgeschenkes. Grinsend umarme ich sie, als ich, wie immer, zehn Minuten zu spät ins Choccywoccydoodah komme. ''Tut mir leid'' entschuldige ich mich lachend und sie antwortet: ''Ist doch nichts Neues'' Wie immer, bestellen wir uns eine heiße Schokolade à la Choccywoccydoodah und unterhalten uns darüber, was wir in den letzten Tagen gemacht haben und wie wir Weihnachten feiern werden. ''Ich bin bei den Hemmings' und feiere mit ihnen. Mal sehen, vielleicht besuche ich meine Mama am 26.'' erzähle ich Lauren von meinen Plänen. ''Das hört sich doch schön an'' sagt sie ''Ich werde mit meinen Eltern und meiner Schwester feiern, wie jedes Jahr.'' grinst sie. "Hat sich schon etwas mit Noah geklärt?" will ich von meiner besten Freundin wissen. "Nein noch nicht...Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Aber ich sage dir Bescheid sobald etwas passiert." antwortet sie. ''Was machst du an Silvester?'' frage meine beste Freundin, um vom Thema abzulenken, da ich merke, dass es ihr unangenehm ist. ''Weiß ich noch nicht'' antwortet sie. ''Gut, dann habe ich eine Idee.'' lächele ich und drücke ihr einen Umschlag in die Hand. ''Das ist sozusagen dein Weihnachtsgeschenk, nur halt früher.'' füge ich hinzu. Neugierig öffnet Lauren den Umschlag und schlägt sich die Hände vor den Mund. ''Oh mein Gott! Danke Annie!'' ruft sie und kommt um den Tisch herum, um mich zu umarmen. ''Wir beginnen zusammen das neue Jahr!'' quietsche ich und fange die Flugtickets auf, die vom Windstoß von Lauren vom Tisch segeln. ''Ich freue mich so sehr oh mein Gott! Ich fliege nach Sydney, zu dir, an Silvester!'' Überglücklich, dass ich meiner besten Freundin eine Freude gemacht habe, drücke ich sie an mich.

Leider ist dann schon Zeit, uns voneinander zu verabschieden. Mit Tränen in den Augen umarmen wir uns erneut. ''Wir sehen uns in zwei Wochen wieder'' versuche ich, uns zu trösten. ''Ja, zum Glück!'' stimmt Lauren mir zu ''Ich werde dich trotzdem vermissen, Annie'' ''Ich dich auch. Hab dich lieb'' nuschele ich in ihre Haare. ''Ich dich auch'' murmelt sie als Antwort. Dann trennen wir uns und ich rufe Luke an, damit er mich abholen kann.

depressed. l.h. (Teil 1)Where stories live. Discover now