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Um elf stehen Luke und ich auf und machen uns fertig. Danach machen wir uns in der Küche einen Korb mit Frühstück, naja eher Brunch würde ich sagen, fertig, denn wir wollen mal wieder zur Bucht fahren, wo wir uns das erste Mal geküsst haben.

Glücklich sitze ich um zwölf auf dem Beifahrersitz von Lukes Auto und freue mich darauf, endlich wieder an den Ort zu fahren, an den ich so schöne Erinnerungen habe.

Luke schließt sein Handy ans Autoradio und wir fahren los. Luke und ich singen zu jedem Lied mit, das kommt und die Fahrt vergeht ziemlich schnell.

Schon sind wir am Parkplatz angekommen und Luke kommt ums Auto, um mir in meinen Rollstuhl zu helfen.

Allerdings komme damit nicht so weit, denn einen Rollstuhl durch den Sand zu schieben ist verdammt anstrengend. Irgendwann gebe ich auf und warte, bis Luke die Decke und den Korb an den Strand gebracht hat. Dann kommt er zurück zu mir und nimmt mich auf den Arm. Vorsichtig trägt er mich zur Decke und setzt mich ab. ''Ich bringe gerade Chris noch ins Auto, okay?'' sagt er. ''Ja'' antworte ich und lächele ihn an. Er dreht sich um und geht und ich sehe ihm hinterher.

Als er wiederkommt, starre ich noch immer in die Richtung in die er gegangen und wieder gekommen ist. ''Annie?'' lacht Luke. ''Hm? Was?'' Ich wende meinen Blick vom kleinen Pfad ab und schaue in die blauen Augen meines Freundes. ''Ich habe gefragt, ob wir essen wollen?'' grinst er. ''Ja klar'' antworte ich inzwischen auch lachend.

Die Waffeln und das Obst schmecken wie immer unglaublich gut und ich genieße die Zeit mit Luke.

''Ins Wasser?'' schlage ich nach dem Essen vor. ''Gerne'' freut sich Luke und schon zieht er mich hoch und auf seinen Arm.

Er läuft aufs Wasser zu, aber bevor er einen Fuß ins kühle Nass setzt, schreie ich auf. ''Stop!'' rufe ich laut. ''Was ist Annie?'' fragt mein Freund mich erschrocken. ''Ich habe Angst. Ich weiß nicht, wie meine Beine im Wasser sind. Was ich machen kann und was nicht'' murmele ich und merke, dass ich Tränen in den Augen habe. ''Oh Gott, Annie nicht weinen'' sagt Luke leise ''Ich passe auf dich auf, Little.'' fügt er hinzu und drückt mich an sich. Dann geht er langsam, Schritt für Schritt ins Wasser. Als es ihm bis zur Hüfte reicht, lässt er mich hinunter und ich stelle meine Füße auf den Boden. Luke hält noch immer mein Gewicht, aber Stück für Stück belastet er meine Beine. Panik steigt in mir auf und ich kralle mich in Lukes Arme. ''Alles ist gut, Annie. Beruhige dich. Dir kann nichts passieren.'' redet er auf mich ein, aber ich kann mich nicht beruhigen. ''Annie. Du stehst komplett alleine'' flüstert er. Zitternd stehe ich im Wasser. Und ich stehe tatsächlich alleine. Das Wasser nimmt die Belastung von meinen Beinen. Ich sehe an mir hinunter und grabe meine Füße in den Sand. Dann hebe ich meinen Kopf und strahle Luke an. Er lächelt zurück und legt seine Lippen auf meine. ''Ich liebe dich'' flüstere ich. ''Ich dich auch'' antwortet er. ''Sag nicht auch.'' beschwere ich mich leise. ''Warum nicht?'' verwundert sieht mein Freund an. ''Das hört sich so an, als würdest du mir nur zustimmen. Als würdest du die drei Worte nicht von dir aus sagen, sondern nur, weil ich es gesagt habe'' Ich weiß, das hört sich komisch an, aber ich habe genau das mal irgendwo gelesen und es hat sich eingebrannt. ''Deshalb sagst du immer 'Und ich liebe dich' oder?'' fragt er. ''Ja'' flüstere ich und sehe nach unten. Vielleicht sollte ich einfach mal mit dem zufrieden sein, was man mir gibt. ''Hey, nicht weggucken'' Ich spüre Lukes Finger unter meinem Kinn. Sanft drückt er es hoch, sodass ich in seine Augen schauen muss. ''Ich finde es süß, dass dir solche kleinen Dinge wichtig sind.'' flüstert er. Mein Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Dann schlinge ich die Arme um Luke und drücke meine Wange an seinen nackten Brustkorb. Er erwidert die Umarmung und wir stehen mehrere Minuten einfach nur da, ohne ein Wort zu sagen, ohne uns zu bewegen.

Erst, als ich beginne zu zittern, nimmt Luke mich wieder auf seinen Arm und trägt mich zurück an den Strand.

Ich wickele ein Handtuch um meinen Oberkörper und schaue aufs Meer. Es ist Weihnachten. Normalerweise würde ich heute mit Lauren auf dem Weihnachtsmarkt sein oder backen, während es draußen schneit, oder zumindest kalt ist. Aber es ist das komplette Gegenteil. Ich sitze in Sydney am Strand, war gerade im Wasser und lehne mich an meinen Freund.

Es ist komisch, am Strand zu sein, ohne den Wind, die Kälte und die Kiesel des Strandes von Brighton. Aber es ist trotzdem schön. Niemals hätte ich gedacht, dass ich das mal über Sydney zu sagen. Ich genieße die warmen Temperaturen Australiens zwar immer noch nicht richtig, aber ich habe mich an sie gewöhnt und es ist nicht so schlimm, wie ich dachte. Es sind auch nicht alle Menschen gut drauf, wie ich anfangs dachte. Aber ich denke, das liegt daran, dass Sonne hier nichts besonderes ist. In England rasten immer alle aus, wenn es mal mehrere Tage warm und sonnig ist.

Ich habe gar nicht gemerkt, dass mein Blick auf meine Füße gewandert ist, aber als ich es feststelle, hebe ich meinen Kopf und sehe wieder auf die sanften Wellen des Meeres.

Das Meer...es hatte für mich ja schon immer eine große Bedeutung. Meer hieß für mich immer Zuhause, Ruhe, Zeit für mich. Und inzwischen ist es sogar mehr als das. Ich habe einen Ort gefunden, an dem ich stehen und sogar ein paar Schritte gehen kann. Das Meer wird für mich immer eine Bedeutung haben und ich werde mich immer ein bisschen wohler fühlen, wenn ich weiß, dass das Meer, oder wenigstens ein See, in der Nähe ist.

Lächelnd sitze ich im Auto, während wir zurück zu den Hemmings' fahren. Im Radio läuft ein Weihnachtslied und Luke singt leise mit. Ich beobachte ihn, wie er konzentriert auf die Straße guckt.

Abends sitzen wir mit Lukes Familie auf dem Sofa und reden über alle möglichen Kleinigkeiten, die noch vorbereitet werden müssen. Morgen früh werden wir uns gegenseitig die Geschenke geben. Wir haben uns geeinigt, keine Stockings zu machen, sondern uns einfach so beschenken. Ich schließe meine Augen, denn ich bin echt müde, doch ich merke nicht, dass ich langsam aber sicher einschlafe. Eigentlich wollte ich nur ein wenig ruhen.

***FROHE WEIHNACHTEN***

depressed. l.h. (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt