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Als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich ein komisches Gefühl im Bauch. Heute kommen Mama und Mark zum Kaffee und Kuchen. Hoffentlich wird es nicht zu schlimm. Hoffentlich ist Mama freundlich. Hoffentlich benimmt sie sich. Und Mark auch. Hoffentlich...In dem Moment dreht Luke sich zu mir um und legt seinen Kopf auf meinen Bauch. Lächelnd sehe ich auf meinen Freund und streiche vorsichtig über seine Haare. "Morgen" murmelt er verschlafen und drückt einen Kuss auf meinen Bauch. Das T-Shirt von Luke, das ich nachts trage, ist ein Stück hoch gerutscht, sodass sein Lipring auf meiner nackten Haut liegt. Eine Gänsehaut macht sich breit und Luke lacht leise. Wir bleiben ein paar Minuten so liegen und genießen die Ruhe vor dem Sturm. Um halb zehn klopft es und Liz steckt ihren Kopf durch die Tür. "Guten Morgen ihr lovebirds" sagt sie lächelnd. "Guten Morgen" antworten Luke und ich. "Wollt ihr mit uns frühstücken?" grinst die Mutter meines Freundes. "Weil dann müsstet ihr jetzt kommen" "Wir kommen" antworte ich ihr und schiebe Lukes Kopf ein wenig unsanft von meinem Bauch. "Aua" beschwert er sich. "Tut mir leid" sage ich, muss aber lachen. Dann setze ich mich auf und drücke ich ihm einen Kuss auf die Stirn.
Lachend trägt er mich die Treppe hinunter und wir setzen uns zu den anderen.

Um halb drei klingelt es an der Tür und ich weiß, dass es so weit ist. Liz und ich öffnen und draußen stehen Mum und Mark. Nervös spiele ich mit meinen Händen in meinem Schoß. "Hallo. Schön, dass ihr da seid." begrüßt Lukes Mutter die beiden freundlich wie immer. "Hallo. Danke für die Einladung." antwortet Mark. Meine Mutter sagt nichts, sondern streckt ihr nur die Hand hin. Lächelnd begrüßt Liz sie und schüttelt ihre Hand. Ich bemerke, wie sehr sie sich bemüht freundlich zu sein. Aber ich merke auch, wie steif sie ist.
Den Rest der Familie begrüßt sie ebenso komisch, nur Luke lässt sie ganz aus. Sie hasst ihn also wirklich. Eine peinlich Stille tritt ein und ich merke, wie unangenehm es Liz ist. "Uhm...es gibt jetzt Kaffee und Kuchen." sagt sie. Sofort steht meine Mutter auf und setzt sich an den Tisch. Mark folgt ihr. Dann nimmt Luke mich hoch und auch die anderen setzen sich. Angespannt sitze ich auf meinem Stuhl und spiele mit meinen verschwitzten Händen. Niemand sagt ein Wort und es liegt eine unglaubliche Spannung in der Luft. Luke sieht mich von der Seite an und ich drehe mich zu ihm, um mir ein Lächeln abzuringen. Er nimmt meine Hand und drückt sie fest. "Ich hoffe der Kuchen schmeckt." versucht Liz eine Konversation zu starten. "Er ist echt lecker, stimmt's Lorraine?" antwortet Mark. Meine Mutter zuckt zusammen und antwortet kurz: "Ja, sehr lecker" Dann wendet sie sich wieder dem Kuchen zu und starrt konzentriert auf ihren Teller. "Noch jemand einen Kaffee?" fragt Andrew freundlich. "Ja" murmelt meine Mutter und auch Mark nickt. Ich merke, wie wütend Liz darüber ist, dass meine Mama sich so komisch verhält. Sie weiß zwar, dass sie Luke nicht mag, aber ich weiß, dass sie es hasst, wenn jemand so still und starr ist. Sie räuspert sich und lächelt spitz, als sich die Blicke der beiden Frauen treffen. "Warum mögen Sie meinen Sohn nicht?" platzt sie heraus. Sofort schlägt sie sich die Hand vor ihren Mund und sieht mich entschuldigend an. Aber ich bin ihr nicht böse. Ich finde es sogar gut, meine Mutter mal zu konfrontieren. Sie kann mit ihrem Verhalten nicht überall so durchkommen. Sie verschluckt sich fast. "Ist das nicht offensichtlich? Ich meine, sehen Sie sich Ihren Sohn mal an. Was ist das denn für ein Aussehen? Zerrissene Hosen, Lederjacke, all das. Am schlimmsten ist aber dieser Lippenpiercing. So etwas sollte verboten werden! Er versaut meine Tochter!" schreit sie. Luke will gerade antworten, aber ich unterbreche ihn: "Okay Mama, Stop! Erstmal, was hat es dich zu interessieren, was er trägt, zweitens: du siehst nicht viel besser aus mit deinen peinlichen Strumpfhosen und Pumps und Kleidern jeden Tag. Und drittens bist du bei der Familie von Luke zum Kaffee eingeladen. Vielleicht solltest du dich wenigstens dann mal nicht so aufführen! Jeder weiß, dass du mich gerne so hättest wie dich, aber ich nicht will. So langsam solltest du es begriffen haben, dass ich nicht so sein will wie du. Ich bin sehr zufrieden hier mit Luke und seiner Familie. Ich weiß, dass ich geliebt werde. Und das kann ich von dir nicht behaupten! Dir kommt es auf deinen Ruf an und nicht auf die Familie und die Gefühle! Aber das habe ich dir eigentlich schon oft genug gesagt." antworte ich. Ich sehe, wie meine Mutter immer wütender wird, aber es ist mir egal: "Schön, dass du in Mark jemanden gefunden hast, der scheinbar genau das mag, aber mich hast du damit verloren! Denn für mich ist es wichtig, zu wissen, dass ich geliebt werde! Aber du warst noch nicht einmal da, als ich im Krankenhaus war, als ich zwei Wochen lang nicht wach war! Was für eine Mutter bist du?" inzwischen rede ich auch ziemlich laut. Meine Mutter steht auf, schlägt auf den Tisch und schreit: "Na schön, wenn du es so willst! Ich habe dir das alles hier überhaupt ermöglicht. Nur wegen mir bist du in Sydney gelandet!" brüllt sie zurück. Sie hat ja recht. Aber das werde ich ihr garantiert nicht so zugestehen: "Na schön! Danke dafür!" schreie ich über den Tisch "Aber glaub ja nicht, dass jetzt dadurch alles okay ist! Du hast mich immer noch mein ganzes Leben lang angelogen! Du hast Papa verarscht! Er hat dich geliebt! Verdammt geliebt!" "Woher willst du das wissen? Er ist tot!" kreischt sie zurück. "ER HAT ES MIR GESAGT! ALS ER IM STRÖMENDEN REGEN IN MEINEM SCHOß LAG! ER HAT GESAGT, DASS ER STOLZ AUF MICH IST,DAS ER MICH LIEBT UND DASS ICH DIR DIR SAGEN SOLL, DASS DU IHM UNENDLICH VIEL BEDEUTEST!" Tränen steigen mir in die Augen, als die Erinnerungen an den Unfall zurückkehren. Ich hatte sie in den letzten Wochen so gut verdrängt...Ich merke, wie Luke mich auf den Arm nimmt und hoch trägt. Aber ich will nicht. Ich will meiner Mutter noch viel mehr an den Kopf werfen. Ihr noch mehr Dinge sagen, mit denen sie mein Leben zur Hölle macht. Also wehre ich mich. Ich schreie und schlage um mich. Doch Luke lässt mich nicht runter. Er hält mich fester, je mehr ich mich wehre. Ich höre noch, wie Liz panisch sagt: "Ich glaube, es wäre besser, wenn sie jetzt gehen." Dann schlägt die Tür zu Lukes Zimmer zu. Schnell geht er aufs Bett zu und setzt sich auf den Rand. Noch immer schluchze ich unkontrolliert und mein Körper bebt. Als Luke mich an sich drückt, vergrabe ich dankbar mein Gesicht an seinem Brustkorb. Sanft streicht er über meinen Rücken und versucht mich zu beruhigen. Aber ich kann mich nicht beruhigen. Noch nicht. Ich lasse alles raus. Alles, was mich bedrückt und ich bemerke gar nicht, dass ich mit meiner Faust auf Lukes Rippen einschlage. Erst als er sanft meine Hand in seine nimmt und flüstert: "Babe, nicht. Du tust mir weh." Erschrocken ziehe ich meine Hand aus seiner und drücke sie an meine Brust. Luke zieht mich noch enger an sich und beginnt, leise zu singen. Ich beruhige mich langsam, mein Atem wird wieder gleichmäßiger und meine Augen fallen zu. Es ist anstrengend zu streiten und zu weinen.

Ich werde noch einmal kurz wach, als Luke mich auszieht, um mir eins seiner T-Shirts anzuziehen. Dann legt er mich vorsichtig in sein Bett, zieht sich bis auf seine Boxers aus und legt sich neben mich. Sofort kuschele ich mich an ihn und schlafe wieder ein.

depressed. l.h. (Teil 1)Where stories live. Discover now