Kapitel 4

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Entkräftet und völlig außer Puste biege ich in unsere Straße ein und kann erleichtert aufatmen, als ich endlich das Haus erreiche. Ich habe es geschafft. Ich bin in Sicherheit. Meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an, wie nach einem kilometerlangen Marathonlauf und mein Herz arbeitet auf Hochtouren. Es schlägt mit so einer Wucht gegen meinen Brustkorb, dass ich für einen Moment die Befürchtung habe, er könnte zerreißen. Ich atme tief durch meine Nase ein und lasse die Luft wieder langsam zwischen meinen Lippen hinausgleiten, in der Hoffnung so meinen Puls zu normalisieren.

»Da bist du ja.« Mum runzelt ihre Stirn und sieht mich mit leicht überraschtem Ausdruck an.

»Ist alles in Ordnung?« Sie mustert mich nachdenklich und legt ihre Hände auf meine glühenden Wangen.

Ich nicke nur, denn ich bin nicht in der Lage zu sprechen.

»Bist du dir sicher?«, hakt sie nach und ich räuspere mich, um die Beklemmung in meiner Luftröhre zu lösen. Jeder Atemzug schmerzt und jedes noch so kleine Wort kostet mich enorme Kraft.

»Ja«, presse ich schwer zwischen den Lippen hervor und steige die Treppen in den zweiten Stock hinauf. Mit einer Hand umfasse ich das Geländer und versuche mich mehr hoch zu ziehen, als zu gehen. Jeder Schritt schmerzt, meine Waden, meine Oberschenkel, jede einzelne Muskelfaser wurde bis zum Maximum beansprucht.

Ich knirpse sofort das Licht ein, als ich mein Zimmer betrete und scanne jeden Winkel des Raumes. Ich werfe einen Blick unters Bett, in meinen Schrank und in jedes noch so kleine Schlupfloch, welches ein Versteck darstellen könnte. Es ist keiner hier. Obwohl ich mir im Klaren bin, dass mir hier nichts zustoßen kann, bleibt das ungute Gefühl in der Magengegend bestehen. Es ist eine Mischung aus Angst, Nervosität und Unbehagen. Eine innere Unruhe, die meinen Körper immernoch unter Anspannung setzt. Werde ich paranoid und leide seit Neustem unter Verfolgungswahn? Ich könnte schwören, vorhin beobachtet worden zu sein. Es war so real. Die Blicke auf meiner Haut waren zum Greifen nah.

Ich trete zum Fenster vor, schiebe die Gardine ein Stück beiseite und linse auf die Straße. Ob ich immernoch beobachtet werde? Ich werfe einen prüfenden Blick auf den kleinen Spielplatz schräg gegenüber unseres Hauses. Draußen ist es still. Mucksmäuschenstill und leer. Menschenseelenleer.

Moment mal. Ich kneife meinen Augen zusammen und richte den Blick auf eine große Eiche inmitten des Spielplatzes. Spielt mir mein Hirn jetzt etwas vor, oder versteckt sich eine Person dahinter? Ich bin mir sicher, einen Schatten gesehen zu haben. Ich warte einige Minuten, doch Nichts rührt sich. Vermutlich manipuliert die Angst mein Hirn und lässt mich phantasieren.

»Liebling ist wirklich alles in Ordnung?« Erschrocken lasse ich die Gardine los und drehe mich um. Mum sieht mich mit besorgter Miene an.

»Mum, du sollst doch anklopfen«, antworte ich gespielt lässig und versuche mir mein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen.

»Ich habe geklopft, doch du hast mich nicht gehört.«

»Es ist wirklich alles gut. Ich will jetzt einfach nur noch ins Bett.« Ich gebe mir Mühe beiläufig zu klingen, doch meine Stimme rutscht in ein Kieksen und ich hoffe nur, dass es Mum nicht aufgefallen ist. Ich puste mir eine Strähne aus dem Gesicht und setze ein breites Grinsen auf.

»Also gut. In dem Fall gute Nacht Schatz.« Mum schenkt mir das für sie typische, liebevolle Lächeln und entfernt sich langsam aus meinem Zimmer.

Ich luge ein letztes Mal nach draußen und erstarre. Ein Stromschlag durchfährt mich von Bauch bis Kopf und hinterlässt ein Vibrieren in der Herzgegend.
War das eine Zigarette, die weg geschnipst wurde? Ich könnte meine Hand ins Feuer dafür legen, dass es eine war. Ich konnte die Glut ganz deutlich erkennen, doch ich sehe weit und breit Niemanden. Als ich zu der Schaukel schiele, gefriert das Blut in meinen Adern. Sie wurde in Bewegung gesetzt und schaukelt langsam vor und zurück.

Das bildest du dir nur ein, versuche ich mich zu beruhigen....

Aiden - gefährliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt