Kapitel 25

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Ich habe das Gefühl im Leben geht es einzig und allein darum, ob man etwas falsch oder richtig macht. Die Entscheidungen die wir treffen, bestimmen dann darüber wer wir sind, oder wer wir auch nicht sind.

Da im Leben keine Wegweiser stehen, die dir den richtigen Weg verraten, entscheide ich auf mein Bauchgefühl zu hören, denn die Intuition leitet einen bekanntlich ja immer in die korrekte Richtung. Es dauert nicht lange, bis Klara die Türe öffnet und mich verdutzt ansieht.

«Sarah«, begrüßt sie mich sichtlich perplex, da es schon eine Weile her ist, dass ich hier war. Viel zu lange stelle ich beim genaueren Betrachten ihres Gesichts fest, da mittlerweile viele Falten ihre einst so glatte Haut zieren.

»Ist Aiden da?« Die Überraschung steht ihr ins Gesicht geschrieben, da sie mich mit leicht offenem Mund ansieht und es eine Weile dauert, bis sie realisiert, was ich eben gefragt habe. 

»Nein, aber möchtest du vielleicht trotzdem reinkommen?« Klara versucht mich mit einer freundlichen Miene zu beruhigen, nachdem sie meinen verunsicherten Gesichtsausdruck registriert.

»Wenn es in Ordnung ist?«, werfe ich als Gegenfrage ein, auch wenn ich die Antwort bereits kenne und mich nur aus Höflichkeit nochmals vergewissern möchte.

»Aber natürlich. Komm doch bitte rein.« Ich nicke dankend und merke wie meine Nervosität steigt. Ich umklammere meine kleine Umhängetasche, da ich sonst anfange unkontrolliert mit meinen Händen zu spielen.

»John wir haben Besuch.« Ich folge Klara in die Küche, die sofort drei Gläser sowie eine Wasserflasche inmitten des großen Holztisches platziert.

»Besuch?« Unmittelbar ertönt Johns Stimme und er betritt mit lauten Schritten die Küche. Seine schwarzen Haare sind bereits ein wenig ergraut und er sieht ziemlich erschöpft aus. Vermutlich hat ihn diese ganze Sache mit Aiden so mitgenommen.

»Sarah.« In John's Gesicht erscheint ein charmantes Lächeln.

»Sie wollte eigentlich zu Aiden.«, erklärt Klara und streicht sich gedankenverloren über die Wange.

»Zu Aiden?« John legt seinen Kopf schief und lässt seinen Blick nicht von mir ab, während er sich ein Wasser einschenkt.

»Ich wusste gar nicht, dass ihr wieder Kontakt habt«, ergänzt Klara und schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich bin verlegen und versuche gegen die Schamesröte, die sich auf meinen Wangen ausbreitet, anzukämpfen. Natürlich vergeblich.

»Ja, also wir treffen uns ab und zu, aber es ist kompliziert«, antworte ich beschämt und umfasse das Wasserglas vor mir um Halt zu finden. Zudem versuche ich zu Lächeln, was mir nicht wirklich gelingt. Doch kompliziert trifft es so ziemlich auf den Punkt, da ich selber nicht weiss, was das zwischen Aiden und mir eigentlich ist.

»Für wen ist es das nicht.« Ich bemerke wie John sein Unterkiefer nach vorne schiebt und mit einem Schlag frustriert wirkt.

»Leider kommt Aiden nicht mehr so oft nach Hause. Er ist zwar hier gemeldet, aber er haust mit anderen Jugendlichen in einem abgelegenem Haus am Rande der Stadt.« Unwillkürlich verfinstert sich Johns Miene, doch er sieht mehr besorgt als wütend aus.

»Glaube aber bitte nicht, dass wir das gutheißen«, fügt Klara hinzu und atmet geräuschvoll aus.

»Aber laut seinem Bewährungshelfer hält er sich an alle Regeln, naja außer an die, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen, aber solange er keine Schwierigkeiten macht, ist es zurzeit wohl die beste Lösung für alle Beteiligten«, erklärt Klara, auch wenn sich ihr Enthusiasmus in Grenzen hält.

»Zumindest erfüllt er seine Auflagen und das ist erstmal das Wichtigste.« Ich merke, dass Klara versucht das Gute in dieser Lösung zu finden, auch wenn es dem Anschein nach mehr ein Ausweichverhalten ist. Doch sie möchte Aiden erst einmal Raum geben, sich selbst wieder zu finden, sich in der Familie wieder zu finden. Und umgekehrt ist es sicherlich dasselbe.

»Wie geht es dir denn Sarah? Wie läuft es in der Schule?«, steigt John wieder ein und legt seinen Fokus nun auf mich.

»Es läuft ganz gut.« Klara lächelt mich an, als wolle sie mir Mut zusprechen, da sie mit Sicherheit nachvollziehen kann was tief in meinem Inneren vorgeht. Meine Augen betrachten den hellen Fliesenboden und ich fühle mich irgendwie schlecht. Ich sehe zu John, dessen Augen flackern und ich kann deutlich erkennen, dass er meine Worte im Geiste wiederholt und kurz daraufhin die Stirn runzelt.

»Das freut mich zu hören. Bei Aiden hätte auch alles anders laufen können. Wenn doch nur Mike an diesem verdammten Tag, wirklich ich verfluche diesen Tag, bei ihm gewesen wäre. Doch anstattdessen musstest du ja unbedingt mit ihm zum Einkaufen, als ob du das nicht alleine könntest.« John wirft Klara einen wütenden Blick zu, die empört nach Luft schnappt. John's Worte dringen bloß gedämpft zu mir, ich fühle mich wie in einer Schockstarre, beinah als hätte ich Watte auf den Ohren.

In meinem Hals bildet sich ein Kloß. Ob ich mich die ganze Zeit getäuscht und eine falsche Spur verfolgt habe? Ich sehe zwar alles um mich herum, doch Nichts kommt wirklich an mich heran. Mike war also zur Tatzeit nicht am Tatort, sondern mit Klara unterwegs. Somit hat er natürlich ein glaubwürdiges und wasserdichtes Alibi und ich kann es nicht fassen, dass ich die gesamte Zeit über auf dem Holzweg war.

»John wir hatten dieses Gespräch schon einmal. Versuche nicht mir die Schuld in die Schuhe zu schieben.« Klara hebt abwehrend ihre Hand und nimmt einen gepressten Atemzug. Mich überkommt ein leichter beständiger Schwindel und ich habe das Gefühl in einer Glaskugel zu sitzen. Es fühlt sich an, als sei ich in diesem Moment komplett von der Außenwelt abgeschottet und nur der Gedanke, dass Mike nicht am Tatort war, schwirrt in meinem Kopf. Er hat sich förmlich in mein Hirn eingebrannt und auch wenn es nur fiktive Schmerzen sind, reibe ich mir über die Stirn um das stechenden Gefühl zu besänftigen.

»Wir wussten ganz genau worauf wir uns da einlassen. Wir haben einen Jungen eines krimellen Vaters und einer süchtigen Mutter adoptiert.« Ich verschlucke mich an meinem Wasser und unterbreche Klara mit einem lauten Husten, sodass sie einen Augenblick wartet, ehe sie weiterspricht:

»Wir waren uns im Klaren, dass der Tag kommen könnte, an dem er ausbricht und den Weg seiner leiblichen Eltern einschlägt.« Ich schlucke schwer und wende meinen Blick von Klaras mittlerweile angespanntem Gesicht ab. Ich habe dass Gefühl, dass ihre Worte mir einen Schlag in die Magengrube versetzen und mein Inneres Stück für Stück an dieser Aussage zerbricht.

»Jetzt müssen wir damit leben, dass er kriminell und unberechenbar ist.« Klara stößt einen lauten Seufzer aus. John starrt nur geradeaus an ihr vorbei, bis er realisiert was sie eben gesagt hat. Sein Gesicht verfinstert sich und ich kann die Spannung, die sich zwischen ihnen gebildet hat deutlich spüren. So greifbar. Bedrückend. Irgendwie angsteinflößend.

»Rede nicht so über ihn.« John schlägt mir seiner flachen Hand auf den Tisch und erhält sofort einen mahnenden Blick von Klara. Er stößt einen langen Atemzug aus, bis ihm mein erschrockener Gesichtsausdruck auffällt und er traurig den Tisch ansieht. Meine Augen wandern währenddessen unruhig zwischen John und Klara.

»Es tut mir Leid.« John öffnet seinen Mund und schließt ihn wieder, eher er nach seinem Glas greift und das Wasser in seinem Satz austrinkt.  Schließlich fährt er fort. Leiser und viel langsamer als zuvor.

»Es ist einfach immernoch so schwer für mich.« Johns Stimme verliert sich, sein Blick ist verzweifelt und so voller Schmerz, dass auch mein Inneres erschüttert wird. Seine Augen schauen verloren durch den Raum, als würde er verzweifelt nach Antworten suchen.

Ich schaue wieder zu Klara, deren Gesicht nun wieder eine gesunde Farbe hat, nachdem für einen Moment sämtliches Blut aus ihren Wangen verschwunden war.

Aiden - gefährliche LiebeWhere stories live. Discover now