Kapitel 17

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Ich bin nervös. Was soll ich Mum und Dad nur sagen. Am Besten wäre es, wenn sie schon schlafen würden, denn ich habe heute definitiv keinen Kopf mehr für eine anstrengende Auseinandersetzung. Morgen hingegen bin ich vielleicht in der Lage eine ernste Unterhaltung zu führen.

Als ich die Haustüre aufschließe, wird meine Hoffnung jedoch in Luft aufgelöst, da ich das kleine Licht in der Küche brennen sehe.

»Sarah!« Mum klingt empört, was ich an ihrer Tonlage hören kann.

Ich betrete den Raum. Ihre Augen sind auf mich gerichtet, während sie an einem Glas Wasser nippt. Ich setze mich ebenfalls an den Küchentisch. Das wird wohl sowas wie eine Gerichtsverhandlung, jedoch mit dem gewaltigen Unterschied, dass meine Verteidigungsversuche zwecklos sind, denn ich werde sowieso der Verlierer sein.

»Wo warst du?« Mums strenger Blick lässt mich wissen, dass sie eine Erklärung erwartet.

»Kurz weg«, versuche ich zu beschwichtigen, auch wenn ich weiß, dass ihr diese Antwort nicht genügt.

»Sarah, meinst du, du hast noch das Recht aufmüpfig zu werden!«

Mittlerweile ist Mums Stimme lauter und ich sehe wie angespannt ihr Gesicht nun ist. Sie ist stinksauer und das auch zurecht. Immerhin habe ich die Gäste sitzen lassen und war an meinem Geburtstag nicht anwesend.

»Ich war bei Aiden.« Ich ziehe meine Schultern ein, versuche klein zu wirken, doch ich weiß, dass ich mich aus dieser Situation nicht befreien kann.

»Hatten wir nicht eine Abmachung! Du hältst dich gefälligst von diesem Jungen fern.« Es fällt mir schwer Luft zu holen und ich versuche mich hinter den einzelnen Strähnen, die mir ins Gesicht fallen zu verstecken. Natürlich verwandeln sich meine Haare nicht in einen blickdichten Schleier und so bleibe ich von Mums wütendem Gesichtsaudruck nicht verschont.

Diesem Jungen. Wie abwertendet sie über ihn spricht. Eigentlich habe ich den Drang nochmals anzusetzen und mir aus der Seele zu schreien, dass er einen Namen hat. Als ob sie vergessen hat, dass wir einst beste Freunde waren. Doch ich entscheide mich dagegen, da ich den Konflikt nicht noch weiter antreiben möchte.

»Ich wollte doch nur...« Ich beende meinen Satz nicht, denn Mum scheint mir nicht mehr zuzuhören. Mit einer Geste verdeutlicht sie mir, dass ich gehen kann.

»Du wirst dich nicht mehr mit ihm treffen!«, ruft sie mir nach, während ich die Holztreppe nach oben laufe. Ihre Worte hallen noch in meinem Kopf nach. Ich bin achtzehn Jahre alt, auf den Tag genau sogar und sie kann mir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen hab. Ich bin wütend darüber, dass sie mich immernoch wie ein kleines Kind behandelt und mir nicht zutraut vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Ich werfe mich auf mein Bett. Mein Kopf dröhnt. Auch nachdem ich meine Augen schließe, kommen meine Gedanken nicht zur Ruhe. Aidens Aussage hat sich fest in meinen Kopf gebrannt.

Wieso ist es gefährlich die Wahrheit zu Kennen? Es kommt mir so vor, als ob Aiden in Rätseln spricht. Anstatt dass ich ihn immer besser verstehe, verwirrt er mich mit jedem Mal nur noch mehr. Er wirft Dinge in den Raum ohne sie zu Erklären und ich plage mich dann mit diesen rum.

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Kaum habe ich den Hof verlassen, merke ich unweigerlich am Fahrverhalten, dass etwas nicht stimmt mit meinem SUV. Als ob ein Widerstand meinen Wagen daran hindert in die Kurve zu fahren. Ich spüre wie der Pickup leicht nach außen driftet und sich äußerst schwammig anfühlt beim Lenken.

Ohne zu Zögern komme ich sofort zum Stehen, um daraufhin mein Auto zu begutachten. Ich inspiziere die Reifen genauer, als mir plötzlich ein Platten auffällt. Na toll, ein Nagel im Profil. Die Luft musste bereits über die Nacht entwiechen sein.

Ich dachte nur der Tag gestern endete miserabel, aber dass der heutige Tag so beginnt, ist die Krönung.

Der Chevrolet muss doch sicherlich ein Ersatzrad besitzen. Ich habe zwar noch nie einen Reifen gewechselt, habe aber schon unzählige Male Dad dabei beobachtet und ihm auch assistiert. Ich öffne die Heckklappe des Wagens und ziehe die Bodenabdeckung hoch.

Ich erkenne das Ersatzrad, den Wagenheber sowie das Bordwerkzeug, die im Gepäckraum unterhalb der hinteren Stoßstange befestigt sind.

Ich packe kurzerhand mein Handy aus der Hosentasche um zu googeln wie ich nun vorgehen soll. Doch die komplizierte Beschreibung lässt mich den Internetexplorer wieder schließen, da ich kein einziges Wort verstehe. Nachdenklich betrachte ich das Ersatzrad noch eine Weile, bis mir eine kleine schwarze Plastikmappe in die Augen fällt. Ich greife nach dieser und als ich sie öffne liegt sowohl ein Handy, als auch ein Stapel Kontoauszüge darin.

Wer verstaut so etwas denn im Ersatzrad? Allein schon zu wissen wo sich dieses befindet ist keine Selbstverständlichkeit.

Das Handy scheint keinen Akku zu haben, da der Anknopf nicht reagiert und das Display schwarz bleibt. Ich blättere die Kontoauszüge durch und mir wird erst jetzt klar, wem diese Mappe gehörte. Klara. Die Überweisungen wurden von ihrem Konto getätigt. Der Empfänger ist das Allegheny General Hospital hier in Pennsylvania. Schon seit mehreren Jahren fließen in regelmäßigen Abständen ziemlich hohe Geldbeträge auf das Konto des Krankenhauses. Als Verwendungszweck steht Ava Wilson mit dem Zusatz Krebszentrum. Wer zum Teufel ist Ava Wilson.

Ich habe das Gefühl, dass diese Unterlagen nicht zufällig hier gelandet sind, sondern bewusst versteckt wurden. Anscheinend sollten sie nicht gefunden werden.

Die Unterlagen verstaue ich in meiner großen Handtasche und entscheide mich das Handy zuhause genauer unter die Lupe zu nehmen.

Aiden - gefährliche LiebeWhere stories live. Discover now