Kapitel 22

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Als Aiden seine Zigarettenschachtel aus der Jeanstasche holt, greife ich nach dieser, um sie im großen Bogen aus meinem Fenster zu werfen. Ich kann nicht glauben, dass er es ernsthaft in Erwägung zieht in meinem Zimmer zu Rauchen.

»Was soll das?«, gifte ich ihn an, doch Aiden sprintet sofort zum Fenster um sich einzuprägen wo seine Nikotinstengel gelandet sind. Dass er dabei fast über seine eigenen Füße stolpert, stört ihn nicht im Geringsten, da er es doch noch schafft seinen Körper zu stabilisieren.

»Erst tauchst du hier betrunken auf, dann machst du einen Aufstand und jetzt willst du noch in meinem Zimmer rauchen?«, blaffe ich ihn an und stütze meine Hände in den Hüften ab um ihm den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Ich will gar nicht daran denken wie Mum reagiert, wenn sie Aiden hier sieht. Seine Alkoholfahne hat sich bereits im gesamten Zimmer ausgebreitet, sodass jeder, der auch nur einen Fuß in mein Zimmer setzt, von einem widerlichen Alkoholgestank getroffen wird. Als ob das dann nicht genug wäre, würde Mum mir vermutlich auch nicht glauben, dass wir uns nur unterhalten, da sich Achtzehnjährige für gewöhnlich wegen anderen Aktivitäten mitten in der Nacht treffen.

»Du solltest eh damit aufhören. Deine Lunge ist sicherlich schon pechschwarz von dem vielen Rauchen«, versuche ich Aiden zu belehren, auch wenn ich weiß, dass er keinen Wert auf meine Meinung legt. Aiden verdreht nur die Augen und sieht mich mit einem ironischen Lächeln an.

»Na wenn du sonst keine Probleme hast«, antwortet er belustigt und zwinkert mir zu. Mit einer Hand stützt er sich am Fenstersims ab, da er immernoch ziemlich wackelig auf den Beinen ist. Wenn er mir doch nur egal sein könnte. Doch im gleichen Zug verknotet sich mein Magen, wenn ich daran denke, dass Aiden nicht mehr Teil meines Lebens wäre. Auch wenn vieles einfacher werden würde. Schlicht normal. Gewöhnlich. So wie es war bevor er wieder aufgetaucht ist und mein Leben aus den Bahnen geworfen hat. Doch ich kann nicht anders, als seine Nähe zu suchen, auch wenn ich mir manchmal wünsche ich könnte mich dagegen wehren. Doch alles an ihm zieht mich in einen gewissen Bann, wie beispielsweise die mir vertrauten grünen Augen, die ich schon damals so faszinierend fand. Jedes Mal aufs Neue agiere ich wie fremdgesteuert und kann es mir einfach nicht erklären, wieso ich in seiner Nähe die Kontrolle über meine Vernunft verliere.

Während Aiden immer noch nach draußen starrt und nach seinem Heiligtum Ausschau hält klingelt sein Handy.

»Ich bin unterwegs. Komme in einer halben Stunde.« Höre ich ihn leicht verärgert antworten. Ohne sich weiter seinem Gesprächspartner zu widmen, legt er auf und steckt sein Handy wieder in die Hosentasche.

»Wer ruft dich denn mitten in der Nacht an?«, frage ich, da ich nicht nachvollziehen kann, wer sich um diese Uhrzeit noch verabreden möchte. Vielleicht bin ich aber auch einfach, aus welchem Grund auch immer neugierig, ob Aubrey am Hörer war. Immerhin scheinen sie sich sehr nah zu sein, wenn sie bei ihm ein- und ausgehen kann, wann immer ihr danach ist.

Mit einem Mal läuft unser Kuss wie ein Film in meinem Kopf ab. Eigentlich war es nur ein Kuss - nicht mehr. Doch für mich war es irgendwie etwas Besonderes. Ich hatte das Gefühl, dass wir genau dort weitergemacht haben, wo wir vor sechs Jahren aufgehört haben. Damals schon hatten wir eine neue Ebene erreicht, die intensiver war als eine einfache Freundschaft. Als ob man ein Kapitel in einem Buch liest, welches mit einem Cliffhanger endet und man voller Erwartung die Seite umblättert, doch dann nur eine blankes Papier vorfindet. Man möchte wissen wie es weitergeht, doch anstattdessen wird man einfach in der Luft hängen gelassen. Man schwebt in der Ungewissheit und fragt sich immer was wäre wenn, doch es taucht Niemand auf, der die Antwort auf diese Frage kennt. Ich bin wie hypnotisiert von meinen Gedanken, doch Aiden reißt mich mit seiner Stimme ins Hier und Jetzt.

»Freunde«, antwortet er belanglos und beendet somit die Unterhaltung. Natürlich hatte ich gehofft, dass Aiden spezifischer auf meine Frage eingeht, aber anstatt dessen lässt er meiner Phantasie freien Lauf. Ob Aubrey immernoch bei ihm ist?

»Freunde? Solche wie Jack und Aubrey?«, frage ich, weil ich will, dass er etwas, irgendetwas mit mir teilt.

»Ich verstehe nicht, wieso du dich mit solchen Leuten abgibst«, gebe ich von mir in der Hoffnung ihn so aus der Reserve zu locken, da er immernoch schweigt.

»Du musst es nicht verstehen, Sarah. Es reicht wenn die mich verstehen.« Ich kann nur schwach nicken, denn ich bin enttäuscht über die Tatsache, dass er wirklich glaubt seine neuen Freunde wären besser für ihn. Würden ihn besser verstehen. Immerhin kennen sie ihn nur so wie er jetzt ist, so wie er damals war, so kenne nur ich ihn.

»Möchtest du denn nicht wissen, was in den Nachrichten steht?« Ich deute auf das Handy, welches auf dem Schreibtisch liegt. Mein Ton lässt keinen Zweifel daran, dass ich nicht ganz überzeugt davon bin dieses Thema erneut anzusprechen.

»Du hast Mikes Handy durchgeschaut?« Aiden versucht den Ärger in seiner Stimme zu verbergen, doch es gelingt ihm nicht. Er räuspert sich einige Male, ehe er wieder weiter spricht.

»Fuck Sarah. Steck deine Nase nicht in fremde Angelegenheiten.« Sein Blick verengt sich und er fixiert angewidert dieses Mobiltelefon.

»Aiden, höre mir doch bitte einmal zu.« Er betrachtet mich, als ob ich in einer anderen Sprache sprechen würde.

»Ich will Nichts bezüglich des Handys wissen und du solltest auch alles schnell vergessen.« Ohne noch weiter auf das Gespräch einzugehen, reisst er mir das Mobiltelefon aus der Hand und stürmt aus der Türe. Ich rufe ihm nach, dass er bleiben und sich beruhigen soll, doch er ignoriert mich und macht sich aus dem Staub.

Diese Reaktion habe ich nicht erwartet. Ich will ihm doch einfach nur helfen. Auch wenn ich nicht weiß, was es mit diesem Handy auf sich hat, spüre ich ganz deutlich, dass hier etwas nicht stimmt.

Ich lehne meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und betrachte Aiden, der mit zügigen Schritten quer über den Spielplatz läuft und schließlich in der Dunkelheit verschwindet. Wieso kann mich Aiden nicht einmal an seiner Welt teilhaben lassen. Jedes Mal verschwindet er und hinterlässt Fragezeichen in meinem Kopf. Es ist wie ein Teufelskreis. Er motzt mich an, rennt weg, taucht wieder auf, entschuldigt sich und haut wieder ab. Ich beschließe ihm nachzulaufen, auch wenn es meinen Stolz kränkt, aber ich bin mir sicher, dass ich Aiden nicht gleichgültig bin. Er würde doch sonst nicht immer wieder hier auftauchen, egal ob betrunken oder nicht.

Aiden - gefährliche LiebeOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz