Kapitel 9

860 66 40
                                    

Nachdem ich mir bei Mrs. Brown den Magen, mit einer überaus leckeren Käsesahnetorte voll geschlagen habe, beschließe ich mich auf den Heimweg zu machen. Noch mehr zuckerhaltige Leckereien könnte ich sowieso nicht vertragen.

Draußen weht ein warmer Wind und nur wenige Menschen befinden sich noch auf den Straßen. Während ich gedankenlos den Gehweg passiere, bleibt mein Blick auf Aiden haften, der zielgerichtet auf der anderen Straßenseite in die entgegengesetzte Richtung hastet. Mit Rucksack und großen Kopfhörern läuft er geradeaus die valley road entlang. Meine Neugier ist groß, weswegen ich mich dazu entscheide, ihm unauffällig zu folgen.

Um unentdeckt zu bleiben, halte ich die nötige Distanz ein und betrachte das heruntergekommene Viertel, in dem wir uns mittlerweile befinden.

Viele der Häuser hier sind verlassen und ich muss zugeben, dass ich mich sonst noch nie in diese Gegend verirrt habe. Sie liegt östlich am Rande der Stadt, wo eigentlich nur einkommensschwache Familien wohnen. Ich erinnere mich an Dads Worte, wie er diesen Teil der Stadt als gefährlich, mit einer hohen Kriminalitätsrate beschrieben hat.

Viele der Häuser haben stark abgenutzte Fassaden und in einigen fehlen sogar die Fensterscheiben. Alles sieht hier so grau und freudlos aus. Der Rasen in den Vorgärten spriest mehr oder weniger so vor sich hin und nur das laute Gebell aus dem Inneren der Häuser deutet auf Leben hier im Viertel hin. Keines der Gebäude hat einen gepflegten Garten, mit einer hübsch dekorierten Veranda, so wie es bei uns in der Straße üblich ist. Es ist genau das Gegenteil dessen, wie ich aufgewachsen und was ich gewohnt bin.

Nachdem Aiden in eines dieser heruntergekommenen Häuser verschwindet, bleibe ich abrupt stehen und denke zum ersten Mal darüber nach, was ich hier eigentlich tue. Was hatte ich mir von dieser Verfolgungsjagd erhofft?

Je mehr ich mich diesem kleinen Haus, mit dunkelgrüner Fassade nähere, desto lauter wird die Musik. Anscheinend findet im Inneren eine Hausparty statt. Ohne mir auch im Geringsten Gedanken über die Konsequenzen meiner Handlung zu machen, steige ich die wackeligen Stufen hinauf und greife nach dem verosteten Türknauf der Eingangstüre. Sofort öffnet sich diese und ich stehe mitten in einem dichten Nebel aus Rauch und bunten Lichtern. Ein muffiger Gestank erreicht meine Nase, welcher sich aus Schweiß, modrigem Holz und  Zigaretten zusammensetzt. Ich halte die Luft an und trete ein.

In dem Wohnzimmer  tummeln sich haufenweise Jugendliche mit Bechern voller Alkohol in der Hand. Einige scheinen schon ziemlich betrunken zu sein, da sie sich kaum auf den Beinen halten können.

Während ich die Partymenge genauer betrachte und meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen lasse, bleibt dieser am schwarzen Sofa an der hintersten Wand des Raumes hängen. Aiden. Er scheint sich gut zu amüsieren, da ich ihn sogar aus einigen Metern Entfernung lachen höre. Ich fühle mich unwohl. Ich bin umgeben von betrunkenen, mir fremden Menschen,  die wild am rummachen oder sich übergeben sind.

Ich mustere Aiden, doch dieser hat nur Augen für die Mädchen, die sich um ihn herum tummeln. Er strahlt nur so vor Sexappeal, Selbstbewusstsein und Rebellion. Hier hat er wohl eine andere Wirkung auf Frauen, als er es an unserer Schule hat.

Eine junge Frau mit blonden, makellos frisierten Haaren und einem kurzen Kleid sitzt auf seinem Schoß. Seine Hand liegt auf ihrem Oberschenkel, was sie nicht zu stören scheint. Wenn seine Hand noch ein Stück weiter nach oben rutscht berührt sie ihren Slip. Was hat sie sich dabei gedacht ein so kurzes Kleid zu tragen. Es bedeckt ja gerade mal so ihren Allerwertesten.

Nachdem Aiden seinen Kopf entspannt nach hinten legt, beginnt die Blondine seinen Hals mit ihrer Zunge zu liebkosen. Dieser Anblick schnürt mir die Kehle zu und ich ergreife die Flucht.

Ich beschleunige mein Tempo, doch an der Eingangstüre werde ich von einem kleinen aber kräftigen Kerl aufgehalten. Er sperrt mir den Weg ab, sodass ich nicht vorbei komme.

Ich versuche mich an ihm vorbei zu drängen, doch er lässt mich nicht. Ich verschrenke meine Arme vor der Brust und bleibe genervt stehen. Er kommt mir so nah, dass er meine persönliche Distanzzone überschreitet.

Er packt mich am Arm und drückt mich gegen die Wand. Sein Grinsen ist breit. Seine Lippen sind geschlossen, doch ich erkenne wie er sich mit der Zunge über die Zähne leckt. Seine Nackenmuskulatur verhärtet sich und sein Atem wird flacher. Er fokussiert mich mit einem unglaublichen Hass. Es ist dieser böse Blick, den man auflegt, wenn man kampfbereit ist.

Er macht mir Angst. Ich versuche erneut mich an ihm vorbei zu drängen, doch er stützt seine Hände jeweils links und rechts von mir an der Wand ab. Ich spanne meinen Körper an um auf jede Eventualität vorbereitet zu sein.

»Lass mich gehen!« Ich versuche selbstbewusst zu klingen.

»Wer zum Teufel bist du? Nachwuchspolizistin? Oder nach was suchst du hier!« Sein Gesicht ist angespannt.

Sein Blick durchbohrt mich regelrecht, da seine Augen intensiv auf mich gerichtet sind. Mein Atem wird schneller. Die Angst lässt mich keinen klaren Gedanken fassen und mein Blick ist starr. Seine Lippen sind zusammengekniffen und zwischen seinen Augenbrauen macht sich eine Falte bemerkbar. Er ist wütend.

Am liebsten würde ich einfach Weglaufen, doch er hat mir die Möglichkeit dazu genommen. Ich bin von seinem Körper umzingelt.

»Nein bin ich nicht. Lass mich einfach gehen«, versuche ich an sein Gewissen zu appelieren.

Mein Herz hämmert wie wild. Wie von allein schließen sich meine Augen und ich kann die Tränen, die sich unter meinen Lidern sammeln nicht mehr zurück halten.

»Lass sie los!«

Als ich aufblicke, sehe ich Aiden, der voller Hass und Wut diesen Kerl von mir wegzerrt. Immer und immer wieder trifft seine Faust das Gesicht des am Boden liegenden Mistkerls.

»Wenn ich dich noch einmal in ihrer Nähe sehe, bringe ich dich um....hast du mich verstanden, du Wichser!«

Mittlerweile ist das ganze Gesicht des Typen mit Blut überströmt.

»Und jetzt verpiss dich und lass dich hier nie wieder blicken.«

Sofort ergreift der kleine Kerl die Flucht und schlägt die Türe hinter sich zu.

Ich stehe einfach nur da, wie ein Häufchen Elend. Mein Gesicht in den Händen vergraben, welche sich nun immer mehr mit Tränenflüssigkeit füllen.

»Los komm mit. Wir gehen«, keift Aiden mich sichtlich außer sich an.

Ich nicke wortlos und folge ihm.

Aiden - gefährliche LiebeWhere stories live. Discover now