Kapitel 33

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Die Ästhetik des Viertels gleicht einer Horrorfilmkulisse und ich spüre wie sich Gänsehaut über meine Arme ausbreitet. In dieser Straße ist beinah jedes Haus mit Grafitti verziert. Wobei es Graffiti auch nicht wirklich auf den Punkt bringt. Es sind eher Schmierereien. In den Vorgärten liegt Schrott, der langsam von Unkraut überwuchert wird. Einige Fenster sind mit Holzbrettern verschlossen. Ein mürrisch dreinblickender Mann sitzt auf einer teils kaputten Veranda eines braunen Hauses und raucht genüsslich eine Zigarette. Sein weißes Tanktop ist zu klein, weswegen ein behaarter Streifen Haut sichtbar wird. Seine Augen verfolgen jeden meiner Schritte, als ob ich ein Eindringling wäre. Eine Gefahr. Jemand, der hier nichts zu suchen hat. Was ich natürlich genauso sehe, da ich mich alles andere als wohl fühle. Durch lautes Hundegebell werde ich schnell aus meinen Gedanken gerissen und konzentriere mich nur noch darauf endlich ein kleines graues Haus mit der Nummer zehn zu finden. Ich soll nach einem alten, schwarzen Ford Ausschau halten.

Am Straßenrand stehen alte, verrostete Autos, die ihre beste Zeit längst hinter sich haben. Als ich das  Haus mit dem bröckelten Putz endlich erreiche, fällt mir als Erstes die Klingelanlage auf. Sie hängt an den Drähten aus der Wand und ich beschließe sie lieber nicht zu berühren aus Angst einen Stromschlag zu bekommen.

Stattdessen linse ich nach oben, zu dem offenen Fenster und rufe einige Male Aidens Namen.

Doch nachdem mich niemand hört steige ich die morsche Holztreppe hinauf. Bei dem Versuch zu Klopfen öffnet sich mir die alte Tür wie von allein, sodass ich direkt in der Türschwelle stehe. Da alle Fenster mit alten Stofflaken bedeckt sind ist es im Gegensatz zu draußen dunkel im Inneren. Es sind keine Stimmen zu hören und nur eine kleine Lampe lässt Umrisse erahnen. Ich schiele zur Decke und überlege, ob es nicht zu gefährlich ist mich in diesem vermutlich einsturzgefährdeten Haus aufzuhalten. An jeder Wand hängt Tapete runter und die teilweise lose Decke bröckelt auch schon. Als ich eintrete muss ich jeden Schritt genaustens planen um nicht über die vielen Becher und Vodkaflaschen zu stolpern. Wie kann man seinen Müll nur so entsorgen überlege ich kurz und schleiche vorsichtig den großen Raum entlang.

Als ich um die Ecke biege, sitzt eine kleine Menschengruppe auf dem Boden. Zwei Frauen und drei Männer. Nervös blicke ich mich um und sehe Aiden auf einem Sofa liegen. Ein Bein angewinkelt und das andere lässt er lässig runter hängen. Sein Kopf ruht auf seinen angewinkelten Armen und die Augen hat er geschlossen.

Es ist dreckig, stickig und voller Qualm. Ich verziehe angewidert das Gesicht und lege meine Hand schützend vor die Nase. Aus einem der Handys ertönt Chillout Musik.

Obwohl mich die Gruppe bemerkt hat schenkt sie mir keine Beachtung. Alle sind so in ihrer eigenen Welt gefangen, dass sie nur zu der Musik hin und her wippen und sich dem Joint widmen. Lediglich die Glut erhellt für einen Bruchteil der Sekunde ihre Gesichter und ich versuche zu erkennen mit wem ich es zu tun habe.

Der klebrige Boden erschwert mit den Gang immens. Und auch der ganze Müll auf dem Boden fordert meine gesamte Konzentration um nicht zu stolpern.

»Aiden« Ich rüttle an seiner Schule. Nur zaghaft öffnet er seine Augen und zieht seine Mundwinkel sofort zu einem Lächeln. Ich fasse es nicht, er ist komplett zugedröhnt. Seine Lider kann er nur mit viel Anstrengung offen halten.

»Ist die Musik nicht geil.« Er sieht ganz blass aus. Nur seine geröteten Augen geben seinem Gesicht etwas Farbe. Seine Aussprache ist undeutlich, da er die Wörter in die Länge zieht.

»Ist das dein Ernst?«, sage ich schroff.

»Aiden verdammte Scheiße. Die Polizei sucht dich.« Ich erschrecke mich kurz über meine vulgäre Ausdrucksweise, schaffe es aber einfach nicht ruhig zu bleiben. Nicht unter diesen Umständen.

»Ist mir scheißegal.« Seine Augen flackern ganz merkwürdig und seine Pupillen sind riesengroß. Die Entschlossenheit in seiner Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken.

Das kann doch nicht wahr sein. Er kann sich doch nicht ständig in seinem Elend suhlen.

»Aiden bitte.« Ich versuche an sein Verstand zu appellieren. Aber er dreht sich ruckartig von mir weg und schenkt mir keine Beachtung mehr. Es ist eine eindeutige Geste. Widerwillig aber entsetzt darüber wie er mir die kalte Schulter gezeigt hat, stehe ich auf und verlasse diese Bruchbude. Ich hätte nicht herkommen dürfen.

Soll er tun und lassen was er möchte schreie ich in mich hinein und bin wütend darüber, dass ich mich jedesmal demütigen lasse von ihm.

Aiden - gefährliche LiebeWhere stories live. Discover now