Kapitel 21

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Völlig niedergeschlagen erreiche ich mein Zimmer und lasse mich samt Klamotten in mein Bett fallen. Glücklicherweise schlafen Mum und Dad schon, sodass ihnen mein aufgelöster Anblick erspart bleibt. Es gäbe nur eine unnötige Konfrontation, die vermutlich in einer lautstarken Diskussion enden würde.

Der Gedanke an Aiden und Aubrey schmerzt einfach. Mein Kopf scheint eine Tonne zu wiegen und bei jedem Versuch ihn zu bewegen zucke ich vor Schmerz zusammen. Meine Augenlider sind schwer und meine Augen brennen fürchterlich. Ich liege eine gefühlte Ewigkeit nur da, ohne mich ein einziges Mal zu Regen. Am liebsten würde ich die Augen schließen und der Müdigkeit nachgeben, doch ich kann mich nicht beruhigen.

Durch gleichmäßiges Atmen versuche ich in den Schlaf zu finden, doch auch das gelingt mir einfach nicht. Mein Körper steht unter Strom und ich schaffe es nicht ihn ruhig zu halten. Ich drehe mich ständig von der einen auf die andere Seite, bis ich mich schlussendlich doch an die Bettkante setze.

Ich schlüpfe in meine Hausschuhe und taste mich so leise wie nur möglich durch die Dunkelheit. Vorsichtig schleiche ich den Flur entlang und knipse erst in der Küche das Licht an, nachdem ich die Türe geschlossen habe.

Ich öffne sofort das Fenster und stütze mich mit meinen Ellenbogen auf dem Fenstersims ab. Die frische Luft strömt in meine Lunge und jeder Atemzug lässt mich Erleichterung spüren. Das blaue Display der Mikrowelle zeigt zwei Uhr. Ich öffne den Kühlschrank und betrachte eine gefühlte Ewigkeit den Inhalt. Ich schnappe mir einen Schokopudding und nehme am Küchentisch Platz. Ich schiebe den ersten Löffel Pudding in meinen Mund. Schokolade hat schon immer Wunder bei mir bewirkt und ich hoffe, dass er dieses Mal auch das erhoffte Resultat liefert.

Zu meiner Enttäuschung muss ich jedoch feststellen, dass diese enorme Zuckerbombe nicht die gewünschte Euphorie auslöst.
Als ich mein Zimmer wieder betrete höre ich ein leises, undefinierbares Geräusch, weswegen ich mich mehrmals umdrehe, da ich es nicht lokalisieren kann.

Als erneut ein dumpfes Geräusch gegen die Scheibe trifft, schrecke ich auf und schiebe die Gardine beiseite um nach draußen zu schauen. Direkt unter meinem Fenster steht Aiden, der erneut ausholt um einen kleinen Kieselsteine zu werfen, ehe er mich erblickt und diesen fallen lässt. Ich reisse hastig das Fenster auf und verdeutliche ihm mit einer Handbewegung, dass er aufhören soll.

»Spinnst du?«, sage ich leise, aber dennoch mit einem gewissen Druck.
Aiden taumelt. Dieser Idiot taucht immer nur auf, wenn er betrunken ist. Ich ermahne ihn mit einem Zeigefinger auf den Lippen, dass er keinen Mucks mehr von sich geben soll.

Ich bin sauer. Wie kann er einfach hier aufkreuzen und sich so daneben benehmen. Ich öffne die Haustüre, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht einfach wieder verschwindet.

»Was machst du hier?« Meine Stimme wirkt bedrohlich. Er hat sie nicht mehr alle. Er ist doch komplett verrückt. Was denkt er sich dabei.
Ich halte mir die Hand an die Stirn und atme tief ein und wieder aus.

»Können wir...« Seine Alkoholfahne widert mich an.»... reden?« Ich betrachte ihn mit einer misstrauischen Miene und kann es immernoch nicht fassen, dass er mich dieser unangenehmen Situation aussetzt. Mum und Dad machen mich einen Kopf kürzer, wenn sie uns hier zusammen entdecken.

»Lauf mir einfach hinterher und mach ja keinen Krach«, ermahne ich ihn erneut.

Ich schließe vorsichtig die Türe hinter uns zu und bausche mich vor Aiden auf, der sich mittlerweile auf mein Bett gesetzt hat.

»Was denkst du dir dabei? Du kannst hier nicht einfach auftauchen«, fauche ich ihn an und hoffe so ein schlechtes Gewissen bei ihm auszulösen. Falls es in seinem Zustand überhaupt noch möglich ist sich ernsthaft Gedanken über diese skurrile Situation zu machen, in der wir uns nun befinden.

»Ich bin ein Arsch.« Wie Recht er damit hat. Immerhin ist er noch zu Selbstreflexion im Stande. Obwohl ich ihm am liebsten zustimmen würde, verkneife ich mir diesen Kommentar.

»Ich bin einfach wie er.« Aiden stößt in aufgesetzter Dramatik den Atem aus.

»Wie wer?«, hake ich nach, während ich ihn mustere und den Kopf zur Seite lege.

»Wie mein Vater. Ein Schwerverbrecher. Ein abgefucker Wichser.« Das Einzige was ich wahrnehme ist Aidens schwerer, anstrengender Atem. Er sackt in sich zusammen wie ein kleines Häufchen Elend.

»Aber der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit vom Baum.« Ich betrachte seinen braunen, zersausten Haarschopf und muss feststellen, dass er ziemlich fertig aussieht.

»Vom Stamm. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, verbessere ich ihn, mit dem Versuch die Stimmung aufzulockern. Doch sofort verfluche ich innerlich die Tatsache, dass ich nicht zu den Menschen gehöre, die immer im richtigen Moment die passende Bemerkung parat haben.

»Wieso bist du hergekommen?«, frage ich vorsichtig nach einer kleinen Pause.

»Ich wollte mich entschuldigen.« Natürlich will er das. Immer wenn er getrunken hat ist ihm danach. Ich beschließe ihm nun endlich das Handy zu zeigen, weswegen ich es sofort greife und ihm vor die Nase halte.

»Was ist das?« Seine Stirn ist in Falten gelegt während er spricht.

»Mikes Handy«, offenbare ich zögerlich. Ich versuche gefasst zu wirken, doch meine Stimme zittert. Mit einem Schlag ist Aiden aufgebracht und seine Gesichtsmuskulatur angespannt.

»Ich habe...« Er unterbricht mich und umfasst mein Handgelenk stärker, als mir lieb ist. Mit zusammengezogen Augenbrauen betrachtet er mich nun.

»Wer hat dir das gegeben?« Als ich schweige wird seine Stimme lauter. Ich bin einfach wie erstarrt und mein Herz klopft so laut, dass es Aidens Worte übertönt.

»Woher hast du das?« Er schreit und plötzlich ist er das komplette Gegenteil von dem Aiden, der er vor einigen Minuten noch war.

»Ich habe es gefunden.« Ich löse mich aus seinem Griff und fahre über die schmerzende Stelle.

»Gefunden?« Er presst seine Lippen zusammen.

»Ja, als ich den Reifen meines Pickups wechseln wollte. Es lag da einfach.« Als Aiden bemerkt, dass meine Augen glasig werden, legt er seine Arme um mich.

»Es tut mir Leid. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist.« Er nimmt meine Hand und streichelt sanft über die bereits rote Stelle. An seinem Blick erkenne ich, dass es ihm wirklich Leid tut.

»Hast du Jemandem davon erzählt?« Er betrachtet das Mobiltelefon und rote Flecken bilden sich auf seinen Wangen.

»Natürlich nicht.« Meine Stimme ist kratzig und ich schlucke schwer.

Dass ich Klaras Kontoauszüge gefunden habe, erwähne ich nicht. Ich weiß nicht, ob Aiden Bescheid weiß und vielleicht wäre ihm das auch unangenehm. Klara überweist enorme Summen dem Krankenhaus, vermutlich für eine bessere Betreuung von Ava und das könnte für Verlegenheit bei Aiden sorgen.

Aiden - gefährliche LiebeWhere stories live. Discover now