2. Neue Freunde, neues Leben *

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Das Zimmer, das mir zugewiesen wurde, war einfach nur ein Traum. Es erinnerte mich sehr an mein eigenes, nur dass es noch viel größer war und sogar einen eigenen Balkon besaß. Meine eigene Mutter hätte mir so etwas im Zimmer nie erlaubt, zu groß wäre ihre Angst gewesen, dass ich herunterfliegen könnte. Sie war schon immer sehr überfürsorglich gewesen, ich war ihr Goldstück gewesen. Sie hat bis zum bitten Ende alles für mich getan, sogar ihr eigenes Leben geopfert.

Nachdem meine neue Mutter mir Zofen zugewiesen hatte, die mir ein Bad einließen, mich ankleideten und die einzige Wunde, die ich hatte, versorgten – wobei es sich um einen langen dünnen Schnitt an meinem Bauch handelte, der durch eine Klinge der Riesen entstanden war –, hatte sie noch Stunden mit mir geredet. Sie war wirklich eine bemerkenswerte Frau und ich hoffte auf ein schönes Leben, doch ich spürte das Leid. Ich konnte nicht aufhören immer und immer wieder an den Tod meiner Eltern zu denken, der erst vor wenigen Stunden war und deswegen saß ich auch nur verloren in meinem gewaltigen Himmelbett und weinte mir die Augen aus. Ich kam mir so alleine vor, auch wenn ich das jetzt nicht mehr war. Aber was brachte mir eine neue fremde Familie schon? Sie waren nicht das, was ich wollte.

Ich wischte mir verstohlen über die Augen und wusste, dass es so nicht weitergehen würde. Wie sollte ich mich einfach in einer neuen Familie einleben? War das nicht praktisch unmöglich? Ich würde am Ende nur deren Glück zerstören und außerdem wollte ich nichts lieber als diese verdammten Riesen zu töten. Der Gedanke schockierte mich ja selbst, ds ich nie gewalttätig gewesen war und auch nie für so etwas gewesen war, aber der heutige Tag hatte mich geändert. Ich wollte ihnen Schmerzen zufügen, wie sie es bei mir hatten, doch ich war eben nur ein Kind. Was wusste ich schon? Damit dachte ich vielleicht vernünftig, vernünftiger als andere in meinem Alter, aber auch nur weil meine Familie mir beigebracht hatte mich älter und erwachsener zu benehmen, als ich es war. Ich wurde eben zu einer perfekten kleinen Dame erzogen.

Langsam stand ich von meinem Bett auf und richtete mein weißes Kleid, das nicht annähernd so schön war, wie mein Geburtstagsgeschenk, doch es war ja auch nur zum schlafen gedacht. Leise machte ich mich auf den Weg zur Türe und riss diese auf, denn ich musste von hier weg. Das alles war lieb und nett gemeint, doch ich sollte dorthin, wo ich hingehörte, zu meinem Trümmerhaufen von Haus. Der Gang war verlassen und wirkte gespenstig, so dunkel und leer wie es hier war, doch ich würde mich nicht von der Dunkelheit abschrecken lassen und lief einfach in Richtung Ausgang, wobei nur ein ganz leichtes Licht mir den Weg weißte. Ich versuchte meine Angst zu verbergen, als ich hastig den Gang durchquerte, denn es war trotz meines aufgesetzten Mutes ein schräges Gefühl durch so unbekannte Wege zu laufen und das mitten in der Nacht.

„Was machst du da?" Ich hätte beinahe aufgeschrien, als ich eine Stimme hinter mir vernahm, zu der ich mich panisch umdrehte.

„Loki", sagte ich leise und sah meinen neuen Bruder verschreckt an. Er hatte sein Zimmer offensichtlich gegenüber von meinem, denn er stand bei seiner offenen Türe und sah mich fragend an.

„Versuchst du abzuhauen?"

„Ich gehöre hier nicht her und muss weg", versuchte ich mich leise zu rechtfertigen, denn so wie er vorhin gewirkt hatte, müsste er eigentlich sowieso glücklich darüber sein. Er hatte nicht ein Wort mit mir gewechselt, mich ein wenig arrogant angeblickt und war dann auch schon weg gewesen.

„Und wohin bitte? Sei nicht verrückt und geh in dein Bett", sagte er und ich sah ihn kurz irritiert an, denn wieso wollte er, dass ich bleibe?

„Ich kann nicht", hauchte ich fast unhörbar, „Ich kann so doch gar nicht weiterleben, ich habe nichts mehr zum leben." Zum Ende hin erkämpften sich Tränen einen Weg nach außen und er seufzte verzweifelt darüber auf und kam doch tatsächlich auf mich zu, wo er meine Hand in seine nahm und mich einfach mit sich in mein Zimmer zog.

Loki|| He will be the death of me ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt