109. Alles braucht seine Zeit

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Nichts ergab mehr wirklich einen Sinn, nichts fühlte sich mehr wirklich echt an und doch war es das offensichtlich, oder nicht? Es fiel mir schwer die Wirklichkeit von all den Trugbildern in meinem Kopf zu unterscheiden und noch schwerer, nicht völlig durchzudrehen. Benebelt hatte ich es geschafft meine Augen zu öffnen und mich in meinem Bett aufzusetzen, wo ich nun völlig verwirrt und mit dem Gefühl jeden Augenblick zurück in die grausame Realität gerissen zu werden, mich in meinem Zimmer umsah, wo sonst keiner zu sehen war. Hier wirkte alles so wie immer und doch auch überhaupt nicht. Es kam mir so vor, als wäre ich seit Jahrhunderten nicht mehr hier drinnen gewesen, vielleicht stimmte das ja sogar, denn obwohl ich zu Hause war, so fühlte es sich alles so fremd an. Es war als würde mein Innerstes nicht einsehen wollen, das sich zurück war, doch wieso sollte ich es auch glauben? Der Weg hierher war furchtbar verwirrend gewesen und ich erinnerte mich nur wage daran.

„Das hier ist nicht echt", murmelte ich verzweifelt und spürte wie mir die Tränen kamen, doch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit träumte ich nur, würde jeden Augenblick in der Dunkelheit wieder aufwachen, von dem Schatten gejagt werden und einfach nur alleine sein. Ich ertrug es kaum auch nur daran zu denken, versuchte mich daran zu erinnern, wie ich hier hergekommen war, doch in meinem Kopf herrschte Notstand. Es war alles ein einziges großes Chaos, ich wusste die einfachsten Dinge nicht mehr, vertauschte Ereignisse und es fühlte sich schmerzvoll an das alles irgendwie zu ordnen, doch ich brauchte die Erinnerung dazu, wie ich hergekommen war, denn würde ich mich nicht mehr daran erinnern, dann wäre es nicht echt und das heißt, dass ich eigentlich nach wie vor in der Schattenwelt war.

„Nein!", rief ich panisch bei diesem Gedanken aus, versuchte von meinem Bett aufzustehen und viel nur auf den kalten Boden dabei, was alles nicht besser machte, denn diese zu vertraute Kälte ließ mich an andere grauenvolle Dinge denken, an das Gift, die Kerker und hastig richtete ich mich auf, eilte schluchzend auf den Balkon raus, wo der Anblick der vielen blühenden Blumen mich augenblicklich beruhigen konnte, das und das Gefühl der Sonne, die warm auf mich herab schien und die mich sogleich wie in einen Bann zog. So lange hatte ich nicht mehr so schöne Dinge wie Blumen oder die Sonne gesehen, hatte so viel Farbe, so viel Natur gesehen und etwas überfordert davon, sank ich auf den warmen Balkonboden, vergrub mein Gesicht in den Händen, bemühte mich darum nicht die Nerven völlig zu verlieren. War das hier nun echt oder nicht? Ich erinnerte mich daran Thor gesehen zu haben, den Palast, Asgard und diese Blumen hier waren doch auch echt und dann war da Loki gewesen... doch ihn hatte ich so oft in der Schattenwelt gesehen, ich wusste kaum mehr zu sagen, wie echt er eigentlich war.

„Marcy?" Ich zuckte völlig panisch bei dem Ruf nach meinem Namen zusammen, drehte mich verschreckt um, nur um Loki vorzufinden, der abwehrend die Hände erhoben hatte, mich mit einem Blick ansah, als hätte er Angst mich zu verschrecken und auch als würde er glauben einen Geist vor sich sitzen zu haben, „Du musst keine Angst haben. Du bist in Sicherheit und ich passe auf dich auf." Irritiert versuchte ich seine Worte zu begreifen, suchte sein Gesicht nach einem Anzeichen dafür ab, dass er mich belog, doch da war nichts, nichts außer Sorge und so viel Leid und Kummer. Dennoch kam ich mir seltsam verloren vor, denn wenn ich wirklich wieder zurück war, was würde das bedeuten? Ich dachte an alles zurück, was geschehen war, seit ich fort war und was geschehen war, kurz bevor ich von dieser Welt gerissen wurde und augenblicklich kamen mir nur wieder neue Tränen.

„Unser Baby", schluchzte ich hysterisch auf, fasste mir an meinen Bauch, doch da war nichts mehr. Nicht dieses vertraute Gefühl, keine leichte Wölbung, es war fast so, als wäre es nie da gewesen und obwohl ich längst gewusst hatte, dass es fort war, so fühlte es sich in dieser Welt weitaus schlimmer an. Hier zu sein kam mir so vor, als würden alle Gefühle, Gedanken, alles Leid, das ich unterdrückt und weggeschlossen hatte, herausbrechen und ich ertrug es nicht. Ich hörte nur all die Schreie der sterbenden Krieger, spürte das Beben, als der alte Flügel einstürzte, ich hörte Coles entsetzten Schrei, als Ivanka starb, ich glaubte die selbe Kälte zu empfinden, wie als das Gift mir die Kehle hinabgeglitten war und ich kam mir genauso verzweifelt und hilflos vor, wie in dem Moment, wo ich realisierte, dass es meinem Baby sicher nicht mehr gut ging.

Loki|| He will be the death of me ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt