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Harry neben mir wurde ganz starr. Offenbar – und vor allem verständlich – saß ihm der Schock in den Gliedern. Ich nahm seine beiden Arme und zog ihn an mich heran. 

Noch immer wusste ich nicht, was genau mit Harry los war. Noch immer war ich absolut ratlos, was seine 'dunkle' Vergangenheit betraf. Und noch immer würde ich alles daran setzen, ihn von der Welt zu beschützen.


„Was tun Sie bitte da, junger Mann! Das ist mein Sohn! Lassen Sie ihn gefälligst los!", keifte Harrys Mutter mich an, wandte sich dann an Harry, ,,Mein Schatz, du brauchst keine Angst zu haben. Phil ist nicht hier!"

Ich konnte erkennen wie Harrys Augen ganz groß wurden.


„Mum, was-"

„Ich bin deine Mutter, Harry. Meinst du nicht, ich hätte es nicht bemerkt? Komm raus. Er ist nicht da."

Sie streckte ihre rechte Hand nach Harry aus, während ich meinen rechten Arm nicht von ihm abließ.


Harry bewegte sich, aber zu meinem Schreck ergriff er die Hand dieser Frau, der daraufhin ein Strahlen über das Gesicht folgte und ließ sich von ihr aus dem Wagen ziehen.


„Harry, ich bin ja so froh-"

Weiter kam sie nicht, denn im nächsten Moment riss sich Harry von ihr los und rannte weg. Verwirrt stieg ich ebenfalls aus der Limousine und folgte ihm und seiner Mutter, die ihm hinterher rannte.

„Harry, bleib stehen!", rief sie und ich sah, dass bereits jetzt schon die ersten Kräfte sie verließen, während Harry einfach weiter lief, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.


„Du bist so eine Heuchlerin! Was bist du nur für eine Mutter!", brüllte Harry zurück und im nächsten Moment hatte ich sie eingeholt.


Wir standen mitten auf dem Bürgersteig einer Straße in LA. Umgeben von Reklamen, diverse läden und Menschen, die uns anstarrten, als würden wir einen Hollywoodfilm drehen – oder als wären wir geistesgestört.


Harrys Mutter und ich auf der einen Straßenseite, Harry auf der anderen.


„Erst bringst du Hale dazu, sich unerwünscht zu fühlen und ihn somit aus der Familie zu flüchten und dann bist du noch so stark und schaffst es den Scheiß, den ich jeden Tag erleben muss, ohne mit der Wimper zu zucken, dir anzugucken?! Respekt, Mutter! Das schafft nicht jede, die ihre Kinder angeblich so liebt.", spuckte Harry die Worte aus, die ihm wohl gerade auf dem Herzen lagen.


Kaum hatte er seinen Satz beendet, als ein großer Lieferwagen mit einem gepinselten Maiskolben auf dem weißen Autolack, der breit grinste und einem zuzwinkerte, vorbeifuhr. Als das Auto die Sicht wieder freigab, brach Harrys Mutter neben mir weinend zusammen und Harry selbst war wie vom Erdboden verschluckt.


Es war zwar nur eine Vermutung, aber ich war mir sicher, dass wenn Harry in Deutschland gewesen wäre, er jetzt nach Hause gelaufen wäre. Da er sich aber in Los Angeles befand, ging das nicht so leicht, also würde er wahrscheinlich zu dem Ort gehen, das am nächsten seinem oder einem Zuhause glich.


Ich wartete solange bis Ellen mit ihrem Fahrer uns erreicht hatte, ließ sie Harrys Mutter mit sich fahren und machte mich dann selbst auf die Suche nach einem Taxi, das mich wieder zum Hotel zurückfahren könnte.


Ellen hatte mir zwar angeboten, mich zum Hotel zu fahren. Aber das wollte ich Harry nicht antun. Danach wüsste Harrys Mutter ja schließlich, wo er aufzufinden war und sie wollte ich ihm jetzt eigentlich nicht auf den Hals hetzen.


Als ich wieder im Hotel angekommen war, fand ich Harry, an die Decke starrend, im Bett vor. Seine schönen grünen Augen waren leicht geschwollen und seine Nase leicht errötet.


„Hey", murmelte ich und setzte mich an seine Seite.

„Hey", antwortete er zurück.


„Wie wär's wenn wir uns noch einbisschen ausruhen? Wir können ja heute Abend gucken, ob wir was ruhiges machen wollen. Ins Kino gehen, oder so?"


Harry nickte leicht und zog dann seine Nase geräuschvoll hoch. Ich stand auf.


„Kakao?"

Harry lächelte.

„Heißen? Mit einem Stück Sahnetorte?"

Sein Lächeln wurde breiter.


„Okay, ich bestell mal eine Kanne für uns zwei"


Und als dann endlich eine Hotelbedienstete mit unseren Bestellungen an die Tür anklopfte, hatte ich bereits das Scrabble-Spiel, das Mum mir eingepackt hatte und von dem ich dachte, dass ich das eigentlich nicht gebrauchen würde (jetzt war ich defintiv dankbar für), aus meinem Koffer gepackt und zusammen begannen Harry und ich, angezogen in Jogginghose und Pulli, bei heißem Kakao und süßer Torte im Bett eine Partie Scrabble zu spielen und die Begegnung mit Harrys Mutter schien ganz weit weg in unseren Gedächtnissen zu verschwinden. Fast hätte ich denken können, es wäre bloß ein Traum gewesen.


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Désii xx

Rette Mich || LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt