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Als ich meine Augen wieder aufschlug, lag ich auf dem Boden und Harrys Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Seine großen grünen Augen verschwammen etwas in meinem Blick, da er mir zu nah war. Nicht, dass ich was dagegen hätte.
Ich hatte den Drang ihn zu küssen.
„Oh, Gott sei Dank! Du bist wieder wach!"
Harrys Gesicht entfernte sich wieder von meinem und ich blinzelte.
„Geht's wieder?", fragte mich seine Schwester und hielt mir ein Glas mit Cola hin, das ich dankend annahm.
„Was war denn los?", fragte Harry, der mir seine Hand als Aufstehhilfe anbot.
Ich setzte mich auf einen der Holzstühle und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab.
Anstatt Harry direkt zu antworten, wandte ich mich an Gemma.
„Hat er irgendeine Nachricht für mich und meine Familie hinterlassen?"
„Bitte was? Warum sollte er das tun? Er kannte euch doch noch nicht einmal?"
Harrys Schwester sah vollkommen verwirrt aus.
„Ja, wegen meiner kleinen Schwester"
„Ich weiß nicht was du damit meinst."
„Er hat doch meine kleine Schwester entführt"
Ich war leicht genervt.
„Das glaube ich aber eher weniger. Wann soll das denn gewesen sein?"
„Meine Schwester meinte gestern morgen beziehungsweise in der Nacht, so circa drei Uhr."
„Das ist absolut unmöglich."
„Und du bist dir da so sicher, weil?"
„Weil ich seit Harry und Mum weg sind, die einzige bin, die Phil noch hat. Ich hab die letzten Tage zu Hause geschlafen und ich habe hin und wieder gehört, dass Phil beziehungsweise wie schlecht schlafen konnte. Also eigentlich gar nicht. An dem Abend hatte ich noch zusätzlich Kopfschmerzen, sodass ich es besonders unerträglich fand zu hören wie Phil versuchte sich irgendetwas in der Küche zuzubereiten. Ich bin um circa halb vier dann aufgestanden und habe ihn gebeten etwas leiser zu sein. Ich kann mich noch gut erinnern, dass er im Schlafanzug in der Küche stand. Also gehe ich eher weniger davon aus, dass er um drei noch schnell jemanden entführt hatte."
„Ja, aber wer sollte sonst meiner Familie etwas böses wollen? Das ergibt doch keinen Sinn!"
„Vielleicht ist sie auch weggelaufen", erwiderte Gemma schulterzuckend.
Ich schnaubte.
„Also wenn ihr ja langjährig noch nicht mal bei so einem Vater weglauft, bezweifle ich doch ganz stark, dass es Daisy machen würde, die auf kleine Meinungsverschiedenheiten mit Mum und ihren Geschwistern, keine großartigen Probleme hatte."
„Rede nicht so über einen Toten!", versuchte Gemma, jetzt leicht hysterisch geworden, Phil zu verteidigen.
„Alter, hat der dich etwa auch so um den Finger gewickelt wie er es bei Harry getan hat?"
„Das geht dich gar nichts an!", schnappte Gemma und verschränkte ihre Arme ineinander. Eigentlich hatte ich damit nur gemeint, ob er bei ihr eine Hirnwäsche vollzogen hatte. Aber so wie sie reagierte, ging ich davon aus, dass er bei ihr exakt dasselbe durchgezogen hatte wie bei Harry. Was war das nur für ein grausamer Mensch, der kleine unschuldige und unwissende Kinder derartig misshandelte?

Ich sollte froh sein, dass er nicht mehr lebte und es eine Sorte weniger von ihm auf dieser Welt gab, aber ein Teil von mir, wollte ihm immer noch den Hals umdrehen.

„Mum ist jetzt da", erwiderte Gemma nach einem Blick auf ihr Handy, ,,Harry, kommst du?"
„Moment! Stopp! Was?!", warf ich ein und sah entgeistert zwischen den beiden hin und her.
„Wir müssen dringend einige Dinge besprechen. Es steht dir frei mitzukommen oder auch hier zu bleiben"
„Nie im Leben lasse ich Harry alleine zu einer Person, die jahrelang ignoriert hat, wie ihre Kinder von ihrem eigenen Mann", ich lachte trocken auf, ,,vergewaltig worden!"
„Hör auf so über ihn zu sprechen!", fauchte Gemma.
„Wenn du mitkommen willst, rate ich dir nicht so viel - nein, besser gar nichts - negatives über Phil über deine Lippen kommen zu lassen. Wir haben alle gelernt, dass es rechtlich nicht richtig ist, was unser Vater da mit uns getan hat, aber das heißt noch lange nicht, dass wir es gut heißen, wenn andere schlecht über ihn reden. Und das auch noch zu Unrecht! Niemand hat eine Ahnung wie unsere Famillie ist; man sollte sich da einfach komplett raushalten..." Sie seufzte. „Das sollte eigentlich auch einfach in der Familie bleiben und wenn wir das so handhaben, dann ist das halt so.
Ich bin zwar etwas enttäuscht, dass du, Harry, mit sowas privaten, ohne vorher wenigstens mit mir oder Mum zu sprechen, raus aus der Familie gegangen bist. Aber ich will dir jetzt nicht unnötig noch mehr Gewissensbisse mache. Jetzt ist es passiert und jetzt müssen wir gucken, dass wir damit zurecht kommen"
Mir lag auf der Zunge ihr zu sagen, dass Harry wohl kaum Rücksprache mit seiner Familie halten würde, wenn diese doch sowieso alles erfolgreich unter den Teppich kehrte, weshalb man ihn durchaus gut verstehen konnte, warum er nicht mit seiner Familie darüber gesprochen hatte und außerdem war ich war mir sicher, dass sie ihm bloß das selbe geraten hätten.

Harry biss sich auf die Unterlippe und seine Augen huschten zwischen mir und seiner Schwester schuldbewusst hin und her, aber seine Körperhaltung war in Richtung seiner Schwester gedreht, also ging ich davon aus, dass er wirklich vorhatte mit ihr zu kommen. Und bevor ich noch das Risiko eingehen würde, dass ich am Ende alleine wieder zurück nach Deutschland kehre, weil Harrys Familie ihn irgendwie einer Gehirnwäsche unterzogen hätte, kam ich lieber mit und konnte im Notfall eingreifen.
Ich wusste zwar nicht ganz wie ich das durchführen wollte, falls die irgendwelche Maßnahmen ergreifen würden, gegen die ich nichts anhaben konnte. Aber die Gewissheit, dass Harry dann nicht alleine mit lauter Verrückten, der schlechten Art, zusammenhocken würde, gab mir ein besseres Gefühl.
Also gab ich mir einen Ruck, lächelte Harry an und nickte.
Nachdem wir uns ausgehfertig angezogen hatten, ging Gemma vor und Harry und ich liefen Händchenhaltend hinter ihr.
„Danke. Das bedeutet mir echt viel.", hörte ich Harry neben mir flüstern.
Ich seufzte, drückte seine Hand und gab ihm ein „Für dich immer, Harry." zurück.
Zwar sah ich ihn nicht an. Dennoch konnte ich irgendwie spüren, dass er lächelte.

Gemma führte uns aus dem Hotel raus, zu einer Limousine. Wenn es mich nicht täuschte, war es sogar dieselbe, mit dem Harry und ich, zusammen mit Ellen gefahren sind.

Die hintere Tür ging auf und Harrys Mutter stieg aus.
„Mum!", rief Gemma und winkte ihrer Mutter zu, während „Na dann auf ins Gefecht" mir durch den Kopf flog.

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Désii xx

Hey :) Ich wollte euch nur schon mal vorwarnen, dass ich das Gefühl habe, dass die Geschichte bald zu Ende sein wird. Es scheint schneller zu gehen, als ich dachte. Aber auf meine Charaktere ist ja eh nie Verlass. Ist halt nur ein Gefühl (weil das grobe Ende wusste bzw. weiß ich ja schon von Beginn an :p - deswegen kann ich das so ungefähr einschätzen *ist aber eigentlich schlecht im schätzen*), aber wir werden sehen :)

Rette Mich || LarryWhere stories live. Discover now