Kapitel 7

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Nadine und Kaya sind die letzten Teilnehmer, die in den Raum treten und so stütze ich mich von meinem Tisch ab, an dem ich zuvor noch angelehnt war und blicke in die Menge. "Hi!", sage ich. Mein Blick fällt auf den Zettel, worauf die ganzen Vorlagen zu sehen sind. Sofort greife ich nach diesem. Ich bin noch etwas peinlich berührt von eben, was ich versuche zu überspielen. "Ehm", starte ich leise. Nochmal fällt mein Blick auf dieses Stück Papier. Ich schüttel meine Gedanken weg und sage: "Okay, ehm. Wollt ihr lieber das vom letzten mal wiederholen oder etwas neues anfangen?" Zuerst bleibt es still, alle sehen nur durch die Gegend. Dann breche ich diese für mich unangenehme Stille und starte einen neuen Versuch. "Wer ist für wiederholen?" Etwa zehn melden sich. Das sind eindeutig mehr Leute als erwartet, weswegen ich es einfach dabei belasse und eine der Verben aus den letzten paar Stunden an das Whiteboard anschreibe.

"Will es jemand probieren?", frage ich zittrig und halte dabei den Marker demonstrativ in meiner Hand.
Nadines Hand schellt sofort in die Höhe und sie möchte auch schon aufstehen, allerdings meldet sich eine Person aus der zweiten Reihe ebenfalls, die bei weitem nicht so schlecht wie Nadine ist und ich nicht richtig verstehe, wieso ich ausgerechnet ihn wählte, da dies ja eigentlich nur zum Lernzweck dienen sollte und Nadine es wirklich sehr viel nötiger hätte. Allerdings habe ich schon so schnell seinen Namen ausgesprochen, dass ich überhaupt nicht mehr richtig reagieren konnte und er anfing zu schmunzeln, während Nadine baff auf ihrem Stuhl zurück rutschte. 

Jetzt steht Fabi direkt vor mir und nimmt mir diesen Marker aus der Hand. Vielleicht wollte mich mein Unterbewusstsein einfach vor einer Tragödie bewahren. Nadine ist heute wieder in dieser Flirtlaune. Zumindest scheint es mir so, da sie wieder ihre Haare kräuselt, wie sie es am Samstag und Mittwoch bereits des Öfteren tat, als sie mich anstarrte.

Ich blicke auf das Whiteboard, während Fabi die Konjugation für das Verb voir ausfüllt. Er hat sogar daneben die deutsche Übersetzung hinzugefügt. Und ein Smiley ist auch dabei!

  "(^○^)"

Ich kichere, als ich das sehe und Fabi entfernt sich grinsend. Er läuft zurück auf sein Platz und ich sehe ihm noch etwas überrascht hinterher, während ich mich frage, wieso er diesen Kurs überhaupt macht.

Daraufhin ist das nächste Verb an der Reihe. Diesmal lasse ich sogar Nadine vortreten, die das Verb mehr oder weniger akzeptabel konjugiert. Wir machen das noch eine ganze Weile, ehe so gut wie jeder vorne stand und etwas konjugierte. Wir wiederholten auch die Sätze, die wir lernten und sprachen für die restlichen fünf Minuten auf Französisch. Okay, eigentlich nur so etwas wie "Salut Monsieur Doll!" oder "Bonjour Thomas. Je vais bien!" 

Schließlich gehen jetzt die ersten. Viele müssen ihren Bus erwischen oder sonst was. Nur blieb natürlich Nadine. Sie stellt sich zu mir vor, während ich das Blatt Papier zusammenfalte und in meine Tasche drücken möchte. "Du?", lächelt sie. Ich blicke auf. Wieso nur ich? "Hm?", brumme ich. Danach zaubere ich mir aber doch noch ein liebliches Lächeln auf die Lippen. Nur weil ich einen schlechten Tag hatte, muss sie es nicht erwischen. "Du hast am Mittwoch gesagt, ich soll am Freitag zu dir wegen der Hilfe." Ich runzle meine Stirn. "Wegen der Aussprache", erklärt sie. "Ehm", antworte ich. Mein Blick huscht über den Raum. Ehm. Bloß ihrem Blick ausweichen! Weiter nach Hilfe suchend blicke ich mich um, bis ich bei Fabi stoppe, der anscheinend noch im Zimmer sitzt und unser Geschehen einfach nur beobachtet, während er seine Tasche auf seinem Schoss zusammenpackt. Und als er meinen Blick bemerkt und mir ebenfalls in die Augen sieht, steht er auf. Ich starre heute eindeutig viel zu viel!

Sofort sehe ich wieder zu Nadine, was ich etwas bereue. Sie steht sehr nahe an mir. Wieder zipfelt sie an meiner Jacke herum. "Nadine, komm jetzt. Er ist... keine Puppe." Fabi steht nun hinter Nadine und zieht sie etwas von mir weg. "Er hat sicher anderes zutun", fährt er fort. Ich schlucke. "Ja, ehm, ja. Morgen Nadine, okay?" Sie nickt, ist aber trotzdem beleidigt. Nichts desto trotz verlässt sie den Raum und lässt die Tür nicht wirklich liebevoll zufallen. Danach wende ich mich wieder an Fabi, weiß allerdings nicht, ob ich mich jetzt bedanken sollte. Stattdessen bringe ich einfach überhaupt nichts heraus, sondern sehe ihn nur an. Doch genauso schnell fange ich mich auch schon wieder.

Ich drehe mich zu meiner Tasche und ziehe sie an mein Rücken. "Danke", nuschle ich dann doch. Es ist mir etwas unangenehm, aber einfach so nichts sagen und gehen, wollte ich jetzt auch nicht. Immerhin ist Fabi kein schlechter Kerl. "Naja, wenn ich du wäre, hätte ich auch keine Lust dazu gehabt von einer-" Er schluckt. "... Kursteilnehmerin, die anscheinend Gefallen an einem hat, betatscht zu werden." Ich grinse. "Wobei es sicherlich Menschen gibt, die so etwas total anziehend finden", sagt er räuspernd. Ich kichre auf und stimme ihm zu.

Danach bewegen wir uns beide Richtung Tür, ehe er sie uns öffnet und wir aus dem Kursraum treten. Ich schließe die Türe diesmal wirklich ab, nicht so wie das letzte mal, als ich einfach Heim ging. 

Aus dem Gebäude draußen möchte ich mich verabschieden, dennoch hält er mich auf. "In welche Richtung musst du?", fragt er. Ich zeige nach rechts. Er nickt und meint, er müsse in dieselbe Richtung gehen. Vermutlich ist er mit der Bahn her gefahren. Oder er wohnt ganz einfach am Anfang der Vorstadt. Anders könnte ich mir sein Tun nicht erklären, da die meisten entweder zu der alten Haltestelle laufen oder in Richtung der Passagen und Hauptstraßen. Und da am Bahnhof dieser Sandwich-Imbiss war, muss ich eben auch zu den Bahnen.

Es bleibt zuerst still, ist sogar fast zu still. Nach geraumer Zeit halte ich diese Stille nicht mehr aus und ich setze zum Wort an. "Wohnst du da vorne?", frage ich. "Mein Onkel. Bin nur vorübergehend hier", antwortet Fabi leise. Ich nicke und blicke danach sofort wieder auf den Boden. "Und du? Wohnst du da vorne?" Ich schüttel den Kopf und blicke ihn wieder an. "Ich muss zum Bahnhof. Hab' mein Handy verloren." Erschrocken sieht er mir entgegen. "Wie verloren? Im Zug?", fragt er. "Nein. Kennst du den Imbiss dort? Ich war da heute Mittag und habe mein Handy vermutlich dort liegen lassen."

"Kann ich dir helfen?", fragt Fabi. Ich schüttel mein Kopf. "Schon gut, aber danke. Die Mitarbeiter haben es bestimmt gefunden und bewahren es auf." Er nickt und antwortet lächelnd: "Okay, wenn du das so sagst." Ich nicke. Als wir an einer Kreuzung ankommen, meint er, er müsse jetzt woanders lang. "Wir sehen uns dann morgen, richtig?" Ich nicke. "Ja, bis morgen, Fabi." Er nickt und winkt mir noch entgegen. Wahrscheinlich war er selber am Überlegen, ob wir uns umarmen sollten. Ehrlich gesagt, war ich das auch. Und jetzt fällt mir auf, dass ich ihn hätte fragen können, wieso er in diesem Kurs ist, wenn er denn schon spitze darin ist.
Aber vermutlich kann ich mir diese Frage selbst beantworten.


Herr Doll... Zomdado & DadosaftWhere stories live. Discover now