Kapitel 48

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Verfangen in meinen eigenen Gedanken höre Wintercracker zu und springe auf den nächsten Block. Eigentlich habe ich längst den Faden verloren, was er mir derzeitig erzählt und versuche seit zehn Sekunden zu erahnen, was es ist. "... immer wieder die Zehen abgeschnitten wurden, da war ich mir dann ziemlich sicher: Jap, das ist zweifellos mein Lieblings-Anime." Aufgeweckt hopst mir Wintercracker auf der Map hinterher, obwohl ich zugeben muss, dass mich das ernsthaft überrascht. Schließlich liegt er sonst voraus, nicht ich.
"Und du siehst dir alle Staffeln nochmal von vorn an?", frage ich einerseits kritisch, anderseits aber auch ziemlich verunsichert, weil ich bisher lediglich heraushören konnte, dass es um ein Anime geht, den er sich von vorn ansieht. Ich vertraue in diesem Fall einfach auf meine Erfahrung, dass er hierfür viel Zeit aufbringen muss. Immerhin finden viele Animes nie ihr Ende - bei über zehn Staffeln - und in gerade diesen ist Wintercracker ja so sehr verstrickt.

"Das ist bei Tokyo Ghoul doch kein großes Ding", antwortet er lächelnd. Tokyo Ghoul! Kurz lache ich verlegen auf: "Ja, eh, für manche vielleicht schon" und versuche meinen Scham, so weit es mir gelingt zu verbergen. Jetzt weiß ich wenigstens, wieso mir das mit den Zehen so bekannt vorkam.

"Hat sich Osaft bei dir gemeldet?", schnauft er plötzlich. Ich verneine verklungen. "Hmpf, bei mir auch nich'."
"Zombey aber auch nicht, Wintercracker. Er hat sich bisher auch nicht gemeldet", sage ich. "Bei ihm hätte ich es auch nicht anders erwartet", meint er in derselben Sekunde und man spürt diese Ärgernis und Entrüstung, die er über ihn hat. Wie ausgewechselt fährt er ausgeglichen fort: "Sie werden sich schon noch melden."

"Das glaubst du doch selbst nicht, Wintercracker. Ich glaube es selbst kaum." Enttäuscht lehne ich mich in mein Stuhl und rutsche ein wenig hinunter. Auf einmal beginnt Wintercracker zu lachen, was, nebenbei gesagt, kein einfaches Lachen ist, als hätte man einen willkürlichen Witz gehört. Nein, es ist nicht mal spöttisch. Es klingt viel mehr danach, als hätte ich etwas Naives oder Unsinniges erzählt, das man auf keinem Fall ernst nehmen kann. Es versetzt mich für einen Augenblick in eine Art perplexe Starre, nicht wissend, was ich hiervon halten soll. "Osaft hat dir praktisch 'ne Liebeserklärung gegeben", meint Wintercracker einleuchtend und fügt an: "Dazu noch, hat er dich geküsst. Also, ich glaube fest daran, dass er sich meldet, maudado." 

Genervt nehme ich meine Finger von der Tastatur und stoppe gleichzeitig mein Gehüpfe auf der Jumpworld-Map des timolia-Servers. "Er hat seither kein Wort mehr mit mir gewechselt. Ich nenne sowas nicht Liebe." Mir wird übel, wenn ich auch nur an diesen Tag zurückdenke. "Er hat sicher Angst bekommen. So wie du es mir erzählt hast, schienst du nicht besonders begeistert davon." Er tut so, als wäre er mein großer Bruder, der mich etwas besseres belehren möchte. Eine eigenartige Situation.

"Wer wäre das auch gewesen? Er hat mich angelogen, Wintercracker, und gleichzeitig soll er mich lieben? Das widerspricht sich." Aufgebraust springe ich weiter, versucht mich abzulenken und nicht mehr an all das zurückzudenken. "Man macht eben Fehler, auch wenn man jemanden liebt. Warum beschäftigt dich das denn so sehr? Bei Zombey war es für dich doch auch keine große Sache", lächelt er verwundert. "Ich weiß es nicht", murmle ich grübelnd und setze verklungen fort: "Schätze, es nervt mich, dass jeder denkt, er könne mit mir spielen. Ich war viel zu leichtsinnig."

"Das hat doch nichts mit Leichtsinnigkeit zutun. Sowieso fände ich es gerechter, wenn du beide ins Visier nimmst und nicht nur-" Entnervt unterbreche ich ihn. "Das mit Osaft ist etwas anderes, Wintercracker. Du kannst das nicht verstehen." 

"Dann erkläre es mir?", lächelt er und klingt zugleich ein Stückchen ratlos. Zunächst sage ich nichts, ich wüsste nicht was. Soweit wollte ich mit Wintercracker überhaupt nicht reden. Das ist zuviel. "maudado, ich versuche dir nur zu helfen."

"Ja, ich weiß", entschuldige ich mich. "Tut mir leid."

"Egal, alles tutti. Hast du es schon bei seinem Onkel versucht?" Ich bejahe. "Der war aber immer auf der Arbeit. Nach der Uni bin ich aber mal bei seinem Bruder an der Wohnung vorbei. Edwin meinte, dass er zurück nach Nordrhein-Westfalen gefahren ist. Mit dem Fakt, dass er extra wegen mir herkam, hat Osaft also nicht gelogen." Ich sehe voraus und bemerke das Ziel der Map erreicht zu haben. Unschlüssig fliege ich die Map entlang. "Aber eigentlich wollte ich gar nicht über Osaft reden. Ich wollte dich fragen, ob du mir die Adresse von Zombey schicken kannst. Die müsstest du ja haben, oder?"

Herr Doll... Zomdado & DadosaftTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang