Kapitel 43

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"Guten Morgen", brummt Edwin, als er sehr (und ich meine wirklich sehr) launisch und verschlafen ins Wohnzimmer kommt. Ich bin schon seit ungefähr einer viertel Stunde wach und habe mich mal hier und mal dorthin bewegt, war in der Küche, im Bad und letztendlich wieder hier bei Fabi. Er schläft immer noch und rührte sich bisher keinen Zentimeter. Selbst jetzt und dabei war sein Bruder wirklich laut.

"Hi", antworte ich ihm und sehe noch einmal für einen Moment zu Fabi hinüber. "Weck ihn lieber nicht." Edwin nickt lediglich wissend. Schließlich läuft er zur Küche hinüber, wo er sich offenbar ein Kaffee zubereitet. Die Maschine hört man bis hier her brummen, aber etwas anderes hätte ich auch nicht gedacht. 

"Maurice, hast du Kopfschmerzen?" Mit der Kanne in der Hand blickt er mir fragend entgegen, woraufhin ich nur schwach den Kopf schüttele. "Nein, alles in Ordnung." Mein Blick fällt skeptisch auf die Kanne, aber ehe ich ihn fragen kann, weshalb er eine ganze Filterkaffeemaschine besitzt, wo er doch eigentlich alleine ist und das überhaupt nicht nötig hätte, ist er auch schon wieder mit einem energischen "Also ich habe totale Schmerzen!" verschwunden.

Unmittelbar denke ich an den gestrigen Abend. Edwin trank mehr als Fabi und ich zusammen, obwohl er nicht einmal eine Aufgabe sausen ließ. Er erledigte jede, na gut, es waren zwei, die wir ihm stellten, doch nebenher trank er immer wieder ein Schluck Three Sixty oder Jack Daniels, als wolle er all seine Gedanken verdrängen.
Mir kam es beinahe so vor, er würde mit diesem Vorsatz schon bald zum Alkoholiker werden, allerdings meinte Fabi dazu, dass es wohl Probleme gäbe oder er einfach Lust hätte sich mal wieder die Kante zu geben. Jetzt scheint Edwin jedoch noch niedergeschlagener zu sein - oder er hat lediglich einen miesen Kater. Immerhin hat sich das mit seinen totalen Kopfschmerzen bestätigt.

"Hrmmm." Fabi rafft sich schlagartig auf. Er erschrickt halber, als er bemerkt, dass ich direkt neben ihm auf der Couch sitze. "Guten Morgen", schmatzt er verschlafen, ehe er sich wieder rückwärts fallen lässt und im Sofakissen versinkt. "Du bist ja gut gelaunt. Wovon hast du denn geträumt?", lächelt Edwin pfiffig.
Er kommt aus der Richtung des Badezimmer, wobei ich ihn eigentlich in der Küche erwartete. Ich habe das nicht bemerkt. "Geträumt?", fragt Fabi nach. Er lächelt schwach. "Ich kann mich nicht erinnern."
Es scheint, als war es ein schöner Traum, auch wenn er sich nicht mehr daran erinnern kann. Fabian wirkt so heiter und trägt sogar einen Hauch rot auf seinen Wangen, das kann nur von Munterkeit kommen, ein Alptraum auf jeden Fall schon gar nicht. 

"Du hattest doch keinen..." Empört atmet Edwin auf und klagt kurz darauf über seine Kopfschmerzen. "Selbst schuld wenn du mich sowas fragst", antwortet Fabi.
"Wenn du schon so reagierst, muss wohl etwas wahres dran sein.
Dafür haben sich die Kopfschmerzen gelohnt. Also, von wem hast du geträumt und noch viel wichtiger: was habt ihr denn so schönes getrieben? Wer war Top?"

Wieder einmal rafft sich Fabi auf und läuft nun etwas langsamer in das Badezimmer. Auf dem Weg dahin bleibt er kurz vor seinem Bruder stehen und sagt: "So ein Traum war das nicht, und auch wenn, ich würde dir niemals Einzelheiten verraten. Wir sind verwandt, das ist schräg." Fabi läuft weiter, wird aber am Arm gehindert. "Wäre ich hetero, hättest du bestimmt kein Problem damit. Gib es zu, du hast nur Angst, dass ich plötzlich auf 'ne Inzest-Story abfahre."

"Echt, das schon wieder? Wir haben das gestern Abend schon geklärt, ich habe nichts dagegen wenn du schwul bist, oder bi. Was auch immer. Es hat nichts damit zutun. Ich finde es einfach nur eigenartig mit dir über sowas zu reden, mit unserem Onkel spreche ich doch auch nicht darüber."
Fabi befreit sich aus Edwins Griff und schmettert gleich darauf die Badtür zu.
"Mann", hauche ich. Müssen sie denn ständig streiten?

Ausschnaufend blickt Edwin weg und gleich darauf zu mir. Er setzt sich neben mich und legt seine Hände streichend auf seine Knie. "In letzter Zeit ist er mir gegenüber sehr schnippisch. Tut mir leid, aber wenn er so ist, kann ich nicht anders, als ihn zu ärgern und necken. Er hat es nicht anders verdient. Schließlich machen Brüder sowas ständig, nicht wahr?" Ich zucke mit der Schulter. 

"Keine Ahnung. Wir sind daheim friedlich. Naja, eigentlich. Mit Adam zanke ich mich oft, vor allem wenn er zu Besuch ist. Er nutzt meine gutmütige Art aus, was bei uns manchmal wie eine harmlose Version von euch beiden aussieht. Und mit Noah verstehe ich mich sehr gut, aber zurzeit habe ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt.
Er wirkt distanzierter, viel mehr wie sonst. Und irgendwie erscheint es mir rätselhaft, dass er immer nur abends raus geht. Klar, er sagt, dass er sich mit seinem Kumpel trifft, aber dieser kam noch nie bei uns vorbei.
Vielleicht hat er ja eine Freundin und er traut sich einfach nicht, es uns zu sagen. Schließlich ist er 15. Er ist viel emotionaler, das merkt man ihm an.
Noah redet aber nicht mit uns, nicht einmal mit mir und erzwingen kann ich mir eine Antwort auch nicht.
Oh, tut mir leid, wenn ich dich vollquatsche. Ich meine, du hast ja so Kopfschmerzen." 

Edwin winkt schnell ab. "Ist schon in Ordnung. Ich höre gerne zu. Kann vielleicht sein, dass er Zeit braucht mit euch zu reden. Irgendwann kommt er bestimmt auf dich zu, vertrau mir."
Ich nicke dankend.

"Wieso hat es Fabi verdient, von dir so geärgert zu werden? Weil er so schnippisch ist?" Edwin nickt schwach.
"Unter anderem. Aber viel mehr nervt es mich, dass er ein paar Dinge verdrängt. Er verdrängt es schon eine so lange Zeit, in seiner Jugend sah ich es schon. Irgendwann zergeht er daran. Wenn er es nicht bald akzeptiert, wird er nie glücklich, aber er tut ja immer einen auf ahnungslos. Es hat keinen Zweck vernünftig mit ihm zu sprechen, Fabi streitet viel ab. Also necke ich ihn damit. Womöglich versteht er es dadurch endlich." 

Neugierig sehe ich Edwin entgegen. "Was soll er endlich verstehen?"

"Das sollte er dir lieber selbst sagen, also- wenn er denn nun letzten Endes..."
Edwin verstummt, als die Badezimmertür aufgeht. Vielleicht hätte ich das nicht fragen sollen, aber das ist jetzt ohnehin schon zu spät.

Herr Doll... Zomdado & DadosaftWhere stories live. Discover now