Kapitel 35

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"Danke", murmle ich stockend, als mir Fabi freundlich die Tür aufhebt und ich schließlich in die Wohnung trete. "Kein Problem", erwidert er lediglich. Er läuft voran. Genauso nervös und unbehaglich wie im letzten Augenblick, als ich seine Wohnung betrat. "Hast du Durst?", fragt er und verbirgt seine Gestalt unglaublich zügig hinter der nächsten Ecke. Das scheint offenbar die Küche zu sein. Ich lehne mich sachte an den Türrahmen und betrachte ihn dabei, wie er den schäbig wirkenden Kühlschrank öffnet. "Du möchtest sicher Wasser, oder?" Ich nicke, was er gerade noch sah, als er für einen Moment zu mir blickte.
Plötzlich höre ich ihn dezent flüstern, eventuell war es sogar ein Fluchen. Mein Blick wendet sich gänzlich zu ihm; er betrachtet seine Kühlschranktür mit vollkommen fahrigem Ausdruck. "Alles ok?", bringe ich heraus. "Ich habe kein Wasser mehr..." Doch dabei sieht er zu keinem Zeitpunkt zu mir. "Was? Eh- das ist kein Prob-... Ich meine, es gibt ja noch immer Leitungswasser", grinse ich unbeholfen. Ich schätze, Fabis angespannte Art färbt sich langsam aber sicher auf mich über. Wieso wirkt er denn auch so schlagartig nervös?

Zögernd nickt Fabi und dreht sich vom silberfarbenen Kühlschrank weg. "Stimmt", sagt er. Er setzt sich, nachdem er zwei Gläser mit Wasser befüllte an den Tisch. Ich setze mich kurz darauf an die Stelle, wo er mein Glas abstellte. "Und?", fängt er an. "Worauf hast du Hunger?" Er lächelt groß. Fabi lächelt wie als würde er versuchen diese Stimmung zu lockern. "Ehm- ich", antworte ich nuschelnd. Ich habe keine Ahnung, ehrlich gesagt verspüre ich keinen großen Hunger. Mein Gegenüber scheint zu überlegen und zieht eine witzige Schnute. "Ich weiß, ich habe gesagt 'ich koche'... aber wärst du auch mit 'ner Bestellung einverstanden, maudado?" maudado. maudado. Das hallt hundertfach in meinem Hirn, pausenlos, und es fühlt sich auf eine völlig verrückte Weise fremd und vertraut zugleich an. maudado... maudado. Wie als würde es Zombey sagen; Osaft, Wintercracker, Schlingel. Wieso wirkt es so ungeheuerlich vertraut, wenn ich in Fabis Gesicht den reinsten Irrsinn erkenne? 

"Nein", hauche ich zunächst schwach. "Öhm... okay- ich würde sogar bezahlen. Vielleicht ändert das ja deine-" Mit einem weiteren, diesmal allerdings kräftigerem 'Nein' unterbreche ich ihn vollends. "Ich meinte...", flüstre ich letztlich. Zurückhaltender ist es. Mein Blick fällt auf ihn, sieht seinen verwirrt erscheinenden Augen entgegen. "Nenn' mich nicht so, Fabi."

Entrüstet sieht er drein, setzt zum Wort an. "Wie... soll ich dich nicht nennen?" Das sagte er nun geregelter, beinahe überlegen. So, als würde er mich als doof verkaufen wollen. Ich weiß, dass er das nicht will, aber wieso tut er denn sonst auf unwissend? "maudado?", fragt er abermalig so perplex wie eben gerade. "Ja", murmle ich pustend. "Du- du kennst mich doch als Maurice. Wieso nennst du mich maudado?" 

Ich kann Fabi nicht ansehen. Auch wenn ich es versuchen würde, mein Körper würde sich sofort wehren und wo anders hinblicken. Mir ist es unangenehm und peinlich, ihn darauf anzusprechen. Doch ich muss es, wenn ich verstehen möchte weshalb er dies tut, weshalb er mich manchmal so nennt. Das tat er bereits am Samstag mehrfach. Und ich habe es bis hierher nie wirklich nachvollziehen können.
Natürlich kennt er diesen Namen durch mich; meine Freunde, sie alle sprachen mich immer mit ihm an. Aber wieso macht er es? So schnell kann man sich doch nicht daran gewöhnen, oder? Na gut, Mika tat es damals auch manchmal. Aber bei ihm stellte sich ja heraus, dass er Zombey ist. Daher hatte sich dieses Thema und diese Frage längst erledigt.

"Ich weiß nicht... das war- wohl. Eh. Ich- mache es auf jeden Fall nicht mehr." Rasch steht er auf und läuft hinüber zum Fenster, wo er verplant nach dem Telefon greift. "Ich ruf mal eine Pizzeria an."

Ihn dabei musternd, wie er durch die Küche geht und augenscheinlich durchdrehend abwartet, bis ein Mitarbeiter endlich abnimmt, sitze ich geräuschlos da und nippe an meinem Getränk. Lauwarm - das fällt mir als nächstes auf, als ich dieser Situation nochmal Revue passieren lasse. Das Wasser ist lauwarm. Er muss tatsächlich sehr verpeilt sein. Bestenfalls hätte ich ihn nicht fragen sollen. Doch woher hätte ich denn wissen können, dass er so negativ reagieren wird? Na klar, er war ohnehin nervös. Das bin ich in gewisser Hinsicht sogar auch. Ich bin mir nicht besonders sehr sicher, jedoch vermute ich, dass das alles nach wie vor mit unserer Auseinandersetzung im Kurszimmer zutun hat. Und vielleicht sollte ich ihn lieber fragen, ob es ihm gut gehe, anstatt ihm noch mehr Möglichkeiten zu liefern, sich so dermaßen unbehaglich zu fühlen. 

Herr Doll... Zomdado & DadosaftWhere stories live. Discover now