Kapitel 46

314 29 7
                                    

Meine Mutter hat Brötchen gebacken, völlig allein.
Jeder weiß wie hervorragend meine Mutter in der Küche ist und ihre Gerichte sind jedes Mal perfekt gewürzt und zugerichtet, die wenigstens wissen allerdings, dass dieser Lob eher den Vorlagen dienen sollte, den Rezepten, die sie aus verschiedensten Büchern oder Zeitschriften heraussucht.

Heute jedenfalls nahm sie an, dass sie das ganze ebenso ohne Aufgeschriebenes hinbekomme. Das Resultat sind halb durch gebackene Brötchen, deren Konsistenz bescheiden ist. Immerhin schmeckt es nicht wirklich schlecht. Ich glaube, es ist Zimt drin. Mein Vater meinte dazu, dass sie das gerne öfter im Winter backen könnte und bekam einen schnellen Kuss auf die Wange, bevor sie sich dann zu uns setzte. Vielleicht sagte er das ja, weil es bis zum Winter noch einige Monate hin sind, in denen man üben könnte, und die Tatsache, dass Zimt enthalten ist, war in diesem Fall ein simpler Vorwand.

Während des weiteren Frühstücks boxt Mara mehrmalig Noah gegen den Arm und Noah blickt sie immer wieder finster an, was die Sache jedoch kaum verhindert. Er wirkt sehr grimmig und am liebsten will ich mich einmischen, er ist zurzeit ohnehin schon so dermaßen deprimiert, aber keine Sechsjährige hört ohne weiteres auf, wenn man lieb darum bittet. Zumindest keine wie Mara. Ich sehe stumm dabei zu wie sie seine Grenzen immer mehr austestet und knabbere konzentriert an meinem Gummi-Brot. Unsere Eltern unterhalten sich über das Grillen nächste Woche, das bei unserem Onkel sein wird. Offenbar wohnt er wirklich weit weg. Alles was ich von ihm weiß ist, dass er als Polizist arbeitet.

"Jetzt hör endlich auf, Mara!", schreit Noah entnervt auf. Mara zieht überrascht ihre Faust zurück. "Mein Gott, Noah!", entgegnet unser Vater verärgert. "Was denn?", erwidert er verwirrt.
"Noah, schrei' deine kleine Schwester bitte nicht so an", meint nun unsere Mutter, sie ist vollkommen seelenruhig.
"Wie bitte?" Entrüstet klappt Noah den Mund auf, während ich völlig fassungslos und verwundert über dieses Geschehnis in die Runde blicke. "Ich hab doch gar nicht angefangen!", zischt er danach fahrig, wird jedoch sofort wieder ermahnt, er solle unsere Mutter nicht so anfauchen. 

"Wieso gibst du mir Ärger? Mara hat mich doch die ganze Zeit-" "Kein Wort mehr." 

Mein Bruder zieht wütend die Brauen zusammen, lässt sein Apfelstück auf sein Teller fallen und steht langsam auf, ehe er sich vom Tisch abwendet und mit gemächlichen, aber polternden Schritten die Treppen hinaufgeht.

Meine Eltern sehen sich gegenseitig aufgebracht an und bringen keine Sätze über sich. Nur einmal, da sagt meine Mutter, Mara könne jetzt fernsehen. Als meine Schwester weggeht, blicke ich entsetzt und ein wenig finster zu meinem Vater. Dieser bemerkt meinen Blick, aber ich bringe es nicht über mich, irgendetwas hilfreiches oder gar wütendes zu sagen. Mein Ausdruck sollte für sich sprechen und ich hoffe sie erkennen, dass ihr Verhalten völlig übertrieben war. Als ich aufstehe und Noah hinterher gehe, höre ich meine Mutter meinen Namen rufen, als wäre ich und nicht Noah das Opfer. Sie klingt, als müsste sie sich bei mir entschuldigen.

Er ist im Bad verschwunden und duscht offensichtlich. Vielleicht wusste er noch vom letzten Mal, dass ich ihm unmittelbar folge. Oder aber er wollte sich unter einer kalten Dusche abreagieren. Vermutlich ist es beides. Also gehe ich in mein Zimmer. Es ist halb zehn und sollte allmählich los gehen, wenn ich nicht wieder einmal den Kurs schwänzen möchte. Ich schnappe all mein Zeug und gehe ohne mich von irgendwem zu verabschieden aus dem Haus.

-

"Hey." Ein erschreckend hoher Klang, welcher mir sofort einen Schauer über den Rücken fahren lässt, rückt unmittelbar an mich heran. "Hey", lächle ich schmal. Etwas verunsichert erwidert Nadine mein Lächeln und tritt vom einen Bein auf den anderen.
"Ich weiß nicht, ob ich eigentlich noch fragen kann, weil du mir so oft abgesagt hast. Aber ich muss fragen, Maurice, ich brauche die Nachhilfe", meint sie ein wenig unbeholfen. Sie blickt verlegen zur Seite, als ich ihr sofort genauer entgegen sehe. Ihre Wangen sind errötet und ihre glasigen Augen sprechen für sich; sie sagen praktisch: "Du Dussel hast es vergessen. Du hast mich zweimal schon versetzt."

Herr Doll... Zomdado & DadosaftWhere stories live. Discover now