Kapitel 28

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Zwar hat es ein wenig gedauert bis Alice mich gehen gelassen hat, aber mit dem Versprechen, dass ich bald wiederkomme, hat sie mich dann doch passieren lassen.

Doch nach zwei Minuten wünschte ich mir, ich wäre doch noch geblieben, denn ich sah einen ganz schön mitgenommenen Alexander mit wütender Miene aus einer Tür kommen. Er trug kein Jackett und er hatte seine Hemdsärmel noch oben geschoben. Sein Haar war zerwuschelt und an seinen Händen klebte... Moment mal... war das etwa Blut?

Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich merkte, dass er in meine Richtung unterwegs war.

Okay, Belle! Tu einfach so als würdest du ihn nicht sehen.

Nur leider war ich mir sicher, mein Herz würde mich verraten, da es wie wild anfing zu pochen. Verdammtes Ding!

Vielleicht könnte ich ja unauffällig wieder zurück zu Alice gehen. Oder aber ich drehe einfach um und...

Zu spät. Alexander hatte seinen Kopf gehoben, so als hätte er meine Anwesenheit gespürt. Ein geschockter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Dieser verschwand jedoch genauso schnell, wie er gekommen war und machte einer großen Erleichterung Platz.

"Himmel! Da bist du ja! Jessabelle, es tut mir leid. Ich weiß auch nicht was..." fing er an. Er sprach schnell und hektisch, daher hat ich Mühe ihn zu verstehen.

Kurz vor mir kam er zum stehen, hob die Arme und öffnete den Mund um weiter zu sprechen, doch ich hielt einfach meine Hand hoch und sagte: "Nein, lass gut sein, Alexander."

Seine Name hinterließ einen seltsamen Geschmack als ich in aussprach. Ich senkte den Blick und schaute zur Seite. Wenn ich ihn weiterhin in die Augen sehen würde, müsste ich sicherlich anfangen zu weinen und das wollte ich unter keinen Umständen.

"Du musst mir zuhören. Bitte, es ist wichtig. Du verstehst das völlig falsch", drängte er.

Ich musste hier weg. Zu irgendwem. Die leere in meinem Zimmer konnte ich nicht ertragen. Zu Vera? Sie würde es nicht verstehen. Eher würde sie mich wieder zu Alexander schicken, damit ich mich mit ihm versöhne. Ich war eben noch nicht bereit dazu. Alice kam nicht in Frage. Sie war zu jung. Mit Jacob stand ich nicht so gut in Kontakt und sonst... Tja, ich musste eben zu meinen Bruder. Er war eben immer für mich da. Zwar wird er bestimmt überreagieren, wenn ich mich bei ihm ausheule... aber was solls?

Zielstrebig lief ich an ihm vorbei, auf den Weg zu Owens Zimmer.

"Jessabelle, warte! Bitte hör mich doch zu", rief er erneut und hielt mich am Arm fest.

Sein Griff war fest und ich versuchte mich loszureißen, "Lass mich los! Ich will nicht!", sagte ich und zerrte panisch an meinen Arm, doch Alexander ließ einfach nicht locker.

Nun packte er noch fester zu und zog mich zu sich heran. "Bleib gefälligst hier!", schrie er mir nun ins Gesicht.

Mir stockte der Atmen und in meinen Augenwinkel sammelten sich Tränen. Ich fing an zu zittern. Plötzlich hatte ich unheimliche Angst vor ihm. Dort, wo er mich festhielt, würde bestimmt ein blauer Fleck entstehen. Vielleicht sollte ich um Hilfe rufen? Nur wer würde mir helfen? Niemand würde es wagen, die Hand an den Prinzen zu legen. "Alexander, bitte. Du tust mir weh", flüsterte ich und eine Träne bahnte sich einen Weg über meine Wangen. "Du machst mir Angst."

Bei diesen Worten brach meine Stimme und Alexander lockerte seinen Griff. In seinen Augen flackerte kurz eine Verwirrtheit auf. Er blinzelte ein paar mal, doch noch eher er begreifen konnte, was er getan hat, riss ich mich auch schon von ihm los und rannte weg. Ich musste zu Owen. Jetzt.

Hinter mir hörte ich Alexander etwas unverständlich rufen, doch ich ignorierte ihn und lief weiter. Ich merkte noch, wie auch er sich in Bewegung setzte und mir folgte.

Ich sprintete die Treppen hoch, vorbei an dem riesigen Familienportrait der Königsfamilie und vorbei an die zahlreichen Wachmänner und Dienstmädchen, die mir mit einem verdutzten Ausdruck in den ansonst so leeren Gesichtern nachschauten.

Von Weitem konnte ich schon Owens Tür sehen, welche direkt gegenüber der meinen lag. Ich riss sie ohne anzuklopfen auf und stürmte hinein.

Ich rechnete fest mit einer sarkastischen Antwort oder mit einer übertriebenen Überraschtheit. Vielleicht sogar damit, dass er schlief -was er Zuhause an Wochenenden sehr oft tat. Doch nichts von all dem traf zu. Er war nämlich gar nicht da.

Nun schloss ich schnell die Tür ab und ließ mich dagegen sinken. Auch Alexander hatte bereits Owens Zimmer erreicht und drückte mehrmals die Türklinke herunter. "Jessabelle? Mach die Tür auf!", befahl er barsch und fing an mit den Fäusten auf sie zu hämmern.

Ich ignorierte ihn, schloss meine Augen und versuchte langsam und gleichmäßig zu atmen. Doch Alexander wollte einfach nicht verschwinden. "Jessabelle! Ich sag es nicht nocheinmal. Mach endlich die verdammte Tür auf!"

"Verschwinde, Alexander. Ich will allein sein", sagte ich leise.

"Ach und um allein zu sein, rennst du in Owens Zimmer, obwohl du noch nicht einmal gewusstest hast, dass er gar nicht da ist?", rief er gereizt.

Moment mal...

"Woher weißt du, dass er nicht da ist?", fragte ich misstrauisch. Schließlich kann Owen doch einfach im Bad oder auf dem Balkon sein. Zwar ist die Balkontür verschlossen und die Tür zum Bad steht offen, sodass ich ihn eigentliche sehen müsste, aber das kann Alec ja gar nicht wissen.

Er schnaubte nur.

"Wo ist er?", fragte ich.

"Er ist im Gefängnis", sagte er emotionslos.

Wie bitte? Nein!

Für einen kurzen Moment fehlten mir die Worte. Doch dann schien ich langsam zu begreifen...

"Was? Aber warum... wieso... er hat doch nichts schlimmes getan!", rief ich verzweifelt. Meine ganzen anderen Sorgen waren wie vom Erdboden verschluckt. Das kann doch wohl nicht war sein!

"Doch, Jessabelle", sagte er fast schon liebevoll.

Owen konnte zwar ein Idiot sein, aber ein Verbrecher ist er noch lange nicht. "Was hat er denn getan?", fragte ich ein wenig ängstlich. Ich versuchte so gut wie es ging, ein Zittern in der Stimme zu verbergen.

"Komm raus und ich erzähle es dir. Ich kann dich zu ihm bringen, wenn du das möchtest. Willst du das Jessabelle?", fragte er und klang dabei sanft. Jedoch klang es zu sanft und ich konnte einen gefährlichen Unterton in seiner Stimme heraushören.

Ich kniff meinen Mund zu einer Linie zusammen und zögerte. Ich muss zu Owen. Ich muss zu meinen Bruder.

Langsam glitten meine Finger zu dem Schlüssel und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich aufschloss.

Sofort öffnete er die Tür und stürmte direkt auf mich zu. Er packte mich an den Schultern und zog mich zu sich heran. Seine Hand legte sich um mein Kinn und drückte es nach oben, sodass ich ihn in die Augen sehen musste. Er drückte seine Mund hart auf meinen und ignorierte meinen Versuch, mich von ihm wegzudrehen.

"Wag es nicht noch einmal vor mich wegzulaufen", knurrte er mich leise ins Ohr.

My Beauty -Abgeschlossen-Donde viven las historias. Descúbrelo ahora