Kapitel 1/Lesenacht

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Meine Glieder schmerzten ein wenig, als ich am frühen Morgen aufwachte. Mein Blick huschte hinüber zum Fenster und ich konnte große, dicke Schneeflocken vorbeischweben sehen. Der Winter war bereits eingebrochen und hatte das Schloss fast vollkommen eingeschneit. In den letzten zwei Wochen waren die Hälfte der Bediensteten damit beschäftigt gewesen, den Garten wieder freizuschippen.

Ich drehte meinen Kopf nach rechts und sah einen schlafenden Alexander. Er lag auf den Bauch, hatte einen Arm unter den Kopf und den anderen um meine Taille gelegt. Er wirkte friedlich und irgendwie auch... verletzlich. Seine Haare die seit unseren ersten Zusammentreffen um einiges länger geworden sind, vielen ihn nun in die Stirn. Zärtlich strich ich es zurück und beugte mich nach vorne, um ihn einen Kuss auf die nun freigelegte Haut zu geben.

Seit ich im Schloss bin, habe ich es nicht mehr verlassen und seit es festgestellt wurde, hat Alexander mir sogar verboten das Zimmer zu verlassen. Natürlich habe ich mich nicht daran gehalten und bin trotzdem umhergewandert, allerdings bin ich immer im selben Stockwerk geblieben. Ich habe mit Alice und ihren Puppenhaus gespielt, wie ich ihr es versprochen habe. Dann habe ich Tonnen an Bücher gelesen, habe angefangen zu zeichnen und zu allem Übel habe ich angefangen Kreuzworträtsel zu lösen. Ich starb noch vor Langeweile, aber Alexander erlaubte mir nicht, andere Dinge zu tun.

Nun drehte ich mich wieder auf die Seite und schlief friedlich weiter. Als ich das nächste Mal wieder aufwachte, war Alexander bereits verschwunden und drei Zofen waren bereits in meinen Zimmer. Bei ihren Anblick musste ich unwillkürlich Lächeln.

Sie unterhielten sich und als Anna bemerkte, dass ich wach war, stieß sie Corina, die unmittelbar neben ihr stand in die Seite, "Hey, jetzt ist sie wegen uns aufgewacht! "flüsterte sie den anderen beiden zu.

"Ich kann dich hören, Anna,"rief ich lachend aus und ließ mich wieder in die Kissen gleiten, "Wo ist Alexander?"

Ich war unendlich froh, als Alexander mir mitteilte, dass Vanessa, Anna und Corina sich wieder um mich kümmern werden. Schon damals hatte ich die Drei lieb gewonnen, besonders Corina.

"Er muss wichtige Vorbereitungen für das Fest morgen treffen. Außerdem bereiten die Gefangenen wieder Ärg..."

"Pssssst, das dürfen wir nicht sagen! "sagte Anna und stieß Corina erneut in die Seite, "Das hat man uns verboten!"

"Was hat man euch verboten? "mischte ich mich misstrauisch mit ein und schaute die Zofen auffordernd an. Vanessa war gerade dabei das Frühstück vorzubereiten und fummelte nervös an der Teekanne herum.

Anna biss sich mit den Zähnen auf die Unterlippen und wandte sich an Corina, "Das hast du dir jetzt eingebrockt!"

Ach ja. Wie sehr ich es doch liebte, wenn sie sich so angifteten.

"Nun ja... Man hat uns eigentlich befohlen nicht darüber zu reden, da man Sie auf keinen Fall beunruhigen wollte, "sie schaute hilfesuchend zu Anna und Vanessa, die beide aber gerade mit etwas anderen beschäftigt waren. Sie seufzte kurz und kam zu den Entschluss, dass es wohl doch besser war, mich über die Sache zu informieren, "Derzeit verweilt -laut den Gerüchten- jemand ganz Gefährliches im Kerker. Sein Name lautet Victor Dawson oder so ähnlich. Er soll irgendetwas mit der Mafia zu tun haben und bleibt bis zu seinem Prozess erstmal im Schlossgefängnis untergebracht. Nur leider macht er in letzter Zeit ein paar Probleme."

Und das durfte mir niemand sagen? Was dachte sich Alexander nur dabei? Natürlich will ich wissen, was im Schloss so vor sich ging und einige unbedeutende Dinge musste ich auch nicht umbedingt wissen, aber warum verbietet er den Leuten mit mir darüber zu reden? Ich glaube ich musste mal ein erstes Wörtchen mit ihm reden.

Nachdem ich fertig gefrühstückt und mich angezogen hatte, wollte ich mich gerade auf den Weg in die Bibliothek machen. Doch noch bevor ich die Türklinke ergriffen hatte, wandte sich Anna an mich, "Verzeihung, aber Sie werden im Salon erwartet."

Verwirrt blinzelte ich, aber dann schritt ich durch die Tür, nachdem ich mich bei Anna bedankt hatte. Normalerweise erzählen mir die drei Mädchen immer während des Frühstücks, wann ich wo erwartet wurde.

Es wunderte mich auch, dass ich in den Salon gehen durfte, da dieser im ersten Stock war und Alexander immer darauf achtete, dass ich auch ja nicht zu weit laufen musste. Bei den Gedanken an ihn musste ich die Augen verdrehen.

Ich ging die Treppen runter und spürte förmlich die Blicke der Bediensteten, wie sie sich in meinen Rücken brannten. Das hasste ich. Ständig wurde ich von irgendjemand angestarrt und das war mir so unangenehm, dass ich sofort errötete.

Als ich mein Ziel erreicht hatte, stieß ich voller Elan die Flügeltüren auf, welche in den Salon führten -zumindestens ging ich davon aus, dass dieser Salon gemeint war, denn es gab in diesem Gebäude mehrere.

"Also gut, was gibt es so dringend zu be..." mir stockte der Atem, als ich sah was oder besser gesagt wer im Salon auf mich wartete.

Ohne lange darüber nachzudenken, stützte ich mich auf die Person, die mit dem Rücken zu mir vor dem Fenster stand. Zwar konnte ich sein Gesicht nicht sehen, doch die Haltung und die schwarzen Locken waren unverkennbar.

"Du hast mich ja ganz schön lange warten lassen, "schmollte er und drehte sich zu mir um, als ich mich auch schon in seine Arme warf.

"Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du kommst, "nuschelte ich an seiner Brust und wollte ihn gar nicht mehr loslassen.

Er schlang ebenfalls die Arme um mich und tat so als würde er einen Moment überlegen, "Nun ja. Ich schätze, dann wäre es keine Überraschung mehr geworden."

Sein tiefen Lachen erfüllte den Raum und es war so ein wunderbar vertraut, dass es mir fast schon die Tränen in die Augen trieb.

"Aber was machst du denn hier? Ich dachte du wolltest dich um die Firma kümmern, "warf ich ein.

Owen seufzte laut und sagte, "Ja, eigentlich schon... Glaub mir, das ist eine Arbeit! Aber morgen hat Prinzessin Alice Geburtstag und ich wurde eingeladen."

Wir lösten uns von einander und als sein Blick auf mein Gesicht und über mein Körper fiel, stockte ihm der Atem. Ein geschockt er Ausdruck huschte über sein Gesicht und mit vor Schreck geweiteten Augen starrte er mich an.

"Ja. Ja, ich weiß, ich sehe im Moment... nicht sehr gesund aus, aber..."fing ich an, wurde allerdings sogleich von ihn unterbrochen.

"Nicht sehr gesund aus?! Jessabelle, du siehst aus wie der Tod! Du bist ja vollkommen abgemagert!"rief er laut aus, weshalb ich unbehaglich anfing, an meinen Kleid zu zupfen, "Sie dir doch nur mal dein Gesicht an!" er griff nach diesem und drehte es nach links und dann nach rechts, "Du hast eingefallene Wangen!"

"Die waren schon immer so! Und außerdem hast du die auch! "verteidigte ich mich.

"Ersten, nein, nie so extrem und zweitens, mir steht das! "rief er aufgebracht aus, "Dir nicht! Du siehst aus als hättest du nichts Zuessen bekommen!"

"Ich hatte einen kleinen... Schub. Du weißt schon warum. Aber der Arzt gibt mir schon Tabletten. Keine Sorgen, ich bin auf dem Weg der Besserung, "sagte ich und legte beschwichtigend eine Hand auf seinen Arm. Solche Schübe müsste er doch gewöhnt sein...

Zwar sah er mich immer noch skeptisch an, aber nach ein paar Minuten hatte er sich dann schon wieder beruhigt. Ich sagte ihm einfach er solle bei Doktor Cooper nachfragen, der würde ihm versichern, dass es mir schon wieder besser geht.

"Allerdings muss ich dir noch etwas sagen, "sagte ich und in Owens Augen sah ich etwas aufblitzen, was ich nicht definieren konnte.

"Ich dir auch, "gestand er leise.

Ich lächelte leicht und setzte mich dann anschließend auf das helle Sofa. Owen setzte sich neben mich und schenkte uns beiden einen Tee ein. Auf den kleinen Tisch stand eine große Kanne und zwei kleine Tassen. Eine davon war schon zur Hälfte gefüllt.

Er reichte mir eine Tasse und sagte, "Du zuerst. Dann ich."

Ich holte tief Luft und stieß diese dann wieder aus, bevor ich sagte, "Ich bin schwanger."

My Beauty -Abgeschlossen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt