Kapitel 37

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"Was zum Teufel ist nun schon wieder los?" fragte Harry. Er war uns hinterher gegangen und blickte uns nun wütend an.

"Nichts, nichts. Alles ist gut. Der Kleine spielt nur ein wenig verrückt. Ich habe aber alles unter Kontrolle, "sagte Conni.

Wir befanden uns nun im hinterem Teil der Lagerhalle. Es war dunkel und schmutzig. Hier standen verschiedene Maschinen und es lag Sägespäne herum. Vielleicht waren wir in einem alten Sägewerk?

Owen lag blutend auf den Boden und hielt mit schmerzverzerrten Gesicht seinen linken Arm fest. Ich kniete mich neben ihn hin und pustete auf seine Verletzung. Meine Mommy sagte immer, dass diese dadurch schneller heilen würden. Und meine Mommy hatte immer Recht.

"Alles wird wieder gut, Bruderherz. Wenn du heiratest ist alles wieder weg!" sagte ich und tätschelte ihm die Schulter. Ich selbst hatte Wunden an den Unterarmen, Händen und Knien, weil ich immer daraufgeflogen bin und die Männer uns hin und her geschubst hatten. Sie hatten uns auch anders wehgetan, aber meinen großen Bruder hatte es am Schlimmsten getroffen.

Jetzt lächelte er mich an, dennoch konnte ich den Schmerz in seinen Augen sehen. Um ihn etwas auszumunter, hielt ich ihn Peper hin, "Peper will einen Kuss von dir!" sagte ich und Owen musste sich wohl ein Lachen verkneifen, als ich ihn mein weißen Stofftier entgegenstreckte.

Die beiden Männer hatten uns offenbar total vergessen und fingen an heftig zu streiten. Dabei gestikulierten sie wild mit ihren Armen und schrien so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste.

"Ich bin ein Junge, Belly! Und Jungs küssen keine Pferde, "sagte er und nickte übertrieben mit dem Kopf.

"Das ist kein Pferd! Das ist ein Pegasus!" rief ich und fing an es beruhigend zu streicheln, "Alles ist gut, Peper. Owy meint das nicht so."

"Ich bin viel zu alt für Puppen. Aber wenn du willst geb ich Peper trotzdem einen Kuss, "sagte mein Bruder nun, als er sah, dass mich seine Antwort traurig gemacht hatte.

Ich hielt ihn Peper nun erfreut vor die Nase, "Stimmt gar nicht! Du bist sieben! Und ich bin fünf!" sagte ich und machte einen lautes Kussgeräusch als Peper meinen Bruder küsste.

"Harry ich kann nichts dafür! Vielleicht sollten wir sie einfach gehen lassen. Es sind doch noch Kinder..."sagte der Blonde und schaute sich nervös in der Halle um.

"Nein! Wir können sie nicht gehen lassen. Die wissen wie wir aussehen und mittlerweile wissen sie auch noch unsere Namen! Du weißt was zutun ist...," meinte Harry und drehte sich zu uns um.

"Aber, Sir!"

"Sei still! Und tote Zeugen reden nicht, "er zog die Augenbrauen nach oben und wandte sich zum gehen.

Owen schaute kurz zu Harry und Conni, "Belly, hör mir jetzt genau zu! Wenn ich sage 'jetzt'dann rennst du dort durch diese Tür da. Hast du mich verstanden? Jessy, das ist sehr, sehr wichtig! "flüsterte Owen plötzlich und zeigte auf einen Punkt hinter mir.

"Aber Owen..., "fing ich an, wurde allerdings von Conni unterbrochen, welcher nun direkt hinter uns stand.

"Aufstehen!" schrie er uns an und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Ich zuckte in letzter Zeit immer öfter zusammen und meist krabbelte ich zu meinem Bruder und versteckte mich hinter ihm.

Wir folgten seiner Anweisung und ich klopfte mir die Späne von meinen rosanen Rock. Dieser war allerdings sowieso schon kaputt. Auch meine weiße Strumpfhose war an den Knien komplett aufgerissen und getrocknetes Blut färbte den Stoff  rot-braun. Mein Lieblingspullover mit einen kleinen Küken darauf, hatte es aber am Schlimmsten erwischt. Der untere Teil meiner Ärmel hing in Fetzen von meinen Armen herab und der Saum war kohlrabenschwarz. Die ganze linke Seite war mit Owens und Terrys Blut getränkt. Ich hatte nur versucht ihnen zu helfen, aber ich hab irgendwann eingesehen, dass es aussichtslos war.

Schnell packte ich Peper und drückte sie an meine Brust, während ich mir Owens Hand schnappte und mich hinter seinem Arm versteckte.

"Schau mich nicht so an, Kleine. Und jetzt kommt mit, "sagte er und wandte sich Richtung Ausgang.

Ich schluckte und setzte mich langsam in Bewegung, doch Owen hielt mich zurück, "Denk an das, was ich dir gesagt habe. Lauf auf mein Zeichen!"

Ich schaute ihn nur verwirrt an, aber er hatte sich schon wieder von mir weggedreht und folgte nun Conni. Wir starrte auf sein breites Kreuz und ich konnte sehen, dass sich unter dem Kragen seines T-Shirts eine schwarze Tätowierung befand. Auch über seine Arme zogen sich dunkle Linien, doch ich hatte keine Ahnung, was diese zu bedeuten hatten.
Conni griff in seine Hosentasche und zog ein klirrendes Schlüsselband herraus. Da waren so viele Schlüssel dran, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob er sich überhaupt merken kann, wofür die alle waren. Doch er wusste auf jeden Fall welcher für diese Tür hier geeignet war, denn er steckte ohne lange zu suchen, den Richtigen ins Schloss.

Als die Tür geöffnet wurde, schien die Sonne herrein und ich musste sofort blitzen. In diesem Moment ließ Owen meine Hand los und schrie, "Jetzt!" während er auf Conni sprang und etwas Glitzerndes in der Hand hielt.

Ohne lange darüber nachzudenken, setzten sich meine Beine in Bewegung und ich stürmte durch die Tür nach draußen. Ich sprintete über den Hof, vorbei an einen Jeep, vorbei an einen Schafstall und immer weiter bis ich irgendwann vor Erschöpfung an einer alten Eiche zusammensackte.

____

"Jessabelle?" fragte mich eine Stimme von weit weg. Sie kam mir bekannt vor, doch ich konnte mich nicht daran erinnern, wo ich sie schon mal gehört hatte.

"Meine Schöne! Wach auf!"rief die Stimme wieder und ich spürte ein Rütteln an meiner Schulter. Moment mal... Meine Schöne? Es gab nur einen Menschen der mich so nannte.

"Alexander?" fragte ich und öffnete langsam meine Augen. Es war dunkel und ich konnte nicht viel erkennen.

"Ja. Ich war nur kurz in meinem Zimmer und habe etwas geholt. Als ich dann wiedergekommen bin, hast du dich umhergewälzt und gewimmert, "sagte er besorgt und hielt mir ein Glas Wasser unter die Nase.

Dankend nahm ich es an mich und trank es bis zur Hälfte aus. Danach gab ich es ihm wieder und er stellte es zurück auf den Nachttisch.

"Was um Himmels Willen hast du nur geträumt! Du schwitzt ja. Ich glaube ich lasse dir lieber erstmal ein Bad ein, "meinte er und stand auf. Ich war zu schwach um zu protestieren und außerdem würde es mir bestimmt gut tun.

Ich ging den gestrigen Abend -oder wohl eher die vergangene Nacht- nocheinmal in Gedanken durch. Okay, ich liebe Alexander. Er schüchterte mich manchmal auch ein, aber im Grunde genommen weiß ich ja, dass er mir nie etwas tun würde. Ich weiß, dass er mich ebenfalls liebt, aber trotzdem... Vielleicht sollte ich ihn einfach vertrauen. Und zwar voll und ganz. Ich machte mich doch nur selbst unglücklich, wenn ich nicht bei ihm war.

Nach einer Weile ging ich zu Alexander ins Bad. Er hockte mit dem Rücken zu mir vor der Wanne und hielt eine Hand in das klare Wasser, um zu fühlen ob es warm genug war.

Wie als ob er meine Anwesenheit spürte, sagte er ohne sich umzudrehen, "Ich fand die letzte Nacht sehr schön."

Während er das sagte, wurde er immer leiser und es machte auf mich den Eindruck, als wäre er darüber sogar traurig.

"Ich auch. Ist mit dir alles in Ordnung? "fragte ich besorgt. Vielleicht bereute er es ja im Nachhinein. Plötzlich bekam ich große Selbstzweifel. Möglicherweise findet er ja Nora Miladay doch besser als mich... so wie sie es mir gesagt hatte.

"Ja. Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Möchtest du jetzt in die Wanne? Oder soll ich dich tragen? "fragte er.

Grinsend stand er auf und kam langsam auf mich zu. Ich biss mir auf die Lippe um ein Lächeln zu unterdrücken.

"Vielleicht noch eine zweite Runde? "schlug er vor und kam direkt vor mir zum Stehen. Er war mir so nah, sodass sich unsere Oberkörper leicht berührten, "Aber zuerst... Muss ich dich baden," meinte er und zuckte -natürlich immernoch mit diesen spitzbübischen Grinsen im Gesicht- lässig mit den Schultern.

My Beauty -Abgeschlossen-Where stories live. Discover now