Er war das letzte Pferd

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Trotzdem wir in kleinen Wohnungen auf dem Turniergelände untergebracht waren, klingelte mein Wecker um 5:30 Uhr. Um 8 Uhr müsste ich komplett fertig auf Onyx sitzen und in den Parcours reiten. Es war kaum zu glauben, aber ich nahm auf dem Flur vor unserer kleinen Wohnung sogar schon Trubel wahr. Wir waren nicht die einzigen, die so früh aus den Federn mussten. Lynn drehte sich genervt zu mir um.

„Das hasse ich daran, wenn die Pferde noch nicht 7 Jahre alt sind", murmelte sie genervt und schlug die Decke zurück. Ja, ab sieben Jahren würden die Pferde erst in den höheren Klassen gehen. Bis dahin gab es nur die Jungpferde Championats und die waren nun mal entweder ganz früh morgens und ganz spät nachmittags. Im heutigen Fall nun mal so früh. Lynn würde heute ebenfalls am Jungpferde Championat teilnehmen mit einem Pferd eines Kunden. Mit King Star würde sie erst Morgen starten. Dafür waren heute Schmiddi und Peter Pan noch gemeldet. Es stand ein langer Tag vor uns.

Nacheinander gingen Lynn und ich in das kleine Bad. Ich zog meine weiße Reithose an, ein weißes Shirt und meine Reitjacke.

„Hier", kam es von Lynn und sie reichte mir ein Brötchen mit Käse, welches sie in der kleinen Küchen schnell gemacht hatte, damit wir etwas zum Frühstück hatten. Beide schlüpften wir in unsere Stiefelletten und verließen dann die Wohnung. Möglichst leise gingen wir die Holztreppe, um nicht noch mehr Menschen zu wecken. Wir verließen das Haus und traten raus auf das Turniergelände. Es war herbstlich kalt und die Sonne war noch nicht aufgegangen. Mit den Händen in den Jackentaschen versteckt gingen wir nebeneinander her zu der Stallung, in welcher unsere Pferde standen. Die spärliche Beleuchtung nützte nicht viel, doch man konnte am Himmel schon erahnen, dass die Sonne bald aufgehen würde. In der Stallung brannte bereits Licht und eine vertraute Mischung aus Pferdegeräuschen, fremden Stimmen und leiser Musik, kam mir zu Ohren. Es war eine typische Turnierkulisse. Zielstrebig gingen Lynn und ich zu den Pferden, die wir heute reiten würden. Ich hatte Onyx gestern noch soweit fertig gemacht, dass ich heute nur noch putzen, bandagieren und satteln musste.

„Stehst du eigentlich als Besitzer in seinen Papieren?", wollte Lynn von mir wissen und nickte auf Onyx, den ich gerade aus der Box führte, um ihn zu einem der Putzplätze in der Stallung zu führen. Ich nickte und wartete auf sie, bis sie auch ihr Pferd aus der Box hatte.

„Peter meinte, dass sind Wertsteigerungsmaßnahmen", erwiderte ich schulterzuckend. Lynn nickte

„Recht hat er. Wenn du der Besitzer bist, ist es was anderes, als wenn Peter das ist. Für ihn würde es sich nur lohnen als Besitzer in den Papieren zustehen, wenn er Onyx selbst gezüchtet hätte, aber so, ist das natürlich das schlauste", entgegnete Lynn und folgte mir dicht mit ihrem Rappen. Wir befestigten beide unsere Pferde nebeneinander am Putzplatz und begannen das Fell unserer Pferde vom Staub der Box zu befreien. Ich holte tief Luft und meine Schwester schien zu spüren, dass ich etwas sagen wollte. Fragend sah sie mich an.

„Peter will demnächst den Deal mit King Star zu Ende abschließen, du weißt?", begann ich. Lynn nickte und hörte mir aufmerksam zu. King Star steht zwar schon bei uns im Stall und wird von Lynn trainiert, doch noch gehört er offiziell einem anderen Stall. Zur Vetragsunterzeichnung wollte Peter uns beide mitnehmen.

„Du sollst ihn alleine haben. Ich möchte nicht zur Hälfte King Stars Besitzerin sein", meinte ich. Lynn sah mich verwundert an

„Hast du ein Problem damit, dass wir uns ihn teilen sollen?", hakte sie vorsichtig nach. Ich schüttelte den Kopf und strich in gleichmäßigen Zügen über das graue Fell von Onyx.

„Nein, ich würde mir jedes Pferd der Welt mit dir teilen, aber ich will einfach kein Pferd aktuell. Erst Recht nicht so eins wie King Star", erwiderte ich schulterzuckend. Lynn unterbrach das Putzen und lehnte sich mit den Unterarmen auf den Rücken ihres Rappen.

Close To Heaven.Where stories live. Discover now