Luna findet keine Pferde, die Pferde finden sie

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Am späten Abend, als die letzten Durchgänge in der Halle liefen, gingen Jason und ich zusammen durch die Dunkelheit zum Stallzelt. Wir mussten die beiden gekürt Pferde noch eindecken, damit sie es über Nacht warm hatten. Nevados stand mit hängendem Kopf dösend in seiner Box. Lucky Strike knapperte an seinem Heunetz, wirkte aber auch deutlich erschöpft. Der ganze Trubel war wohl zu aufregend gewesen. Im Stall war noch einiges los. Reiter kamen mit ihren Pferden aus der Halle zurück, andere putzten, wuschen oder packten ihren Kram weg. Ich nahm aus der großen Kiste vor Strikes Box seine dicke Decke und betrat seine Box. Liebevoll warf ich sie über seinen Rücken und befestigte die Gurte vor der Brust und unter dem Bauch. Frech knabberte er an meiner Hosentasche und ich strich ihm zärtlich über seine Stirn. Der Frust von vorhin war vergessen, doch man merkte ihm an, dass er genau wusste, wie genervt ich von ihm war. Er war echt ein schlaues Pferd. Mit einem kleinen Klopfen auf die Kruppe verließ ich seine Box und schloss die Tür. Nebenan war Jason damit beschäftigt die Gurte von Nevados Decke auseinander zuknoten. Er legte sich gerne zum Schlafen hin und dementsprechend brauchte seine Decke deutlich mehr Gurte, um nicht herunter zu rutschen. Es dauerte einige Minuten bis Jason fertig war, in welchen ich Nevados liebevoll die Ohren kraulte.

„So, ich hab's", kam es seufzend von ihm und wir verließen beide die Box. Mit einem Klacken schloss die Tür und die Blicke von Jason sahen mich fragend an.

„Und jetzt?", wollte er wissen.

„Die Logen oben sind offen. Dort gibt es essen und trinken für alle mit einem VIP Pass", meinte ich

„Wie gut, dass wir VIP sind", entgegnete Jason und nickte in Richtung des Stallausgangs. Ich zog meine Jacke komplett zu und verkroch mich richtig in ihr, da es draußen so kalt war. Auf dem Weg nach draußen trafen wir zwei Mädels in meinem Alter, die heute jeweils ihre Eltern hier her begleitet haben, da sie scheinbar ebenfalls züchteten. Sie begannen ein Gespräch mit Jason und da ich nicht dumm daneben stehen wollte, beschäftigte ich mich mit dem einen Pferd, welches neugierig seinen Kopf über die Box streckte.

„Wollen wir noch was trinken gehen?", fragte die Eine Jason.

„Ne", entgegnete Jason nur heiser, „ein anderes Mal"

„Luna, komm", setzte er nach und sah mich abwartend an. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er nickte nur stur in Richtung Ausgang. Wir gingen nebeneinander her und es wirkte irgendwie seltsam

„Du hättest ruhig mit denen trinken gehen können", meinte ich. Er schüttelte den Kopf.

„Nein, die sind mir zu eingebildet", erwiderte er. Ich lachte nur heiser auf.

In der Loge trafen wir auf etliche Leute. Unterschiedlichstes Alter, unterschiedlichste Menschen. Nicht alle waren aus Kanada, viele waren aus Amerika angereist. Jason hatte sich am Tresen mit einer älteren Frau festgeredet, welche ihm von ihrer Karriere als Züchterin erzählte. Ich saß auf dem Balkon der Loge und konnte somit das Geschehen unten in der Halle verfolgen.

„Darf man sich zu dir setzen?", kam es auf einmal von einer männlichen Stimme. Verwundert sah ich hoch. Ein blonder Junge, circa Mitte Zwanzig sah zu mir runter. Ich nickte leicht und er nahm grinsend Platz. Er hatte ein Bier in der Hand und wirkte so, als würde er aus der gehobenen Klasse kommen, denn er trug sichtbar teure Marken

„Weswegen bist du hier?", begann ich so beiläufig wie möglich ein Gespräch

„Ach, mein Vater stellt nur wieder seine Pferde vor. Größtenteils Springpferde, aber auch zwei Dressurpferde. Die wurden sogar mit der Bestnote gekürt", erwiderte er und ich hörte den Hauch Arroganz heraus.

„Und du?", erkundigte er sich

„Mit zwei Kandidaten angereist. Einmal einer in Spring und Dressur und einmal einer nur in den Bewegung. Beide gekürt", entgegnete ich

Close To Heaven.Where stories live. Discover now