Nicht so wie Lucky Strike

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Am frühen Morgen lief Lucky Strike durch die volle Arena in Vancouver. Er trabte, galoppierte und sprang über ein mittelhohes Hindernis. Alles frei und ohne Reiter. Die Richter waren beeindruckt. Sehr beeindruckt. Lucky Strike wurde sehr gut gekürt und verließ unter lautem Applaus die Halle. Es war ihm alles sehr befremdlich, denn er tänzelte unsicher neben mir her und weil die Umgebung ebenfalls fremd war, orientierte er sich sogar zum ersten Mal neben mir. Kaum waren wir jedoch raus aus dem windigen Gang und mitten in der Menschenmasse, schon gingen die Anstalten von ihm wieder los.

„Boa, es nervt langsam", gab ich genervt von mir, als ich Jason den Rappen überreichte und ihm die kalte Schulter zeigte. Das konnte Strike gar nicht ab. Er hasste es ignoriert zu werden. Jason kümmerte sich um Lucky Strike, währenddessen ich Nevados für die nächsten beiden Prüfungen vorbereitete. Der Fuchs war neugierig. Er kannte Turniere und wirkte eher voller Vorfreude, als verängstigt. Dennoch sah man ihm gewisse Skepsis an. Ich befestigte den Kinnriemen, während Jason ihm die Abschwitzdecke über warf. Mit kalten Händen sah ich zu dem Ausgang des Stallzeltes. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich zog den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Kinn hoch.

„Kalt?", wollte er prüfend wissen. Ich schüttelte den Kopf

„Auch, aber ungewohnt vor so vielen Menschen wieder zu reiten", entgegnete ich.

„Ja, eine lange Auszeit, wie du es eigentlich geplant hattest, gibt es wohl doch nicht", erwiderte er seufzend. Ich nickte leicht und setzte mir die Reitkappe auf.

„Naja, aber für Nevados tue ich es gerne. Schließlich wurde er auf mein Wunsch gekauft und trainiert. Wer weiß, wo er sonst gelandet werde. Talent hat ja reichlich", meinte ich. Jason stimmte mir mit einer kleinen Kopfgeste zu und hielt die Zügel von Nevados fest, damit ich meine Sporen befestigen konnte

„Was ein schönes Pferd", kam es auf einmal von einer weiblichen Stimme und ich sah über meine Schulter, um das Mädchen in Jasons Alter zu erblicken, welches stehen geblieben war, um den Fuchs zu betrachten.

„Ist das dein Pferd?", erkundigte sie sich bei ihm.

„Ne, das ist das Pferd von einem guten Freund", entgegnete er distanziert

„Und wer reitet ihn heute vor?", wollte sie verwundert wissen. Jason nickte in meine Richtung.

„Sie", meinte er. Ich sah die beiden an und erblickte den herablassenden Blick der Blondine.

„Ach so. Warum nicht du?", hakte sie bei Jason skeptisch nach

„Weil ich nur durch Zufall in diesen Reitsportkram reingerutscht bin. Eigentlich bin ich KFZ-Mechaniker", erwiderte er schulterzuckend

„Echt? Wie praktisch. Uns ist auf dem Weg hierher unsere Zugmaschine kaputt gegangen. Meinst du, du könntest einen Blick darauf werfen? Ich revanchiere mich natürlich auch", meinte sie und sah ihn mit klimpernden Augen an. Jason seufzte leicht und ich nahm ihm die Zügel ab, um Nevados zum Hocker zuführen, um aufzusteigen.

„Ich schaffe das zeitlich nicht. Wir sind mit zwei Pferden und selbst nur zu zweit", entgegnete er und sah sie schulterzuckend an.

„Ach komm, sie kann dir doch die Arbeit abnehmen. Wir gehen auch heute Abend was Schönes zusammen trinken", kam es hartnäckig von ihr. Jason schüttelte heiser auflachend den Kopf.

„Ne sorry, so funktioniert das nicht", erwiderte er und sah zu mir hoch, da ich bereits auf dem Fuchs saß.

„Passt alles?", erkundigte er sich bei mir und zog die Abschwitzdecke ein Stück nach vorne, da sie sonst über die Kruppe des Hengstes rutschen würde.

„Ja, ich denke schon", erwiderte ich

„Okay, dann dir noch einen schönen Tag. Man sieht sich bestimmt noch", gab die Blondine mit gekünstelter Freundlichkeit von sich und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Ich hatte ihr nichts getan und sah ihr nur amüsiert nach

„Die Frauen liegen dir echt noch immer zu Füßen", stellte ich kopfschüttelnd fest

„Keine Ahnung warum", entgegnete er und seufzte hörbar.

„Warum? Vielleicht weil du in das typische Beuteschema passt? Trainiert, groß, abweisendes Auftreten. Darauf stehen nun mal Frauen", erklärte ich lachend. Jason lachte nur heiser auf und begleitete Nevados und mich zum Halleneingang.

„Als nächstes sehen Sie den 12 jährigen Nevados. Der Fuchs ist ein sogenannter Turnierplatzfund und stammt aus den USA. Aktuell steht er am Reitzentrum & Gestüt Thompsons in Jasper, Kanada. Der Hengst wird heute von Luna Michaels vorgestellt", ertönte eine Durchsage. Mäßiger Applaus ertönte und ich ritt in die große Rogers Arena. Der Parcours war ein M-Parcours und für Nevados keine große Anstrengung. Daniel trainierte ihn aktuell auf S-Springen hing, weswegen der Fuchs ohne viele Mühen über die Hindernisse flog. Springen war für ihn eine Lachnummer. In der Dressur wurde es schon schwerer. Zwar musste jedes gute Springpferd auch die Grundlagen der Dressur können, aber gerade Springpferde wie Nevados neigen dazu, gerne schnell zu laufen. Die Disziplin der Dressur, langweilte und verärgerte ihn oftmals. Ich kannte seine Macken kannte ich zum Glück und konnte somit ihn gut in Schach halten. Außer einer Situation, in welcher er an der langen Seite in den falschen Galopp verfiel, machte er seine Sache gut und verließ gekürt die Halle. Ich war stolz auf ihn. Unfassbar stolz. Jason nahm uns am Ausgang in Empfang und legte Nevados die Abschwitzdecke über. Überglücklich rief ich Daniel an, welcher nach kurzer Zeit ranging.

„Hey Luna, wie geht's?", erkundigte er sich

„Gut und selbst?", entgegnete ich und lenkte einhändig den Hengst durch den Trubel an Menschen und Pferden

„Ganz gut. Ich komme bald zurück nach Kanada. Das meiste ist überstanden hier", erwiderte er schwer ausatmend, „Wo bist du? Es ist so unruhig bei dir im Hintergrund"

„Ich versuche gerade irgendwie mit Pferd durch eine Masse an Menschen zu kommen", erklärte ich und zwang Nevados zum Stehen, da vor uns gerade ein Pferd vor Panik rückwärts sprang. Nevados gab ein entsetztes Wiehern von sich

„Oh Nevados ist bei dir?", kam es erstaunt von Daniel, der sein Pferd scheinbar am Wiehern erkannt hatte.

„Naja, wie soll ich sagen", begann ich seufzend, „ich sitze auf einem Pferd, welches mit der Bestnote gekürt wurde"

„Nicht dein Ernst, oder?", hörte ich die sprachlose Stimme von Daniel nach Luft keuchen. Ich musste breit grinsen und lenkte Nevados an dem Störenfried vorbei.

„Doch. Er war super. Ihr könnt großes starten", meinte ich

„Oh Luna, ich bin dir so dankbar. Ich hätte ihn niemals zu so einer Note geritten. Dafür waren meine Gedanken zu chaotischen. Wow. Das ist dein Verdienst", lobte der Freund von Lynn mich immer wieder

„Das war Teamarbeit Daniel. Wir zusammen haben ein gutes Pferd trainiert und du wirst ihn in den Profisport bringen. So einfach ist das", erwiderte ich und schwang mich in der Stallgasse von dem Fuchs. Jason löste den Sattelgurt und ich strich über die Stirn des Pferdes

„Du, ich muss mich jetzt um Nevados kümmern. Er muss unter die Wärmelampe. Der ist komplett fertig", gab ich amüsiert von mir, als ich sah wie der Hengst im Stehen die Augen schloss

„Das kann ich mir vorstellen. Zwei Durchgänge an einem Tag und dann der Trubel. Aber er war lieb, oder?", entgegnete Daniel.

„Ja, total. Nicht so wie Lucky Strike. Der hat sich wieder aufgeführt wie sonst was", meinte ich auflachend und sah zu dem Rappen rüber.

„Okay gut, macht euch Morgen noch einen schönen Tag. Wir sehen uns", kam es von ihm noch und dann legte ich auf. Jason sah an der Schulter von Nevados fragend vorbei, mir ins Gesicht.

„Und?", wollte er wissen

„Ein stolzer Pferdebesitzer", erwiderte ich lachend.

Close To Heaven.Onde histórias criam vida. Descubra agora