Da will jemand nach Hause

671 46 0
                                    

Nachdem endlich diese schlimme Krankheit das Reitzentrum und Gestüt Thompsons verlassen hatte, kehrte endlich wieder mehr Ruhe ein. Eine Firma hatte den gesamten Hospizstall speziell gereinigt und mit Mitteln behandelt, sodass wirklich alles hygienisch rein war. Nach und nach kehrte der Alltag zurück. Diese zwei Wochen waren wohl die anstrengendsten seit langem. Doch kaum war das eine Problem vom Tisch, schon folgten die nächsten. King Star musste in ein Therapiezentrum gebracht werden, damit er langsam wieder trainiert werden konnte. Onyx musste vom Gestüt abgeholt werden und zurück zu uns kehren. Mom und Peter planten ihre Hochzeit in den letzten Zügen. In ein paar Wochen würde es mit allen nach Florida gehen, wo die beiden heiraten wollten

Währenddessen Jason und Jeanny heute King Star wegbringen würden, würde ich mit Matthew Onyx holen. Lynn war heute Morgen um 5am bereits mit Daniel und den beiden Pferden aufgebrochen zum Turnier in Vancouver. Roccostrados Gewinnsträhne riss einfach nicht ab. Der elegante und stattliche Hengst sprang höher und weiter, als so ziemlich jedes Pferd. Er wurde definitiv zum Springen geboren und musste es nicht erst, so wie Johnny damals, lernen. Es lag ihm im Blut und er machte Lynn zu einer stolzen Reiterin. Am liebsten sah ich jedoch Lynn auf Rocky Rubins Rücken, mit Roccostrado am Strick durch den Wald reiten. Sie machte mindestens zweimal die Woche solche Ausritte. Die restliche Zeit der Woche ritten Mom und ich Rocky Rubin abwechselnd. Der alte Hengst wollte gefordert werden.

„Luna", ertönte auf einmal Jasons Stimme hinter mir in der Sattelkammer und ich drehte mich skeptisch um. Mit einem Halfter in der Hand sah ich ihn fragend an.

„Kannst du King Star fertig machen?", wollte er wissen und sah mich mit den Händen in der Jackentasche abwartend an

„Wieso machst du das nicht?", entgegnete ich nur und sortierte das Halfter auf den Haken für die Warmblüter.

„Weil sein verletztes Bein speziell bandagiert werden muss und ich nicht weiß wie", erwiderte er seufzend. Ich atmete tief ein, kramte in meiner Jackentasche und gab ihn meinen Autoschlüssel

„Dann koppel bitte den Anhänger ran, damit ich Onyx holen kann", meinte ich nur und verschwand aus der Sattelkammer. Ich ging meinen Weg durch die lange Stallgasse und bog ab in den Trakt, in welchem die ganzen alten Pferde und einige Stuten standen. In der allerletzten Box stand King Star. Der braune mit der langen breiten Blesse wieherte aufgeregt, als er die Schritte näher kommen hörte. Ich öffnete die Boxentür, bandagierte sein verletztes Bein mehrfach, legte Transportgamaschen an und warf ihm eine Decke über. Am Strick führte ich ihn aus seiner Box. Vor der Stalltür traf ich auf Jeanny, welche mich freundlich anlächelte. Ich übergab ihr King Star und klopfte liebevoll den Hals des Pferdes.

„Bringt ihn gut ans Ziel. Er ist ein tolles Pferd", meinte ich zu ihr und sah zu dem aufmerksamen King Star hoch

„Das ist er. Aber fahrt auch ihr vorsichtig", entgegnete Jeanny und schnalzte leise, damit sich das Pferd in Bewegung setzt. Ich sah noch zu, wie er verladen wurde und machte mich dann auf den Weg zu meinem Auto. Matthews großer Pick Up stand bereits auf dem Parkplatz geparkt und er lehnte sich gegen mein Auto

„Wurde langsam mal Zeit", meinte er frech grinsend zu mir und nahm mich in den Arm.

„Ich hab noch King Star fertig gemacht", gab ich nur von mir und sah über meine Schulter zu dem Gespann.

„Tja. So ist das hier. Ein Kommen und Gehen", erwiderte Matthew und öffnete mir die Beifahrertür, „Wir haben nicht ewig Zeit."

Ich stieg ins Auto und Matthew nahm hinterm Lenkrad Platz. Direkt hinter Jason und Jeanny fuhren wir vom Reitzentrum, bogen links auf den Highway ab und fuhren circa eine halbe Stunde hinter den beiden her. Dann trennten sich unsere Wege und wir steuerten in Richtung des Gestüts, auf welchem Onyx momentan stand. Es waren gemischte Gefühle, ihn jetzt abzuholen, aber es war das einzig Richtige. Onyx war nun mal ein charakterstarkes Pferd, welches sich nicht so einfach beeinflussen ließ wie Peter Pan und Nevados. Wenn er etwas nicht wollte, dann setzte er es durch. Um jeden Preis. Irgendwie war mir klar, dass Tommy anrufen würde, weil es mit Onyx nicht klappte. Der Grauschimmel war nie das typische Turnierpferd gewesen. Erfolg hin oder her, im Kopf war er immer ein Fohlen geblieben.

Bei unserer Ankunft am Gestüt fiel wieder einmal die astreine Umgebung auf. Nirgends war es dreckig, die Lichterketten hingen akkurat in den Bäumen, die Einfahrt war von Schnee befreit.

„Wohnen hier Pferde?", wollte Matthew skeptisch wissen, als er auf den Parkplatz fuhr und anhielt.

„Ja, man glaubt es kaum", stimmte ich ihm zu. Gemeinsam verließen wir das Auto und betraten die Stallgasse. Einer der Stalljungen zeigte uns Onyx vollständigen Sattelschrank und bot an, ihn direkt in den Anhänger zu laden. Onyx selbst würden wir in der Reithalle finden. Tommy sei jedoch heute nicht hier. Er war auf einem Turnier in Toronto. Matthew kannte Onyx noch nicht und wirkte tatsächlich ein wenig neugierig, als wir die Tribüne der Reithalle betraten und auf den Grauschimmelhengst sahen, welcher nervös trabend an der langen Seite der Bande auf und ab lief. Zwischendurch galoppierte er an und buckelte. Dann blieb er vor dem Spiegel stehen, starrte ihn an und blies seine Nüstern auf.

„Der ist aber nervös", stellte Matthew fest. Ich nickte

„Ja", murmelte ich, „hier stehen Hengste das ganze Jahr über alleine. Bei uns gehen sie in kleinen Herden raus. Er vereinsamt"

So sehr ich Tommy für seine Arbeit und sein Können schätzte. Die Tatsache, dass er Onyx 1:1 wie jeden anderen Hengst hier behandelt hatte, machte mich sauer. Wir haben Onyx als Teil einer Herde großgezogen, auch wenn er ein Hengst war. Nach 7 Jahren ihn einfach aus dem sozialen Leben einer Herde zu entziehen und ihm keine Alternative zu bieten, war unzumutbar. Der junge Hengst litt darunter.

„Na komm, packen wir ihn ein", meinte ich leise zu Matthew und verließ die Tribüne wieder. Vorsichtig öffnete ich die Hallentür und trat ein in die Reitbahn. Matthew blieb an der Bande von außen stehen. Ich pfiff leise und Onyx Ohren spitzten sich, er drehte sich fragend um und wieherte leise. Ein unsicheres Wiehern.

„Komm schon Onyx", gab ich amüsiert von mir und der Hengst kam im Trab auf mich zu. Vor mir parierte er in den Schritt durch und blieb schlussendlich stehen. Ich strich über seinen Hals, befestigte den Strick an seinem Halfter und führte ihn aus der Reitbahn. Mit Matthew gingen wir zum Anhänger. Wir legten eine Decke auf, Transportgamaschen an und als Matthew die Rampe des Anhängers runter klappte, zog Onyx regelrecht in dessen Richtung. Ich konnte einfach den Strick über seinen Hals legen und er ging von alleine auf den Anhänger.

„Da will jemand nach Hause", kam es amüsiert von Matt.

Als am späten Nachmittag dann Onyx mit Lucky Strike über die Schnee bedeckten Weiden galoppierte, buckelte, sich wälzte und übermütig umher sprang, ja da war ich mich sicher, dass Onyx Zuhause angekommen war. Er lief die Zäune ab, begrüßte die anderen Pferde und gab durch laut starkes Wiehern bekannt, dass er wieder da war.

„Der ist ja fast so laut wie Johnny damals", gab Peter amüsiert von sich, als er den jungen Hengst im gestreckten Galopp an uns vorbei laufen sah.

„Er mindestens genauso glücklich", erwiderte ich nur und sah zufrieden den beiden Pferden beim Toben zu.

„Er ist immer noch ein Kind, mit seinen 7 Jahren. Wir sollten ihn nicht in eine Richtung drängen, in die er nicht will", kam es nachdenklich von Mom.

„An was denkst du dann, wenn es fürs Springreiten nicht langt?", wollte Peter von ihr wissen

„Vielseitigkeit", schlug ich vor. Mom schüttelte den Kopf

„Schaut ihn euch an. Der hat vor nichts mehr Angst. In dem Punkt ist er echt erwachsen geworden. Mag sein das er ein Kindskopf ist, aber er ist unerschrocken. Er wäre ein gutes Filmpferd", entgegnete sie

„Die Spinnerei hatten wir schon mal mit Schmiddi, das hat auch nicht geklappt", widersprach Peter

„Onyx ist jünger als Schmiddi damals.", konterte Mom.

„Lasst ihn doch erst einmal Zuhause ankommen", kam es auf einmal von Lynn, die ihre beiden Schimmel am Strick hatte und mit der einen Hand das Tor zu der Weide öffnete, um sie ebenfalls laufen zulassen.

Close To Heaven.Where stories live. Discover now