Lucky Strike

756 46 2
                                    

Gemeinsam mit Jason verlud ich den Fuchs auf den Anhänger. Nevados würde mit uns nach Vancouver fahren, in der Hoffnung gekürt zu werden. Doch dabei blieb es nicht. Auch Lucky Strike würde diese Reise antreten, da seine Bewegungen bewertet werden sollten. Ich wollte etwas Handfestes in der Hand halten, wenn Peter vom Turnier wieder da wäre. Ein Beweis, dass der Rappe Zeit und Geld wert ist. Nevados zu verladen gestaltete sich relativ einfach. Ein wenig Überredung brauchte es zwar, aber mit Futter hatte man ihn schnell umgestimmt. Lucky Strike hingegen lebte sein Temperament in vollen Zügen aus. Ich war froh, dass Peter schon weg war und nicht sah, zu was der Hengst wieder einmal im Stande war. Er stieg sogar senkrecht in die Luft und nur vier Menschen mit Seilen und starke Nerven schafften es, ihn in den Anhänger zu bekommen. Ihm graute es wohl davor, den Hof wieder verlassen zu müssen. Es gab auch keinen Grund für ihn zu gehen, schließlich hatte er es gut hier.

„Das mache ich auf Dauer nicht mit, mit dem", meinte Jason, als wir bereits auf dem Highway waren und er durch den Rückspiegel auf den Pferdetransporter sah. Ich seufzte

„Das klingt so falsch, aber es muss einmal richtig knallen bei ihm, damit er merkt, dass er nicht der Chef ist", entgegnete ich zwiespältig. Jason nickte

„Das habe ich mir auch schon gedacht. Er kennt einfach keine Grenzen. Du solltest den definitiv heute Abend noch longieren und zurechtweisen. Ansonsten haben wir Morgen ein echtes Problem", gab er zu bedenken.

„Ja ich weiß. Das muss sich unbedingt ändern", stimmte ich ihm zu

„Hast du darüber nachgedacht, ihm seinen Hengststatus vielleicht abzunehmen? Das kann viel bringen.", schlug Jason vor. Ich schüttelte den Kopf

„Ich hab Peter überzeugt ihn zu behalten, weil ich ihm erklärt hab, wie viel Geld Lucky Strike später in der Zucht einbringen könnte", widersprach ich. Nachdenklich kaute Jason auf seiner Unterlippe rum.

„Hast du überlegt ihn vielleicht mal zu fahren, anstatt zu Springen?", fragte er. Verwundert sah ich ihn an und schüttelte den Kopf.

„Angeblich ist er vor zwei Jahren zuletzt vor einer Kutsche gewesen", meinte ich

„Ich glaube, bevor du den im Parcours oder in der Dressur einsetzen kannst, muss einmal komplett weg davon. Der ist so gelangweilt von seinem alten Leben. Er tut was er will. Du meintest doch, er kann Springen und er kann Dressur. Er muss irgendwas von Grund auf neu lernen, wo er komplett seinem Reiter zuhören muss. Keine eigenen Entscheidungen treffen. Dass geht nur, wenn er noch keine Routine hat. Ich glaube, der lernt noch schneller als King Star oder Schmiddi damals", erwiderte Jason. Schmiddi war unser super-Brain im Stall. Er war eines der intelligentesten Pferde und deshalb für kleinere Stuten ein so beliebter Deckhengst.

„Ja da kannst du Recht haben, aber was soll ich machen? Ich hab überlegt ihn auf die Rennbahn zu lassen, aber ist zu unkontrolliert dafür", stimmte ich ihm zu. Jason sah mich von der Seite an und schien einen Einfall zu haben.

„Natural Horsemanship", kam es auf einmal von ihm. Verwundert sah ich ihn an. Das hatte ich zuletzt mit Mister X gemacht.

„Kein Reiten mehr, bis vollkommenes Verständnis und Kontrolle meinerseits da ist?", gab ich skeptisch von mir. Er nickte zustimmend

„Ja, du musst so oder so Rocky und Nevados bewegen, dann kannst du ihn auch am Strick mitnehmen. Vielleicht waren die letzten Jahre von ihm auch viel zu viel Unterforderung und Zwang. Wie sollen wir es wissen, aber so könnte ich mir das erklären", meinte Jason.

„Aber fahren sollten wir ihn zum Ausgleich trotzdem, sonst baut er an Muskeln ab", erwiderte ich. Er nickte verstehend.

„Lass ihn bei der Ernte laufen. Es gibt genug zu tun und er ist vielleicht sogar eine Hilfe", schlug Jason vor

„Dann muss ich immer dabei sein", merkte ich unschlüssig an

„Ein bisschen Feldarbeit tut der Dame auch ganz gut", neckte Jason mich. Ich haute ihm leicht gegen den Oberarm

„Wenn du Rocky Rubin übernimmst", entgegnete ich provokant

„Longieren bekomme ich noch hin", gab er amüsiert von sich. Ich schüttelte den Kopf

„Longieren ist bei ihm nicht mehr. Reiten ist angesagt", widersprach ich. Jason sah mich mit seinem Dein-Ernst-Jetzt-Blick an und ich musste lachen

„Ich gebe dir Reitstunden", bot ich frech an

„Vergiss es. Mein letztes Mal auf dem Pferd ist 10 Jahre her", entgegnete er kopfschüttelnd

„Wenn man es einmal gelernt hat, dann vergisst man es nicht", erwiderte ich

„Rocky Rubin ist kein großer Fan von Anfängern auf seinem Rücken, dass wissen wir beide", meinte Jason seufzend.

„Peter Pan ist zu hitzig, von Onyx, Nevados, Kings Star und Lucky Strike brauchen wir gar nicht erst reden. Es gibt nur einen einzig wahren, der brav wie ein Lamm ist", spielte ich grinsend auf den Schimmel an

„Vergiss es. Schmiddi und ich, dass wird nie was", kam es nur heiser auflachend von ihm. Ich grinste nur, denn irgendwann müsste Jason aufs Pferd. Es war schon lange Thema bei uns, da uns die Reiter für unsere eigenen Pferde fehlten. Jason konnte gut mit Pferden, auch wenn man merkte, dass sie nicht den Mittelpunkt seines Lebens füllten. Am liebsten schraubte er immer noch an den kaputten Maschinen rum, welche immer wieder auf dem Hof auftauchten.

Unsere Ankunft in Vancouver stellte sich als problematisch heraus. In mitten der Stadt stand die Rogers Arena, welche normalerweise für Konzerte und Eishockeyspiele ausgelegt war, würden die nächsten drei Tage Pferde ein- und ausgehen und sich der Jury, dem Publikum und der Welt zeigen. Mit dem Auto-Anhängergespann wurde es schnell eng in der Stadt und wir mussten uns durch die Metropole kämpfen. Ich war mir nicht sicher, wie die beiden Pferde im Anhänger auf den Lärm ihrer Umwelt reagierten und hoffte nur das Beste. Als wir endlich den richtigen Parkplatz erreichten und unsere Armbänder bekamen, um jederzeit ins Camp zu gelangen, hatten wir den größten Stress überstanden. In der Kurzparkzone konnten wir Anhalten, um auszuladen. Zu meinem Erstaunen war Nevados deutlich nervöser als Lucky Strike. Der Rappe führte sich zwar wieder auf sonst was und schubste einen respektlos durch die Gegend, doch er tänzelte nicht nervös umher. Er wirkte er neugierig. Es verwunderte Jason und mich so sehr, sodass wir fast erleichtert waren, als Lucky Strike beim Führen ins Stallzelt aus dem Nichts anfing zu bocken und wie ein stures Kind die Hinterhand bedrohlich nach außen schob.

„Alles beim Alten. Ich dachte schon der ist krank", gab Jason kopfschüttelnd von sich und als ich Lucky Strike energisch zurecht gewiesen hatte, konnte ich sogar darüber lachen.

Nachdem wir unser Gespann geparkt und das Sattelzeug von Nevados zu seiner Box gebracht hatten, machten wir uns mit beiden Pferden auf den Weg in die Halle. Sie durften sich alles ansehen, die vielen Menschen und die große Halle begutachten. Im Vorfelde hatte ich mich in den Hallenplan eingetragen, sodass wir zwanzig Minuten Zeit hatten, die Pferde zu longieren. Jason hatte Glück mit dem Fuchs, denn Nevados zeigte sich von seiner besten Seite. Strike hingegen galoppierte einige wilde Runden, wechselte dann zwischen Trab und Galopp und verfiel des Öfteren in den falschen Galopp. Es war einfach eine Plage. Gegen Ende einigten wir uns darauf, dass Lucky Strike noch ein paar Runden freilaufen sollte, um sein hitziges Temperament zu beruhigen. Mit großen Galoppsprüngen rannte er um uns herum, währenddessen Nevados unruhig neben uns tänzelte. Ich kämpfte mich mit dem Fuchs ab und Jason trieb den Rappen immer weiter. Wir keine Lust darauf, dass er heute Nacht vor Unterforderung irgendwelche Scheiße bauen würde

„Er hat ein kräftigen Hals, trainierte Vorder- und Hinterhand und ist relativ groß. Lange Beine. Der ist echt besser als ich dachte", gab Jason anerkennend von sich. Ich nickte

„Ich weiß. Den Wert sieht man aber nicht auf den ersten Blick", entgegnete ich

Close To Heaven.Where stories live. Discover now