Abstand und Vertrauen

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Kurz bevor wir nach Florida fliegen wollten, änderten sich einige Pläne. Wir mussten für den Flug Onyx und Nevados nachmelden, denn Lynn wollte in Florida Turniere reiten. Da wir so sehr in Stress verfielen, gingen Jeanny und Jason einen Nachmittag mit Peter und Mom in Jasper essen, sodass Daniel, Matthew, Lynn und ich die fünf Pferde auf den großen Transporter verladen und zum Transitstall fahren konnten. Diese hektische Aktion war nun zwei Tage her und nach einem unproblematischen Flug waren wir vor einigen Stunden in Miami gelandet. Nachdem wir auf dem Anwesen eingecheckt hatten, auf welchem sowohl wohnten, als auch die Hochzeit hier stattfinden würde, hatten wir uns wieder in den Mietwagen gesetzt und waren zum Stall gefahren. Dort unsere fünf Pferde, die nun bewegt werden wollten.

„Wie teilen wir uns auf?", fragte ich in die Runde. Daniel fuhr den Mietwagen und sah kurz in den Innenspiegel, um Lynn und mich zusehen.

„Onyx und Nevados werden morgen ja nicht geritten", begann er, „ich würde vorschlagen die beiden heute zu reiten, während die beiden Schimmel und Lucky einfach nur ein bisschen über den Paddock gescheucht werden.

„Wer macht was?", fragte Lynn in die Runde.

„Wenn ihr Nevados irgendwie bewegt übernehme ich mit Matthew die drei. Die müssen nachher auch noch gewaschen werden", entgegnete Daniel und lenkte den Mietwagen auf die sandige Auffahrt zum Reitstall. Die Sonne brannte vom Himmel und die Wärme Floridas tat uns allen gut. Bei unserer Ankunft standen unsere fünf Pferde zusammen auf der kleinen Weide am Parkplatz und wieherte uns zu. Rocky Rubin, welcher ja aus der Wärme Floridas kam, reckte und streckte seinen Hals immer wieder. Ihm tat die Sonne auf dem Fell sichtlich gut. Die anderen vier Pferde wirkten etwas träge, da sie diese Wärme und Luftfeuchtigkeit nicht kannten. Zu viert gingen wir auf die Weide und hakten die Karabiner der Stricke in die Halfter. Ich drückte Matthew Rockys Strick in die Hand, da er echt ein Lamm war. Da Nevados das zweitruhigste Pferd war, gab mir Daniel ihn noch zusätzlich zu Onyx. Die beiden hibbeligsten Pferde waren mit Abstand Roccostrado, was man überhaupt nicht von ihm kannte, und Lucky Strike, welcher seinem Ruf wieder einmal nachkam.

Wenig später saß ich auf Onyx Rücken und Lynn auf dem des Fuchses. Gemeinsam ritten wir über die weitläufige Grünanlage des Reitstalls und sahen über die Hecken, hinter welchen sich Spring- und Dressurplätze befanden.

„Du solltest ihn hier auch auf Turnieren reiten", meinte Lynn auf einmal und sah mich von der Seite an

„Ich bin nicht im Training mit ihm", widersprach ich

„Ach komm. Die letzten Monate saß Tommy nicht einfach nur stumm auf ihm drauf. Ein bisschen was kann er", konterte sie und sah mich herausfordernd an

„Du hast gut reden. Du hast Rocco", erwiderte ich auflachend

„Hast du gesehen, wie der sich eben benommen hat? Der hat momentan ne Meise, wegen dem Wetter", gab sie zu bedenken und nahm die Zügel von Nevados kürzer, da der Fuchs in seine Hängemattenmüdigkeit verfiel.

„Mal sehen wie Onyx mitmacht", entgegnete ich nur und parierte den Grauschimmel, damit Lynn zuerst durch das schmale Tor auf den Geländeparcours reiten konnte. Wir trabten an und durchquerten den lichten Wald aus Pinienbäumen und Dünen. An einem See ließen wir die Pferde mit den Beinen ins Wasser, damit sie etwas trinken konnten.

„Ich hab die Sonne vermisst", kam es seufzend von Lynn und sie legte den Kopf in Nacken, um unter ihrer Reitkappe auch im Gesicht die Sonne zu spüren

„Ich auch. Und Rocky erst", erwiderte ich. Lynn sah mich amüsiert an

„Hast du gesehen, wie er das vorhin genossen hat?", fragte sie mich breit grinsend

„Ja, total ulkig.", stimmte ich ihr zu.

„Wir sollten heute Abend zusammen an den Strand fahren. Nur du und ich", meinte sie auf einmal und ich sah zu ihr rüber. Ich nickte. Ja, das sollten wir.

Nach dem langen Ausritt mussten Lynn, Daniel und ich die drei Pferde für die Hochzeit waschen. Ich hatte zum Glück Rocky Rubin, weswegen sich dies als einfache Aufgabe entpuppte. Der alte Hengst stand die ganze Zeit still, spielte ab und zu mit dem Wasserschlauch und wirkte generell sehr zufrieden mit der gesamten Situation. Roccostrado hingegen benahm sich ein wenig wie eine Diva und zickte manchmal rum, wenn das Wasser seinen Bauch berührte. Genau das, was ein Vielseitigkeitspferd nicht tun sollte. Lucky Strike war wieder einmal der Kasper und sprang wild umher. Während Daniel sich mit ihm abkämpfte, zielte Matthew mit dem Wasserschlauch auf die dreckigen Stellen im Fell.

Am Abend, als alle wichtigen Vorbereitungen für die Hochzeit getroffen worden waren, die Pferde sauber in ihren Boxen standen und Daniel und Matthew mit Jason auf der Veranda des Gästehauses saßen mit einem Bier in der Hand, brachen Lynn und ich auf in Richtung Strand. Wir fuhren mit dem Mietwagen durch die Dünen und hielten mitten auf dem Sand an. Ich stieg aus, spürte den Sand unter meinen Schuhen und den salzigen Wind in meinen Haaren. Wir kletterten auf die Motorhaube und setzten uns nebeneinander. Stur blickte ich aufs Meer. Bestimmt minutenlang.

„Du hast genauso vermisst wie ich, oder?", wollte Lynn nach einiger Zeit der Stille wissen

„Und wie", murmelte ich nur und wandte mein Blick nicht von dem Meer, wie es in leichten Wellen an den Strand schlug.

„Morgen sind wir eine Familie. Eine richtige", kam es leise seufzend von Lynn, „was denkst du darüber?" Ich sah meine Schwester an und kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe rum.

„Wir waren seit Shelby eine Familie, aber jetzt sind wir eine richtige. Es ist gut so. Dad hätte es so gewollt", entgegnete ich

„Meinst du?", hakte Lynn unschlüssig nach

„Alles was Dad wollte war, dass es unseren Pferden gut geht, wir was hatten, von dem wir leben konnten und das Mom glücklich war. Mom ist glücklich", erwiderte ich und zuckte leicht mit den Schultern

„Und du?", fragte sie prüfend, „Du und Jason?"

„Die Hochzeit macht uns zu sowas wie Cousine und Cousin. Vielleicht fast ein wenig zu Stiefgeschwistern. Es ist gut so", meinte ich entschlossen.

„Wirklich?", hinterfragte sie mit Nachdruck.

„Ja. Es ist vorbei. Er hat mich betrogen und auf Dauer hätte es eh nicht geklappt. Peter ist sein Onkel. Die beiden heiraten. Es wäre komisch gewesen", versteifte ich mich auf meine Meinung.

„Und das mit dir und Matthew? Wird das jetzt was Ernstes?", wollte Lynn wissen. Ich nickte minimal

„Ja, irgendwie schon", stimmte ich ihr zu

„Was ist so anders an der Beziehung zu ihm und der Beziehung zu Jason damals?", fragte sie skeptisch

„Ich sehe ihn nicht täglich", erwiderte ich nur. Lynn seufzte und nickte verstehend

„Abstand ist das, was eine Beziehung am Leben hält.", entgegnete sie leise

„Abstand und Vertrauen", murmelte ich zustimmend.

Close To Heaven.Where stories live. Discover now