It's like I got this music in my mind, sayin' it's gonna be alright

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"Warum ist er bloß so unfähig?". Genervt klapperte ich mit meinem Stift auf dem Tisch herum und zuckte bei jedem falschen Ton zusammen."Ich weiß es nicht, frag ihn doch selber!", bekam ich als Antwort von meiner genervten Nachbarin zurück. Ich verdrehte die Augen. Seit geschlagenen 15 Minuten war ich kurz davor mir die Haare auszureißen weil unser Musiklehrer anscheinend noch nie was von Notenlehre gehört hatte. Und genau so lange schimpfte ich mit gedämpfter Stimme. "Gott, das gehört doch viel höher gesungen!", donnerte ich wieder los."Jetzt halt endlich die Klappe Grace!". Lucy funkelte mich mörderisch aus ihren moosgrünen Augen an. "Gibt es ein Problem dahinten?",fragte Mr. Parker sichtlich genervt. Er wusste anscheinend was ich von ihm und seinem Unterricht hielt."Ja, Grace beschwert sich die ganze Stunde schon bei mir über ihre Unfähigkeit.", antwortet meine Freundin unverblümt. In diesem Moment hätte ich ihr an den Hals springen können. "Bitte, wenn Grace es besser weiß und auch kann, soll sie jetzt den Unterricht weiter machen." Mr.Parker sah mich mit einer Mischung aus Verzweiflung und Missgunst an."Schön", entgegne ich, stand auf und ging nach Vorne. Mit einem mörderischen Blick nahm ich ihm die Partitur ab und setzte mich hinter das E-Piano.Meine Mitschüler starren mich an als hätte ich ihn gerade umgebracht. Ein unangenehmes Gefühl. Das hatten wir ja wieder toll hinbekommen. Na ja, Lucy hatte es fantastisch hinbekommen, mich vor der gesamten Klasse wie einen Volltrottel dastehen zu lassen.Ohne lange nachzudenken, fing ich an meinen Mitschülern das Lied richtig beizubringen. Und sobald meine Singstimme meine Kehle verließ ging ein raunen durch die Klasse. Trotz meiner krankhaften Leidenschaft für Musik, würde ich meinen Gesang nicht als herausragend betiteln. Es war eher guter Durchschnitt. Dafür brachte mich mein Hobby regelmäßig um den Schlaf, da ich Nächte lang hinter meinem Klavier hockte und mit den Kopfhörern auf dem Kopf, die Finger wund spielte. Oder ich wachte mitten in der Nacht auf und musste eine Melodie sofort spielen und notieren, um sie nicht wieder zu vergessen.Trotzdem waren alle erstaunt über meine Stimme, niemand hatte mich jemals singen hören, außer Lucy.Als es dann zur Pause klingelt bleiben alle regungslos sitzen und starren mich an. Stille, einfach nur Stille, die mir den Hals zu schnürte. Ich atme tief durch und klapperte den Deckel mit zittrigen Händen über die Tasten.Langsam kam wieder Leben in die Klasse und sie gehen aus dem Musiksaal. "Grace kommst du bitte mit", sagt Mr. Parker mit verschränkten Armen. Seine eisblauenAugen fixierten meine, seinen Blick konnte ich nicht lesen. War er sauer oder schockiert?Mit zusammengebissenen Zähnen schlich ich ihm hinterher. Ohne lange Umwege brachte mich Parker zum Lehrerzimmer. "Warte hier.", befahl er und verschwand darin. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der an derWand gegenüber steht und überschlug die Beine. Was hat er bloß vor? Würde er mich beim Direktor Stump melden? Jetzt überkam mich doch etwas Panik. Wenn er mich von der Schule warf, musste ich in die nächste Stadt um den Unterricht zu besuchen. Ich schluckte schwer. So schlimm konnte es nicht werden.Ich betrachtete meine bekannte Umgebung. Seit 4 langen Jahren war ich schon an dieser Schule. An der Red Wood Mountain High School, eine unbedeutende Schule die in einer noch unbedeutender Stadtnamens Custer, South Dakota.Ein Kaff für mich, eine ganze Welt für meinen Nächsten. Ich wollte immer nur weg von hier, doch ich war festgewachsen in den kleinen Straßen, dem großen Wald über der Stadt, dem Ufer des großen Sees, am Fuß des Red Wood Mountain, der seinen Namen von den vielen Roteichen hatte, die um den Berg seit Jahrhunderten wuchsen.DieTür öffnete sich. Ich blicke nicht auf, sondern starrte müde die Wand an. Ich hatte mir mal wieder die halbe Nacht um die Ohren geschlagen um an einer Melodie zu feilen, die sich dann um halb sechs als komplett unbrauchbar herausstellte."Grace kommst du?".Mein Musiklehrer riss mich förmlich aus den Gedanken. Ich blickte nach oben und nickte. Schnell erhob ich mich. Etwas zu schnell. In meinem Kopf drehte sich alles und ich hatte ernsthafte Problem gerade stehen zu können. Unsicher versuchte ich ihm zu folgen.Mein Plus schoss in die Höhe und ich konnte jeden Herzschlag deutlich spüren. Ich hätte vielleicht doch lieber schlafen und eventuell auch was frühstücken sollen. Leise verfluchte ich mich selber.Erst jetzt merkte ich das noch andere Lehrer dabei waren. Mr. Green und Mrs. Walker. Ein ziemlich großer Mann mit Glatze und eine kleine zierliche Frau mit langen roten Haaren. Ich konnte sie nur noch verschwommen erkennen und muss mich an der gelben Wand abstützen. Alles drehte sich und meine Knie drohten ihren Dienst aufzugeben. Unsanft sackte ich mit der Schulter gegen die harte Wand. Ich blinzelte schnell um wieder klar sehen zu können, doch sie wollten einfach nicht. Verzweifelt suchten sie etwas, das erkennbar war, aber ich sah meine eigene Hand vor Augen kaum.Wie in Zeitlupe sank ich auf den Boden, wehrlos gegen die Schwerkraft. Mein Kopf brummte, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer dagegen schlagen.Ungenau sah ich jemanden vor mir auftauchen, spürte eine Hand auf meinem ausgestreckten Bein. In diesem Moment, entschieden sich meine Augen, einen letzten Versuch klar sehen zu können. Plötzlich tauchten unbeschreiblich schöne Augen auf. Das dunkle braun, das mit helleren Marmorierungen durchzogen waren. Dunkle Wimpern rahmten sie ein. Sie fixierten mich, als müsste der jemand ein Bild davon malen.In weiter Entfernung sagte jemand was, das ich nicht hören konnte. Das Blut rauschte laut und wild in meinen Ohren. Den Rest des Gesichtes konnte ich schemenhaft erkennen. Helle Haut, dunkle gebogene Augenbrauen, eine zarte Nase. Es raubte mir den Atem, doch lange konnte ich es nicht genießen. Der Schwindel nahm überhand und kleine Funken flogen vor mir her. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, nur auf die unglaublichen Augen.Jemand hielt mich an der rechten Schulter, schüttelte mich wie ein Weihnachtsgeschenk.Doch es half alles nicht und die Dunkelheit holte mich ein und zog mich mit sich. Mein Kopf fiel auf meine linke Schulter und ich war bewusstlos.※Als ich langsam wieder mein Bewusstsein erlange, lag ein schrilles Piepen in der Luft und ich hatte extremen Druck auf den Ohren, als wäre ich unter Wasser. Meilen entfernt hörte ich jemanden undeutlich reden.Dann hörte ich was. Ein seufzten?Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber sie waren so schwer als hätte man mir Blei darübergelegt. Nach ein paar versuchen riss ich sie auf und sah erst undeutlich etwas Weißes vor mir."Grace! Oh Gott, ich habe mir solche Sorgen gemacht!", versicherte mir Parker als ich mich langsam aufrichtet. Ich zog die Augenbrauen hoch und drückte mir den Handballen gegen die pochende Stirn. Ja sicher.Erst jetzt erkenne ich das ich mich im Erste Hilfe Raum befand und auf der alten, gammligen Liege lag. Die stand bestimmt schon 30 Jahre. Wenn nicht schon länger.Er legte seine Hand auf meinen Rücken, um mich zu stürzen. "Geht's wieder?", fragte er. Ich nickte und blinzelte heftig.Er drehte sich schnell um. "Ella gehst du ins Sekretariat, ihre Eltern sollen sie nach Hause bringen"."Nein die sind in der Arbeit. Und die ist gute 40 Meilen weg", mischte ich mich schnell ein. Ich wollte auf keinen Fall, das meine Eltern davon wussten.Sein Rücken versperrte mir den Blick auf diejenige mit der er gerade redete. "Soll ich sie nach Hause bringen?", fragte die unbekannte Stimme, die wie Musik in meinen Ohren war. Sanft und auf einer angenehmen Tonlage. Absolut entspannend. Mein Herz blieb einen Moment lang stehen."Hast du keinen Unterricht?", hackte er nach. "Nein". Ist sie eine Schülerin? Eine Neue? Ich kannte sie nicht, ich konnte ihre Stimme nicht zu ordnen. Vielleicht war sie ja erst vor kurzem hier hergezogen. Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf und der Schwindel setzte wieder ein.Mr.Parker runzelte sie Stirn. "Wäre das okay für dich?", fragte er und drehte sich in meine Richtung. "Das ist mir sowas von egal, ich will nur noch ins Bett.", gestand ich und senkte die Lider. "Ist das kein Problem für dich?", fragte er nochmal bei der Fremden mit der melodischen Stimme nach. Andscheinden musste die den Kopf schütteln, denn es blieb still.Und ehe ich mich versah, hatte mich Mr. Parker ins Auto der Unbekannten getragen. Das war das unnötigste, was jemand je für mich getan hatte, doch ich war froh nicht laufen zu müssen. Draußen war es schon ziemlich kühl, für einen Vormittag.Im Auto hatte er mich dann auf den Beifahrer gesetzt und war kurz davor mich auch noch anzuschnallen. "Ich glaube, ich kann das noch allein.", versicherte ich ihm. "Na schön, dann Ruh' dich gut aus", sagte er sanfter. Ich nickte nur. Als er dann endlich die Tür zumachte, atme ich durch. Das war ein bisschen viel Nähe. Auch wenn er ganz gut roch, wollte ich jetzt nicht unbedingt einem Lehrer zu nahekommen. Das hätte ziemlich schlimme Konsequenzen für beide.Ich schloss die Augen und ließ meinen Kopf gegen die Scheibe sinken.Ich fühlte mich wie erschlagen.Ein paar Sonnenstrahlen treffen auf meine blasse Haut und schenken ihr ein bisschen Wärme. Für Ende September war es noch schön warm. Ein kleiner Trost für diesen ziemlich beschissenen Tag.Neben mir stieg die Unbekannte ein und starte den Motor. Er war leise und hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Die ganze Fahrt über sagte sie kein Wort. Aus dem Radio ertönte nur ganz leise ein Lied mit einer bekannten Melodie. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Aber sonst war es still und die Stille tat unglaublich gut.Als sie in die Einfahrt einbog, schlug ich langsam wieder die Augen auf. Ich machte mir gar nicht die Mühe, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie sie den Weg zu mir nach Hause so gut kannte. Das wäre zu viel Geistiger aufwand gewesen. Mit einer zittrigen Hand schnallte ich mich ab und öffnete die Tür. Total neben der Spur blinzelte ich in das helle Sonnenlicht, das mich blendete. Leider war ich nicht Herr über meine Glieder und stolperte fast aus dem Auto. Doch mich fing jemand auf. Mit erschrockenen Augen sah mich Unbekannte an. Und zum ersten Mal sah ich ihr Gesicht richtige. Sie war schöner als alles das ich je gesehen hatte. Ich starrte sie an und sie starrte zurück. Es kam mir vor als würden wir uns eine Ewigkeit lang anstarren. Doch es war keine Spur unangenehm, im Gegenteil. Am liebsten hätte ich sie für den Rest meines Lebens angestarrt.Aber sie tat mir den Gefallen nicht und löste sich leider aus der Starre und stütze mich bis zur Haustür. Ihre warme Hand auf dem Rücken zu spüren, bereitete mir eine Gänsehaut. Was war denn nur los mit mir? Es ist doch nur eine Hand, mehr nicht!Mit zittrigen Fingern zog ich den Haustürschlüssel aus meiner Hosentasche und versuchte das Schlüsselloch zu treffen. Nach ein paar vergeblichen versuchen nahm sie ihn mir aus der Hand und sperrte auf. Ich kam mir vor als hätte ich 2 Promille intus. Und dabei ich hatte noch nie einen Tropfen Alkohol zu mir genommen. Orientierungslos wanderten meine Augen herum. Dann erkannte ich alles wieder und steuerte auf die Treppe zu und stolperte über die erste Stufe nach oben. Und wieder fing sie mich auf. Schweigend legte sieden Arm um mich und ging langsam die Stufen hoch. Währenddessen konnte ich ihren Geruch einatmen. Er war sanft. Blumig. Als würde man im Schein der Abendsonne über eine Blumenwiese gehen. Es faszinierte mich. Wie konnte man nur so riechen? Es war so unglaublich das mein Kopf einfach nicht realisierte, was gerade geschah.Als würde sie wissen, wo mein Zimmer war, öffnet sie genau die richtige Tür. Behutsam legte sie mich auf mein Bett und zog mir die Schuhe aus. Die alten, schwarzen Converse legte sie am Fußende auf den Boden. Sofort zog ich die Füße an und schlang die Arme darum. Fürsorglich strich sie mir ein paar blonde Strähnen aus der Stirn."Ruh dich aus.", sagte sie leise und ging. "Wir sehen uns morgen. Wahrscheinlich.". Ich hörte noch wie das Auto aus der Einfahrt fuhr als ich einschlief. Das würde ich sicher nicht mehr so schnell vergessen.


Miss JacksonWhere stories live. Discover now