I'm a puppet on your string

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Ich erwachte aus einem traumlosen Schlaf. Müde gähnte ich und streckte mich. Das helle, weiße Licht brach durch meine Fenster ins Schlafzimmer. Ich kramte nach meinem Handy, das zwischen den Kissen lag und sah auf die Uhr.
7:52. Samstag, 1. Dezember.
Ich atmete tief durch. Ich war schon wieder aufgewacht. Verdammt. Lustlos zog ich die Decke von meinen Beinen weg und stand auf. Neben dem Bett fand ich ein Paar Wollsocken, die ich anzog und dann in die Küche tapste. Gedankenverloren machte ich mir Kaffee. Dabei fiel mein Blick hinaus in den Garten. Kleine, weiße Flocken fielen vom grauen Himmel und bedeckten das Gras. Ich mochte Schnee eigentlich, doch momentan brachte mich nichts mehr zum Lächeln. Niemand und gar nichts. Liza versuchte es immer wieder doch sie scheiterte jedes Mal. Meistens brach ich dann eher in Tränen aus.

Ich kannte das Gefühl der Trauer. Es war nichts Neues für mich. Ich hatte um alles schon getrauert. Um Menschen, um Dinge, um Zeiten. Der immer währende Schmerz war ein alter Freund. Oftmals hatte ich keinen Antrieb mehr weiterzumachen und wollte einfach aufgeben, doch das Universum wollte mich einfach nicht gehen lassen. Es war wie ein Fluch nicht sterben zu dürfen. Um es kurz zu sagen, die Trauer um Lucy war das schlimmste, was ich durch Machen musste. Es fühlte sich an als würde man mir im Sekunden Takt das Herz herausreißen. Und das war noch schön ausgedrückt.
Doch es wäre noch schlimmer gewesen, hätte ich nicht Liza oder meinen Dad gehabt. Auf meine Mum konnte ich gar nicht zählen. Die hatte sich vor acht Wochen einen Deal in New York geangelt und arbeitete dort für das nächste halbe Jahr. Sie hatte kein einiges Mal angerufen. Sie wusste von gar nichts. Von Jace hatte ich seit der Feier nichts mehr gehört. Die Erinnerung an das, was wir drei hatten, war schmerzhaft.

Plötzlich riss mich die Klingel aus den Gedanken. Erschrocken riss ich den Kopf hoch und sah Richtung Tür. Erst als ich realisiert hatte das jemand an der Tür stand, bewegte ich mich. Der Weg kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Wie in Zeitlupe bewegte ich mich auf die Haustür zu. Mein Herz klopfte laut gegen meine Brust. Eigentlich müsste es das normalste der Welt sein, die Tür zu öffnen, doch es war nichts mehr normal.
Als ich die Hand auf den Türknauf legte war ich mit den Nerven am Ende.
Doch als ich sah, wer uns besuchte machte mein Herz einen Satz. Es war Lucys Mum.
"Hallo Grace", sagte sie leise. "Hi", stotterte ich. Aus ihren Augen war jeglicher Glanz verschwunden. "Wir müssen heute Abend was besprechen. Ich würde mich freuen wenn du und dein Dad, vorbeikommen könntet", erklärte sie mir und atmete sichtlich schwer aus. Ich nickte langsam. "Okay".
"Um acht?", fragte sie und ich nickte wieder. Wieder atmete sie aus. "Okay bis dann, schätze ich", sagte ich leise und wieder nickte sie. "Bye". Stumm sah ich zu wie sie zum Auto ging und davon fuhr. Dann schloss ich die Tür wieder und ging zurück in die Küche. Als ich mich hinsetzte hörte ich wie mein Dad die alte Holztreppe runterkam. "Ich wusste nicht, das du schon wach bist", sagte er und lächelte, als er sich einen Kaffe machte. "Konnte nicht mehr schlafen", meinte ich und umklammerte meine Tasse. "Stört es dich wenn ich wieder hochgehe?", fragte ich dann in die kurze Stille hinein. Er schüttelte den Kopf. "Okay". Langsam erhob ich mich und ging mit der Tasse in mein Zimmer. Unsicher, was ich jetzt machen sollte, blieb ich in der Mitte einfach stehen und ließ den Blick schweifen. Ich blieb an meinem verstaubten Klavier hängen. Seit dem Tag als ich sie verloren hatte, war ich nicht mehr in der Lage, auch nur eine Taste oder Seite eines Instruments zu bewegen. Es ging einfach nicht.

Lautlos stellte ich meine Tasse ab und klappte den Deckel hoch. Es fühlte sich merkwürdig an. Auf dem Klavier darauf lag mein Songwriting Notizbuch. Ich nahm es in die Hand und strich den Staub runter. Es war ein Geschenk von Lucy zum 15. Geburtstag gewesen. In das schwarze Leder war "Songs" in Silber gedruckte und am auf dem Buchrücken stand das Gleiche mit meinem Namen. Langsam öffnete ich es und sah ihre Handschrift. Ich zwang mich weiterzublättern und das ohne eine Träne zu vergießen. Ich fand die ersten Versuche von eigenen Songs. Es waren viele lose Zettel drin, auf denen ich kleine Sätze und Zitate standen. Oftmals waren es auch Kassenzettel, deren Aufdruck schon verblasste. Doch auf der Rückseite standen Textfetzen in meiner kleinen Handschrift. Ich kämpfte mit den Tränen. Plötzlich schlug ich es zu und der Staub wirbelte um mich herum. Das Notizbuch legte ich auf meinen Schoß. Dann schlug ich meine Finger förmlich in das abgewetzte Holz. Dabei rannen mir Tränen über die Wangen und fielen auf das Holz. Ich spielte einfach so vor mich hin und versuchte nicht zu denken. Ich wollte mir einprägen was ich spielte, es sollte sich bei mir einbrennen.

Miss JacksonWhere stories live. Discover now