Do you know whats worth fighting for?

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Die Stille war erdrückend. Nichts regte sich, man hörte nicht einmal das Ticken der Uhren. Das beklemmende Gefühl der Einsamkeit kroch über meinen Rücken hinauf und setzte sich an den Schultern fest.
Stumm starrte ich Löcher in die Luft und kämpfte mit den Tränen. Eine Woche war es her. Sieben Tage ohne sie.
Jace neben mir drückte meine Hand etwas fester. Er weinte stumm. Die Tränen liefen über seine getöteten Wangen.
Nach einer quälend langen Minute erhob sich jemand von seinem Stuhl und trat aus der Schwarzen Menge hervor. Langsam ging er ans Redner Pult und räusperte sich.
"Sehr geehrte Trauergäste", setzte er an und schluckte. Es war Mister Miller der zweite Direktor.
"Sieben Tage sind vergangen, seit dem tragischen Unglück an unserer Schule. Jeder hat dabei etwas verloren", sagte er angestrengt. Er hatte seine Frau verloren, die von ihm Schwanger gewesen war. Man konnte jede einzelne Träne sehen, die sich in seinen Augen bildeten und wie seine Lippen zitterten, bei dem Gedanken an seinen Verlust. Ich konnte es gut nachvollziehen, was er fühlte. Nämlich gar nichts. Es war eine Leere in uns allen. Ein großes Schwarzes Loch, das an dem Platz lag, wo früher ein Herz geschlagen hatte.

Jace drückte meine Hand so stark, das sie schmerzte. Er zitterte am ganzen Körper. Beruhigen strich ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken.
Mit jedem Wort das Mister Miller sprach, zitterte seine Stimme immer mehr. Nach 4 Sätzen brach er in Tränen aus. Mit bebender Stimme entschuldigte er sich.
Ohne lange zu warten, stand ich auf und ging langsam auf den Schwarzen Flügel zu der schräg gegenüber dem Schwarzen Haufen an Menschen stand. Wie in Zeitlupe setzte ich mich auf den Hocker und legte die blassen Finger auf die Tasten. Mit nassen Augen starrte ich kurz auf das weiße Holz und drückte dann zärtlich die Tasten, bis leise die Töne erklangen.
Mit der leisen Melodie, die ich im Hintergrund spielte, konnte Miller weiter sprechen. Es war wie etwas das ihn an der Hand nahm und durch den Text führte.
"Wir betrauern heute den Verlust geliebter Menschen. Unter den Opfer sind...", begann er doch ich hörte nicht mehr zu, ich konnte es nicht ertragen ihren Namen zu hören.
"... Jocelyn Moor und Lucy Freeman", zählte er auf. Bei ihrem Namen gab es mir einen solch schmerzenden Stich ins Herz. Doch ich spielte tapfer weiter.

Als das Lied zu Ende ist bleibe ich regungslos sitzen und versuche kontrolliert zu atmen. Auf wackeligen Beinen setzte sich Mister Miller wieder auf seinen Platz. Dann war es still. Für ein paar Minuten war es totenstill im Saal. Bis plötzlich die Tür aufging. Ich sah nicht auf, sondern starrte weiter auf die Tasten. Nicht einmal als jemand etwas hinter mir abstellte. Ich rührte mich einfach nicht. Ich war aus lauter Traurigkeit wie gelähmt. Doch ich lauschte. Es hörte sich an als würde jemand etwas aufbauen. Erst als mir jemand auf die Schulter tippte, drehte ich den Kopf.

Es war Mister Austen. Mit einem schwachen Lächeln hielt er mir die Gitarre hin. In der anderen Hand hielt er die Noten zu 21 Guns. Ich schluckte. Das Lied hatten wir kein einziges Mal geprobt. Er nickte mir zu als ich zögerlich nach dem Hals der Gitarre griff. Hinter ihm standen die Lehrer, die noch übrig waren. Und die imstande waren etwas zu tun. Alle sahen mich erwartungsvoll an, als ich mir den schwarzen Gurt in die Schulter legte. Ganz leicht nickte ich und sah wie sich Mister Jones ans Schlagzeug setzte und Mrs. Martin den Bass griff. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich war noch nie so unsicher gewesen, wenn es um Musik ging.

Ich atmete durch und fing an zu spielen. Und sobald ich meine Stimme zum Singen erhob, war es als würde man mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Ich sah Lucy auf meinem Platz sitzen, wie sie mir zu lächelte und winkte. Dabei kamen noch mehr Tränen hervor. Ich wusste das ich es mir nur einbilden konnte. Doch es tat weh sie so glücklich zu sehen, während ich so leiden musste.

Trotz den Schmerzen, die meinem Geist quälten, spielte ich, wie ich noch nie gespielt hatte. Alle Gefühle brachen aus mir heraus, wie aus einem Wasserfall. Ich fühlte mich irgendwie befreit. Ich vergaß alle Umstände und lebte mit der Musik wieder auf. Man könnte fast meinen ich schrie mir alles von der Seele. Alles was mich die letzten Tage und Stunden innerlich zerfetzt hatte, wurde durch die Musik wieder gerichtet. Dennoch weinte ich die ganze Zeit. Sturzbachartig flossen Tränen über meine geröteten Wangen.

Als ich wieder zu meinem Platz sah, nickte Lucy mir zu. Sie lächelte wissend und nickte einfach nur. Und im nächsten Augenblick war sie verschwunden. Mein Platzt wieder leer und ich sah zu Jace. Er weinte wahrscheinlich noch mehr wie ich. Auch wenn er es nie zu gegeben hatte, hatte er sie über alles geliebt. Immer wenn er von ihr gesprochen hatte, begannen seine Augen zu leuchten und er wurde rot. Doch jetzt waren seine Augen voller Kummer und Leid. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als das ich ihm diese Schmerzen abnehmen könnte. Auch, wenn es mich zerstört hätte.

Als das Lied vorbei war, blieb es still. Doch dann brandete eine Welle von Applaus auf. Fast jeder Weinte. Überall sah man Menschen die Tränen wegwischen und Klatschen. Mir wurde es zu viel. Ich drückte Mr. Austen die Gitarre in die Hand und lief so schnell ich konnte nach draußen. Es fühlte sich so an als müsste ich ersticken. Draußen angekommen fiel ich auf dem Stück Wiese vor dem Rathaus auf die Knie. Schluchzend fuhr ich mir durch die Haare. Die Leere in mir begann mich langsam aufzufressen. Unkontrolliert schnappte ich nach Luft und warf den Kopf in den Nacken. Über mir verdunkelte sich der Himmel und nach ein paar Minuten fielen schwere Regentropfen auf mich herab. Ein eisiger Wind pfiff um mich herum.

"Grace?", hörte ich eine vertraute Stimme. Es war Jace. Ich stand langsam auf und drehte mich zu ihm um. Mit seinen verweinten Augen sah er mich durch den Regen hindurch an. Er trat unter dem Vordach hervor und innerhalb ein paar Sekunden war er komplett durchnässt. Schnell kam er auf mich zu. Zärtlich legte er eine Hände an meine Wangen und sah mir in die grauen Augen. Schneller als ich ausatmen konnte, lagen seine Lippen auf meinen und es gab mir einen heftigen Stich ins Herz. Nachdem ich realisiert hatte, was gerade passierte drückte ich ihn zuerst leicht und dann mit immer mehr Kraft weg. Überrascht sah er mich an. "Grace, ich liebe dich", sagte er aufrichtig. Doch ich schüttelte den Kopf. "Nein, das tust du nicht", wieder sprach ich und nahm seine Hände von meinem Gesicht weg. Dann ging ich von ihm Weg. Unterm Vordach wartete Liza. Ausdruckslos sah sie mich an. "Es tut mir leid", hauchte ich. Sie nickte knapp und brachte mich zum Auto. Ich war total erschlagen von allem was passiert war. In einer alten Decke eingewickelt sahs ich zitternd im Auto und sagte kein Wort.

Erst als wir vor meiner Haustür standen begann ich wieder zu reden. "Bring mich weg von hier", sagte ich leise als sie mich kurz musterte. Ihre Augen weiteten sich kurz. "Ich ersticke hier". Ich wollte nur noch weg von hier. Weg von Custer, weg vom Redwood Mountain, weg von allem das mich an sie erinnerte. Liza nickte und zog mich in ihre Arme. "Liza ich kann nicht mehr atmen, hörst du?", sagte ich mit weinerlicher Stimme.
"Ich weiß", meinte sie und strich über meine nassen Haare. Nach ein paar Augenblicken ließ sie mich wieder los und sah mir in die Augen. "Ich liebe dich, Grace. Mehr als alles andere", sagte sie voller ernst und wischte meine Tränen weg. Dabei ließ sie den Blick nicht von meinen Augen.
"Und ich werde mit dir überall hin gehen. Wenn's sein muss zieh ich mit dir auf den Mond", sagte sie weiter. Ich schloss die Augen und legte meine Stirn gegen ihre.
Wir verharrten ein paar Minuten so. Dann löste sie sich von mir und ging mit mir rein. Sie schickte mich duschen. Ich hatte noch nie so lange gebraucht um zu duschen. Geschlagene zehn Minuten brauchte ich um aus meinen Klamotten zu kommen. Dann ließ ich bestimmt 20 Minuten einfach das Wasser über meinen Körper laufen. Als das warme Wasser alle war, drehte ich den Hahn zu und wickelte mich in eine Handtuch. Lustlos trocknete ich meine Haare ab und suchte mir in meinem Zimmer etwas zum Anziehen. Ich fand einen alten Hoodie und eine gammlige Hose. Angezogen legte ich mich ins Bett und rollte mich in meine Decke ein. Müde blinzelte ich in das düstere Licht.
Wenig später kam Liza herein und setzte sich zu mir aufs Bett. "Grace, ich hab mit deinem Vater geredet", setzte sie an und strich über meine Haare.
"Er hat eingewilligt mich, als deinen Vormund eintragen zu lassen. Wir können gehen". Sofort setzte ich mich auf und sah sie an. Liza nahm mich in ihre Arme. "Wir können ein neues Leben anfangen".

Well. Nachdem sich die Kommentare unter dem letzten Kapitel gehäuft haben und ihr mir alle übelst auf die Nerven gegangen seit, hab ich beschlossen ich erlöse euch von eurem Leid. Ich hoffe es hat euch gefallen.
Und rastet bitte nicht mehr so aus, vertraut mir bitte, das wird alles wieder.

LG Todeskind 🌺😘

Miss JacksonWhere stories live. Discover now