Can't get with me, now I'm grown

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Er sah überrascht aus. Aber nicht unangenehm. Langsam ging er auf mich zu. Seine braunen Augen fixierten meine und spiegelte seine Freude wieder. Langsam bildeten sich Tränen in meinem Augen. Ich war so überfordert mit der ganzen Situation das einfach alle Gefühle aus mir rauskamen. Als er seine Hände um meine Wangen schloss konnte ich nicht mehr und schluchzte auf. "Ich hab dich gefunden", brachte ich unverständlich heraus. Auch aus seinen Augen flossen Tränen. Langsam legte er seine Stirn an meine. Es war ein sehr intimer Moment. 14 Jahre hatte ich ihn nicht mehr gesehen und er sah genau so aus wie ich ihn mir immer vorgestellt hatte. Er war wie Dad, hatte aber Moms Haare, genau wie ich.
Es war ein solcher Zufall gewesen, dass ich ihn gefunden hatte, ausgerechnet hier, in New Orleans.
Ich zitterte am ganzen Körper vor Aufregung als er mich wieder losließ. Sein Gesicht war von Tränen überströmt, doch er lächelte mich strahlend an.

"Seraphine, sag alle Termin für heute ab und geh dann nach Hause. Meine Schwester ist da!", verkündete er und nahm mich an der Hand. Es fühlte sich wunderbar an. Ungeduldig zog er mich mit in ein angrenzendes Zimmer, in dem eine braune Sitzgruppe aus altem Leder stand. An den Wänden hingen wieder diese schrecklichen Gemälde. Sobald wir auf einem Sofa saßen, löcherte er mich mit Fragen. "Wie geht es dir? Wie gehts Dad? Hast schon den Abschluss geschrieben? Was machst du hier in New Orleans?". Ich atmete erst einmal durch, bevor ich unter Tränen begann, meine Lebensgeschichte zu erzählen. Die ganze Zeit ließ er mich reden, ohne auch nur ein Wort dazwischen zu sagen. Ich berichtet von den Jahren, in denen er nicht in Custer war und von den Vorfällen. Auch von Liza erzählte ich ihm, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Im Ganzen hatte ich bestimmt zwei stunden nur geredet. 

"Und jetzt habe ich dich gefunden", beendete ich meine Geschichte. Er sah sichtlich geplättet aus. "Ich hätte nie gedacht dass in 17 Jahren so viel passieren kann und dann auch noch so viel Scheiße", bemerkte er und nahm meine Hand. "Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich dich nicht retten konnte. Erhlich. Ich habe jeden Tag an dich gedacht und gehofft das es dir gut geht. Aber ich konnte nicht zurück nach Custer. Ich hatte zu viel Angst vor Mom". Ethan sah mich mit traurigen Augen an. "Wenn ich ehrlich bin wundert es mich das du überhaupt noch lebst, nach alledem was passiert ist". Ich schluckte. "Ja das Wundert mich auch", murmelte ich. "Weißt du wo Jackson ist?", fragte ich dann und dachte an den Jungen aus dem Café. Er lachte auf. "Jackson, ist genau so wie Dad. Eins zu eins, der gleiche ruhige Typ. Er arbeitet in einem kleinen Café, nach der Schule. Es ist ein paar Straßen weiter". Mein Verdacht hatte sich also bestätigt. "Ich hab ihn schon geseh, er hat mich aber nicht erkannt", ergänzte ich. "Wie denn auch, er war ein Baby, als ihr euch das letzte mal gesehen habt. Ich lächelte halbherzig. "Ich habe euch vermisst. Sehr sogar. Auch, wenn ich mich nicht erinnern konnte. Mom und Dad haben sogar einen Grabstein für Jackson am Friedhof". Er nickte langsam. "Das Gift der Narzisse wirkt langsam und betäubend", murmelte er leise und ließ den Blick sinken. Langsam nickte ich und wischte mir mit einer freien Hand die Wangen trocken. 

"Und du bist jetzt nach New Orleans gezogen", sagte er mehr zu sich selbst und schüttelte den Kopf. "Ja, wir brauchten eine dramatische Veränderung", meinte ich und ließ mich zurücksinken. "Wie kommt man darauf Psychologe zu werden?". Verwundert über meine Frage zog er die Augenbrauen hoch. "Nachdem was mir mit Mom passiert ist, wollte ich anderen Helfen. Also habe ich neben der High School gearbeitet, um mir mein Studium zu finanzieren. Ich bin dann mit Jackson von Philadelphia nach Massachusetts gegangen, um in Harvard zu studieren", erklärte er mir ganz lässig. Harvard. Wow. "Wie hast du das denn geschafft?". Er sah mir wieder in die Augen. "Ich habe eigentlich immer gearbeitet wenn ich nicht gerade gelernt haben und um Jackson haben sich immer andere Studenten sehr gerne gekümmert. Er konnte damals erst Laufen". Es war schon krass, was wir beide durchgemacht haben. Es hörte sich alles so surreal an, was er mir erzählte. Wie konnte man mit 19 auf ein Kleinkind aufpassen, an einer Elite Uni studieren und auch noch arbeiten gehen? Verblüfft musterte ich ihn. Für 27 sah er ziemlich alt aus. Und auch ziemlich müde. "Es war aber eine schöne Zeit gewesen, auch wenn es ein bisschen Stressig war", meinte er lässig und stand auf. "Hast du hunger?". Mit dem ganzen Stress hatte ich ganz meinen Hunger vergessen. "Etwas", gestand ich und suchte nach meinem Handy. Liza würde mich köpfen, wenn ich mich nicht meldete. Und genau, das war der Fall gewesen. Ich hatte mich fast drei Stunden nicht mehr gemeldet. 20 verpasste Anrufe, unzählige Nachrichten. "Sie wird mich töten", flüsterte ich und steckte das Telefon weg. Geschäftig ging Ethan um das Sofa herum und nahm seinen Mantel vom Ständer. "Wie verliebt man sich in eine Lehrerin?", fragte er dann und hielt mir die Tür auf. "Das kann schon mal passieren", sagte ich locker und grinste. Gemeinsam gingen wir, nach dem Ethan abgeschlossen hatte, die Treppe runter und raus auf die Straße. "Ich muss Liza schnell anrufen, die legt sonst noch ein Ei!".
Schnell kramte ich mein Telefon heraus und wählte ihre Nummer. Dabei hakte ich mich bei meinem Bruder ein und ließ mich von ihm führen.
"Grace! Geht es dir gut? Gott, ich habe mir solche Sorgen gemacht", redete sie schnell dahin. "Liza ich hab ihn gefunden", sagte ich und musste sofort Grinsen. "Was, wen?", dann schwante ihr wen ich meinte. "Wo bist du gerade?".
"Wo gehn wir hin?", fragte ich Ethan. "Three Muses". Ich gab das Gesagte Weiter. "Wir treffen uns dort", sagte ich und steckte das Handy weg. "Jetzt lern ich deine Freundin auch gleich kennen, wenn ich das gewusst hätte, wäre mein Outfit heute anders ausgefallen", meinte er lachend. "Ach Ethan". Ich lachte mit und wir gingen die Frenchman Street entlang.

Miss JacksonWhere stories live. Discover now