Kapitel 42

205 11 3
                                    

Draußen frischte der Wind auf. Scharen von Blättern flogen über das Gras und erhoben sich teilweise zu einem Tanz in der Luft. Meine Finger lagen auf der hölzernen Veranda und spürten das trockene Holz unter den Fingerkuppen. Ich bemerkte, dass sich einige Blätter bereits in ein herbstliches Gewand warfen. Oder kam mir das nur so vor?

Der Wind ließ meine Haare um mein Gesicht fliegen und hinterließ auf Wangen und Hals ein sanftes Kitzeln. Ich zog meine Jacke enger zusammen und hoffte, so dem kühlen Schauer entgegen zu wirken. Ich sah Sabine, wie besprochen, auf dem Trainingsplatz warten. Blake war bei ihr und sie schienen sich gut zu verstehen. Ich verspürte nicht wirklich Lust, zu den beiden rüber zu gehen. Also stützte ich meine Ellbogen auf die Umzäunung der Veranda und beobachtete das auffrischende Wetter.

'Verdammter Akaryon', dachte ich. 'Könnte er seine Spielchen nicht mit einem anderen Rudel spielen?'

Rifea regte sich in mir, und es fühlte sich immer so an als würde sie aus dem Schlaf erwachen. 'Dann wird es Zeit das wir ebenfalls Spielchen spielen. Oder das wir nicht mit uns spielen lassen.'

Ich seufzte. 'Ja, einem anderen Rudel würde ich das ebenfalls nicht wünschen. Wir müssen dem Ganzen ein Ende setzen.'

'Das versucht unser Seelenverwandter ja', sagte Rifea solidarisch.

Ich verlagerte meinen Stand auf die Hacken. "Ja, aber ist das der richtige Weg? Oder spricht da aus mir die Verzweiflung darüber, dass er uns für eine Weile verlassen muss?'

'Das Zweite wird es sein. Und den richtigen Weg wird man hier erst im Nachhinein sehen... Damion hat Recht. Du erwartest zu viel von dir - und zwar, dass du in die Zukunft schauen kannst. Wir sind zwar echt legendär...', sagte sie mit Schalk in der Stimme. '... aber auch wir können nicht alles.'

Ich schmunzelte und spürte, dass das Gespräch mit Rifea meine Laune schon gebessert hatte. 'Damion konnte schon 50 Jahre ohne uns überleben und Akaryon wird nicht der erste Alpha sein, der ihn bedroht hat', sagte ich zu Rifea.

'Nur jetzt kann er nicht mehr ohne uns überleben, und deswegen wird er sich nicht unnötig in Gefahr begeben. Da kannst du dir sicher sein. Für ihn fühlt es sich genauso an wie für dich, wenn er weg ist. Und dann summiere nochmals die 50 Jahre drauf, die er schon gewartet hat?'

Jetzt müsste ich wirklich prusten. 'Du meinst, selbst als Baby hat er schon auf mich gewartet?'

Rifea konnte nicht ernst bleiben, wenn ich mich amüsierte, aber auch so fand sie diese Frage sehr witzig. 'Nun ja, vielleicht nur 35 Jahre....'

Ich verdrehte die Augen.

'Ehrlich mal, Leandra', sagte Rifea. 'Denk doch mal nach. Ich weiß zwar nichts über deine Gabe, weil sie nicht zu den klassischen Kenntnissen eines Werwolfes gehört und ich dazu somit kein uraltes Wissen habe ... aber seit du das erste und einzige Mal geheult hast, haben sich alle Werwölfe in Reichweite verwandelt. Und als du es mit Damion gemacht hast, hat er bedingungslos deine Befehlen erfüllt. Was, wenn das mit jedem Werwolf geht?'

Ich setzte mich auf die Veranda und ließ die Beine baumeln. Und schwieg dann eine Weile, aber Rifea unterbrach mich bei meinem Nachdenken nicht. 'Könnte das nicht wirklich gefährlich werden, wenn das der Falsche erfährt?'

'Was meinst du, warum Damion will, dass du die Gabe nicht den Falschen zeigst?'

'Was genau weiß unser Rudel denn?'

Ich schreckte hoch als sich neben mir was bewegte. Ich fuhr herum und schaute an Damions attraktiven Beinen hoch zu seinem Gesicht. Meine Wangen glühten.

'Hey!', sagte er mit einer sexy Stimme. 'Schwänzt du dein Training?'

Mein Blick fuhr zu Sabine und Blake, die immer noch mit sich selbst beschäftigt waren. Sabine und ich hatten ja keine Uhrzeit abgemacht und der Nachmittag war noch lang.

Wolf's Heart - Finding Destiny (Majesty Award 2019, Wattys Longlist 2018)Where stories live. Discover now