Kapitel 51

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'Von meiner aufgesprungenen und schmerzenden Lippe tropfte Blut. Ich konnte dem instinktiven Wunsch, es abzuwischen, nicht folgen - meine Hände waren an der Lehne des Stuhles hinter meinem Rücken gefesselt. Viel bewegen konnte ich mich nicht. Ich knirschte wütend mit den Zähnen, versuchte mir meine Verärgerung aber nicht anmerken zu lassen.

Auch meine Arme wiesen sicherlich einige blaue Flecke auf sowie einige schmerzhafte Schnitte, die aber nicht tief gingen und daher nicht schlimm waren. Der Schmerz war im Gesamten gut auszuhalten, nur nervig.

"Akaryon, hast du endlich genug deine Macht an mir demonstriert?", fragte ich und konnte den abfälligen und höhnischen Unterton nur mit Mühe zurückhalten. Sicherlich war er herauszuhören. Ich hatte es schließlich Leandra versprochen, wieder heile heimzukommen. Das sagte ich mir wieder und wieder, aber dennoch konnte ich mir den anschließenden Satz nicht verkneifen: "Beziehungsweise ... demonstrieren lassen?"

Troyas kam wieder grinsend auf mich zu und schlug kräftig zu. Ich ächzte, als mein Kopf und mein Nacken protestierten, weil der Schwung zur Seite schnell und unangenehm war. Einige Blutstropfen flogen durch die Luft und hinterließen ein kleines Muster auf dem Steinboden. Akaryon löste sich nun von der Wand und trat ins Licht, wo sein Gesicht bislang nur im Dunklen gewesen war. Sein Blick war, wie erwartet, kalt und das höhnische Lächeln erreichte seine schwarzen Augen nicht.

"Du musst verstehen, Damion", begann er und vollführte wieder seine langsamen Gestikulierungen, die mich zur Weißglut trieben. "...dass das Verhöhnen von meiner Person bei nichts und niemanden ungestraft bleibt. Ich habe ja einen Ruf zu verlieren!"

Er grinste nun. "Aber morgen reden wir dann - von Alpha zu Alpha. Übrigens, du siehst richtig gut aus. Kamria wird sicher erfreut sein, dich so verschönert zu sehen..."

Ich versuchte mir meinen Hass nicht ansehen zu lassen. Innerlich jedoch stellte ich mir mit aller mir möglichen Fantasie vor, wie ich es alles diesem Arsch heimzahlte. Aber ich schwieg eisern.

"Komm, Troyas!", sagte Akaryon dann, mit einem leicht enttäuschten Unterton, wie mir schien. Troyas folgte ihm und ließ mir nicht mal das Licht an. Aber das machte nichts, denn durch die kleinen Fenster war ausreichend Licht vorhanden, um alles um mich herum erkennen zu können.

Ich rüttelte an den eisernen Fesseln und knurrte wütend. Ein Gefühl erfasste mich plötzlich, jetzt wo Akaryon und Troyas nicht mehr da waren und meine Aufmerksamkeit in Beschlag nahmen. Als würde mich jemand beobachten, nur sah ich niemanden. Mein BLick glitt sehr aufmerksam über das Gerümpel, die verschiedenen Kisten und das alte Motorrad in der Ecke rechts. Nichts, nur das Gefühl blieb.

Schließlich nahm ich meinen Geruchssinn zur Hilfe und atmete mit geschlossenen Augen ein. Ich wusste es sofort. Leandra. Meine Augen schnellten auf und blickten diesmal mit aller Konzentration umher. Sie war nicht zu sehen. Mein Wolf rang mit sich und wollte sofort dem Geruch folgen, aber die Ketten waren weiterhin gleichermaßen unnachgiebig. Ich hingegen verspürte neben der irren Sehnsucht ein klein wenig Skepsis. War das hier eine Falle oder ein Trugschluss, sogar?

"Leandra?", fragte ich in die Stille hinein. Ich vermisste sie so sehr. Ihr Duft schien zu verblassen. Hatte ich ihn mir nur eingebildet? Bitte, geh nicht, flehte ich innerlich zusammen mit meinem Wolf. Ihre braunen, duftenden Haare und ihre blitzenden Augen, ihre Hände wie sie mich berühren ... die Nacht am See, unser Knuddeln .. unser gemeinsames Laufen in Wolfsgestalt ... ihre Hand an meiner Wange, ganz warm ...

"Leandra", flüsterte ich erneut, in die Stille hinein. Aber die Antwort war nur die Stille. Und meine Sehnsucht, die in Verzweiflung umschwang.'

Wolf's Heart - Finding Destiny (Majesty Award 2019, Wattys Longlist 2018)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt