Prolog

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Vor Langeweile und voller schlechter Laune scrolle ich durch Tumblr. Nicht der beste Zeitvertreib, aber immer noch eine gute Ablenkung von den Sexgeräuschen im Nebenzimmer.

Mein Mitbewohner vergnügt sich mit irgendeiner neuen Bekanntschaft, die er in irgendeinem Club aufgegabelt hat. Ich würde meinen kleinen Finger darauf wetten -mein kleiner Finger ist mir sehr wichtig- dass diese Bekanntschaft blonde Haare hat und ein Kleid getragen hat, das sogar für einen Zwerg wie mich zu kurz wäre.
Mein Mitbewohner hat vieles, aber keinen guten Geschmack was Frauen angeht.

"O Gott", ertönt kreischend von einer Frauenstimme. Sogar durch meine Kopfhörer und trotz lauter Musik höre ich das Vergnügen. Zum Glück habe ich den Tag nichts gegessen, sonst würde mir jetzt alles hochkommen. Eigentlich sollten mich die nächtlichen Besuche von Milky nicht mehr stören, aber das tun sie.

Als weiteres Stöhnen und Schmatzen ertönt, gebe ich auf und verlasse mein Zimmer und gehe in die Küche, der weit entfernteste Raum von Milkys Schlafzimmer.

Dort setze ich mich auf ein Stuhl und scrolle weiter. Immer weitere depressiven und hoffnungslosen Texte springen mir ins Auge, die ich um die Uhrzeit nicht lesen sollte. Trotz aller Vernunft lese ich sie durch.

Kennt ihr diese Hoffnungslosigkeit?
Ich spüre sie jeden Tag, in jeder Sekunde. Ich finde keine Gründe mehr morgens aus dem Bett zu kommen, weil der Tag doch sowieso nur Schlechtes bringt.

Ja, Unbekannt, ich kenne das und trotzdem stehe ich jeden Morgen auf in der Hoffnung, dass doch ein Wunder passiert.

Der nächste Text zieht mich in den Bann.

Jede Nacht liege ich bis spät wach, sodass es schon früh ist, wenn ich ins Land der Träume fliege. Jedes Mal wird es später und die Alpträume schlimmer. Viel zu viel Zeit verbringe ich wach, wo mein Kopf Gedanken heraufbeschwört, die ich gar nicht haben will.

Plötzlich steht eine junge Frau vor mir und ich unterdrücke meinen Schrei. Sie hat mich noch nicht mal wahrgenommen, da ihr Blick aufs Handy gerichtet ist. Wie ich erwartet habe, dürr und blond. Lange Beine und genügend Oberweite für zwei Frauen. Und, obwohl sie direkt für mich unten durch ist, muss ich gestehen, dass sie hübsch ist. Wäre ich lesbisch oder ein hetero Mann, würde ich sie vom aussehen her auch gerne bumsen wollen.

Auf einmal fängt sie an zu telefonieren und ich hole die Kopfhörer aus meinem Ohr.

"Hallo Schatz. Mache dir keine Sorgen, ich bin noch mit den Mädels auf der Party. Lange werde ich nicht mehr hier bleiben, es wird langweilig."

Das Mädel für eine Nacht spielt mit ihren Haaren und dreht sich zu mir um. Ich sehe ihren Schreck in ihren Augen und ich winke ihr nur zu und hebe eine Augenbraue. Nicht freundlich, sondern eher provozierend. Gespannt, wie das Gespräch mit ihren Freund weiter geht, lausche ich.

Sie lacht gekünstelt auf. Mir kommt Galle hoch in meinem knurrenden Magen.

"Du, dummerchen, du hörst keine Musik, weil ich draußen stehe und rauche. Muss aber jetzt auch auflegen, ich trinke noch ein Bier und danach komme ich zu dir. Dann gehöre ich ganz alleine nur dir. Ich liebe dich."

Sprachlos starre ich sie an. Jetzt ist sie diejenige, die mich provokant ansieht.

"Habe ich was im Gesicht oder was glotzt du so, du graue Maus?", blafft sie mich an.

Ich habe zwar nichts besseres um drei Uhr morgens zu tun, aber auf ein Wortwechsel mit ihr, habe ich keine Lust. Auf alles andere mehr als mit so einem Püppchen. Und trotzdem kann ich mir den Kommentar nicht verkneifen.

"Außer eine Tonne Schminke hast du nichts im Gesicht.", ich stehe auf und sehe mickrig und hässlich mit meinem zu großen Schlafanzug aus ," und ein Bier bekommst du hier nicht. Vielleicht einen unverdienten Orgasmus, der zu Glücksgefühlen führt, aber sonst nichts."

Schon fast fluchtartig stürzt sie aus der Küche zurück ins Milkys Zimmer, wahrscheinlich um zu petzen wie fies ich bin oder um noch schnell ein Nümmerchen zu machen, bevor es zurück zum "geliebten" Freund geht.

Mein Magen knurrt vor Hunger und vielleicht sollte ich was essen- es wäre definitiv das Richtige, aber da Menschen fast immer das falsche wählen- kämpfe ich gegen mein Hungergefühl. Stattdessen leere ich ein Glas Wasser in einem Zug und stille somit ein wenig meines ordentlichen Apetitts.

Da die Tussi nicht wieder auftaucht und ich keine Lust habe auf eine neue Verunehrung von Gottes Namen, lese ich weiter Tumblr Posts durch. Und diesmal stoße ich auf einen wirklich interessanten.

Einen, der mich Wochen später noch beschäftigen wird.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now