23.

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Viele Menschen sehen, wie du dich gibst.

Für die Meisten scheine ich, eine unnahbare Person zu sein und sogar unfreundlich. Als würde ich mich über andere Menschen stellen, oberflächlich sein und dazu dass ich sehr still bin.

Wenige Menschen wissen, wer du bist.
Für die Wenigsten bin ich eine offene und freundliche Person, die jeden respektiert wie er ist und eigentlich nur Milky kennt meine fünf Minuten Attacken.

~~~

Geschockt verharre ich in der Bewegung. Wer klingelt denn so spät noch? Doch etwa nicht meine Eltern, oder? Das kann einfach nicht sein. Der Angstschweiß steht auf meiner Stirn, während ich das Bad verlasse. Gleichzeitig öffnet sich Milkys Tür, die von ihm nur in Boxershorts geöffnet wird.

"Du erwartest niemanden?", fragt er und ich schüttel den Kopf als Antwort.

Zielstrebig geht er zur Tür und schüchtern folge ich ihm. Das können nur unsere Eltern sein... wir sind am Ende. Mein Gehirn versucht noch irgendwie etwas zu retten, aber es ist so, als säße ich in einer wichtigen Klausur und mir fällt nichts ein.

Milky öffnet die Tür und an seiner angespannten Muskulatur bemerke ich, wie angestrengt er selber ist. Irgendwie beruhigt mich das ein wenig aber vollkommen auch nicht. Da mein Bruder viel größer als ich ist, kann ich nicht erkennen, wer dort an der Tür steht.

"Was möchten Sie hier?", fragt Milky.

Jetzt bin ich völlig verwirrt. Unsere Eltern würde er nicht siezen.

"Ich möchte zu Olivia Moore", entgegnet der Verborgene und augenblicklich erkenne ich seine Stimme.

Es ist Sebastian. Gott sei Dank, aber was möchte er so spät noch von mir?

Mit meiner ganzen Kraft drücke ich Milky weg, sodass ich in Sebastians Blickfeld bin. Auch er sieht am Ende der Nerven aus. Was ist hier nur los?

"Das ist Sebastian", teile ich meinem Bruder mit, damit er sich keine weiteren Sorgen machen muss.

Trotzdem schaut er weiter grimmig. Oh nein, wenn das jetzt eine peinliche "Ich bin der große Bruder"- Szene wird, möchte ich nur das Weite suchen.

"Hey, ist was Wichtiges passiert oder weshalb kommst du so spät vorbei?"

Er bekommt keinen Ton heraus, sondern starrt mich an. Sein Blick ist völlig geschockt und ich bin vollkommen verwirrt. Ich schaue an mir runter, finde aber nichts auffälliges. Noch immer trage ich die Klamotten von meinen Geburtstag und müsste mittlerweile wie ein Puma riechen, aber von dieser Entfernung kann er das nicht merken. Sonst ist alles normal, außer... Mist. Mein blaues Gesicht habe ich total vergessen und nochmal Mist. Jetzt fällt es mir ein, ich habe ihm versprochen, mich bei ihm zu melden und das habe ich nicht getan. Kein Wunder, dass er so geschockt ist.
Mal wieder ist alles auf meinem Mist gewachsen.

"Wenn es für dich in Ordnung ist, Liv, gehe ich jetzt wirklich schlafen", sagt Milky und starrt mich auch an. Das ist zu viel Aufmerksamkeit; prompt werden meine Wangen rot. Das sieht bestimmt lustig aus.

"Ja klar"

Mein Bruder geht und ich bitte Sebastian herein, der noch immer den komischen Blick drauf hat. Wortlos folgt er mir zum Wohnzimmer und wir setzen uns mit einem etwas größeren Abstand auf das Sofa. Kaum zu glauben, dass es noch nicht mal 24 Stunden her ist, dass er sich hier hingelegt hat. Das habe ich auch noch nicht ganz verarbeitet, wann denn auch?

"Es ist wohl das Beste, wenn ich geradeheraus spreche und dich frage, was mit deinem Gesicht passiert ist oder weshalb du dich nicht bei mir gemeldet hast und überhaupt, was heute Morgen passiert ist. Warte, geht's dir gut?", überhäuft er mich mit einer Frage nach der nächsten.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now