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Milky und ich haben gesagt: kompletten Kontaktabbruch.

Mit jedem aus unserem früheren Leben wollten wir nichts mehr zu tun haben, das haben wir mit dem kleinen-Finger-Schwur abgeklärt. Milky wollte den Kontakt mit seinen Freunden am Tag unserer Abreise abbrechen und ich musste das nicht, da ich niemanden hatte. Wir sagten keiner Menschenseele, wo unser Ziel ist, wohin wir wollten, was unsere Pläne waren. Und somit, einen Tag auf den anderen, liefen wir weg.

Es war ein Sonntag. Der 13. August 2015. Unsere Eltern waren bei ihrem wöchentlichen Spaziergang, den mein Stiefvater erzwang und wir saßen in meinem Zimmer. Plötzlich meinte Milky, dass heute der perfekte Tag wäre. 7 Tage nach meinem 18. Geburtstag. Dort hatten wir darüber gesprochen, noch einen Monat zu warten, aber er wollte sofort weg. Somit schrieb er seinen Freunden eine Rundmail, dass es ihm gut ginge und er spontan Lust verspürt, die Welt zu sehen. Jeder packte seinen eigenen Koffer so schnell es geht, wobei meiner so gut wie nichts enthielt. Danach plünderte ich mein erspartes Geld, was auch nicht viel war. Das gleiche macht Milky.

Wir hätten das Geld unserer Eltern stehlen können, aber das wollten wir nicht. Nichts von ihnen wollten wir mitnehmen und wenn es nur Papier gewesen wäre.

Hand in Hand gingen wir zum nächsten Bahnhof und stiegen in den nächst günstigen Zug nach Köln. Viele Stunden Fahrt. Und das erste Gefühl der Freiheit. Und der Sorglosigkeit, dass uns nie jemand aufspürt.

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Ich betätige die Toilettenspülung und wasche mir darauf die Hände. Es ist schön, eine Minute alleine zu sein, nachdem mir Happy Birthday vorgesungenen wurde, Felix sich auf mich geworfen hat, Sebastian sich auch noch beteiligte und Benita vor Lachen kugelnd auf dem Boden lag. Wirklich, sie kugelte sich auf den Boden. Dieses Bild bekomme ich nie wieder aus meinem Kopf.

Bevor ich mich wieder zu den anderen begebe, schaue ich auf mein Handy, das ich aus meiner Hosentasche zücke. Keine neuen Nachrichten...

Sonst schreibt mir Milky zwischendurch, wenn er länger weg ist als nur einen halben Tag. Eigentlich habe ich gar keinen Grund zur Sorge, immerhin ist er ein erwachsener Mann, aber irgendwas ist hier nicht ganz koscher. Dieses Gefühl habe ich, seitdem er mir gesagt hat, dass er ein ganzes Wochenende auf einer Hausparty ist. Zum einen, welche Party dauert ein Wochenende? Dazu hat er mir nicht kundgetan, wo ungefähr die stattfinden wird. Und andere Kleinigkeiten, die sonst immer anders sind. Wahrscheinlich spricht da einfach nur meine Paranoia.

Ich packe mein Handy zurück an Ort und Stelle, dabei sehe ich mich selbst halb im Spiegel, was mich aufschrecken lässt. Jetzt nicht, weil ich so schrecklich bin sondern überraschend anders.

Meine Haare sehen so aus, als hätte ich heftigen Sex gehabt. Jedenfalls stelle ich mir das so vor, dass man da so aussieht. Meine Augen strahlen, wie der hellste Stern am Horizont und meine Wangen wie die reifste Tomate. Und meine Kette schmiegt sich perfekt an mein Schlüsselbein.

Seit langem schaue ich in den Spiegel, ohne irgendwas zu finden was ich total abstoßend finde. Es ist ein gutes Gefühl, sich gut zu finden.

Ich beeile mich ein wenig, weil ich nicht möchte, dass die anderen denken, ich hätte ein großes Geschäft verrichtet. Somit gehe ich auf den Flur, betrete aber nicht das Wohnzimmer, da ich meinen Namen gehört habe.

"...ist sympathisch. Vielleicht ein wenig schüchtern, aber ich finde sie toll", meint Felix, deutlich an seinem Klang der Stimme zu erkennen.

Darauf antwortet jemand etwas für mich unverständliches, was ich etwas Blöd finde.

"Hihi, ich finde sie total süß und niedlich", kichert Benita, was mich zum lächeln bringt.

Leise tapse ich ein paar Schritte zurück, um dann etwas Lauter wieder vorwärts zu gehen und das pfeifend voller Freude.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now