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Ich glaube an Gott.
Sowie an Schicksal, aber auch an den freien Willen.

Als wäre es gestern gewesen, kann ich mich an eine bestimmte Religions Unterrichtsstunde erinnern, die Jahre zurückliegt. Jeder aus der Klasse sollte erzählen, an was er glaubt oder halt auch nicht. Niemand tanzte aus der Reihe, außer ich. Alle meine Mitschüler haben gesagt, dass sie an den bestimmten Gott oder Götter glaubten oder ungläubig sind und somit auf ihre Weise einen Glauben haben.

Und so wie das Schicksal es wollte, war ich als letztes dran eine Erklärung abzugeben und ich brauchte mehr als einen Satz um all das zu erklären.

Ich glaube an einen Gott, aber an keinen, der von der christlichen Bibel beschrieben wurde. Dennoch ist da eine Person, eine höhere Macht die uns erschaffen hat. An die sieben Tage Erschaffungszeit. Aber nicht daran, dass Gott einen Sohn hatte, den die Jungfrau Maria ausgetragen hat. Mal davon abgesehen, dass ich nicht davon überzeugt bin, dass Joseph und Maria nicht gerne mal intim geworden wären. Aber es gibt einen Gott, wie auch immer er sein mag, der im Paradies auf uns aufpasst. Und wenn er einfach nichts tut, wäre es ein besserer Gott, als jemand der seine Hände überall im Spiel hat und uns als Handlanger missbraucht.

Und es gibt Schicksal. Ich stelle mir das menschliche Leben wie ein Buch vor. In dem Moment, wo wir ins Leben kehren, taucht es auf und ist vollgeschrieben mit unserer Lebensgeschichte. Jede Seite ist mit kleinster Schrift bekritzelt. Manche Bücher sind dicker, als andere. Manche Bücher edler und schöner. Andere heruntergekommen. Aber so ist es nun mal, unser Schicksal ist vorgeschrieben und wir können nichts ändern.

Aber trotzdem haben wir noch den freien Willen. Eine eigene Entscheidung zu treffen und meistens ist die kleinste Sache, die Größte. Oder aber, was mein Kopf manchmal zu platzen bringt, dass wir nur denken das wir eine eigene Entscheidung haben und jedenfalls ein bisschen in der Hand haben, wobei das was wir tun doch vorbestimmt ist, weil wir tun was wir tun. Und das unser Schicksal ist, das Gott erschuf; irgendwie.

Und um alles noch rund machen zu wollen, finde ich die griechische Mythologie fasziniert. Wer sagt uns, dass nicht alles an das wir glauben, ob Personen oder wie auch immer, sich jeden Sonntag auf einer Wolke treffen und eine Tasse Kaffee trinken? Sich herzlich über den Untergang der Welt unterhalten und über Netflix Serien plaudern. Dieses Bild in meinem Kopf ist sehr unterhaltsam. Poseidon im Hawaii Hemd gegenüber sitzend einer Frau, die dein Schicksalsbuch in der Hand hält. Daneben der eine Gott, der sich mit Person Schicksal über Jesus unterhält, wie er durch den eigenen Willen (ein Platz weiter rechts) das Meer teilen konnte.

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Ich weiß nicht, wie genau es dazu kam, dass ich ausgerechnet auf diesen Tumblr Post komme.

Vielleicht, weil es Gottes Wille war. Weil es in meinem Schicksalsbuch steht oder weil es meine eigene Entscheidung war, in der Küche sitzen zu bleiben und auf dem Handy zu scrollen. Oder aber auch, wegen meines Newsfeeds, der es so wollte, dass es mir vorgeschlagen wurde.

Jedenfalls spukt es immer noch einen Tag später in meinen Kopf herum.

"Guten Morgen", murmel ich Milky zu, der sehr zerzaust am Küchentisch sitzt. Genau dort, wo ich vor ein paar Stunden Zuflucht gesucht habe.

Seine schwarzen Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab und nur seine Augenringe, unter seinen blauen Augen deuten auf eine schlaflose Nacht. Sein markeloses markantes Gesicht wird von der Sonne angeschien und wieder wird mir bewusst, wie alle Frauen ihm zu Füßen liegen. Da muss ich nicht mal das Klischee erwähnen, dass er durchtrainiert ist und 1.88 m groß ist. Wahrscheinlich würde ich mich auch zu seinen Füßen legen, wenn es nicht das hier und jetzt geben würde.

"Es tut mir leid, Kleine", sagt mein attraktiver Mitbewohner mit seiner rauen Stimme.

Und wahrscheinlich würde ich auch immer ein feuchtes Höschen bekommen in seiner Nähe, wenn ich nicht mit ihm aufgewachsen und er nicht mein Stiefbruder wäre. Aber es ist so wie es ist und das ist definitiv das Beste an der ganzen Sache.

"Wie oft schon gesagt, du musst dich nicht jeden morgen entschuldigen. Es würde mir reichen, wenn dein Besuch nicht so laut wäre oder, dass du nicht jeden 2. Tag sondern jeden 3. eine mit nach Hause schleppst."

Ich nehme eine Tasse Kaffee und setzte mich ihm gegenüber und nehme seine Hand. Im hinteren Teil meines Kopf, bete ich, dass er seine Hände gewaschen hat nach letzter Nacht.

"Ich kann dir nicht verbieten, was und mit wem du es treibst, aber es würde mein Herz ein wenig erwärmen, wenn du ein wenig mehr Niveau an den Tag legst, was deine Bekanntschaften betreffen. Die von letzter Nacht war echt..."

Zur Demonstration tu ich, als müsste ich mich auf meinem Stiefbruder übergeben, was ihn zu einem verwirrten Lächeln bringt.

"Was hat sie denn getan?", fragt Milky mich, dabei sieht er mir in die Augen.

Ich lasse mir viel Zeit um auf seine Frage zu antworten. Zuerst nippe ich an meinem Kaffee und verbrenne mich augenblicklich. Montage sind toll!
Danach spiele ich mit seinem Ring an seinem Finger. Erst, als seine Neugier so hoch ist, wie der Everest Mountain, fange ich an von gestern Nacht zu erzählen.

Nachdenklich schaut er aus dem Fenster, das einen Ausblick von Kölns Innenstadt gibt.

"Das wusste ich nicht, Kleine. Sonst hätte ich es nicht getan, besser gesagt, es nicht mir ihr getan. Nächstes Mal frage ich das Mädchen, wobei, wenn sie mich anlügen ich auch nichts dafür kann, wenn sie in einer Partnerschaft leben."

Ich verkneife mir den spitzen Kommentar auf meinen Lippen, der mir sofort in den Kopf springt. Eine Meinungsverschiedenheit um diese Uhrzeit sollte vermieden werden.

"Ihr Freund wusste, dass etwas nicht stimmt. Das habe ich sogar übers Handy gespürt. Am liebsten würde ich ihn anschreiben und ihm die Wahrheit berichten, dass seine Freundin fremd bumst.", sogar in meinen Ohren klinge ich verbittert und wir beide wissen den Grund, weshalb.

Wahrscheinlich deswegen bleibt Milky still und betrachtet mich weiter durch seine stillen Augen.

"Soll ich dir Frühstück machen? Du hast wieder abgenommen", fragt er nach einer unbestimmte Stille, wo nur die Vögel von draußen zu hören waren.

Eins muss man Milky lassen, direkt ist er und über die Jahre habe ich mir das wohl auch angeeignet. Ein undefinierbares Gefühl breitet sich in meinen Bauch aus, auf die Neuigkeit, dass ich abgenommen habe. Das ist kein Wunder, wenn man so selten isst wie ich. Und trotzdem überrascht es mich, aber stören tut es nicht. Dafür ist meine Appetitlosigkeit zu groß.

"Ich wollte auf der Arbeit...", doch kann ich meine Ausrede noch nicht mal beenden.

"Kleine, ich bin ehrlich zu dir und das verlange ich auch von dir. Ich verachte dich nicht und Ausreden musst du mir nicht auftischen. Ich habe nur nach einen selbstzubereitetten Frühstück von deinem Lieblingsbruder gefragt, mehr nicht. Also, Schwesterherz, soll ich nur ein Ei in die Pfanne werfen oder zwei? Damit meine ich nicht meine eigenen, sondern die von Hühnern", lacht er meinetwegen.

Dafür liebe ich ihn, dass er versucht aus jedem sonst so normalen Satz und Sache ein Scherz machen zu müssen. Weil es mich verdammt aufheitert. Bei jedem anderen Menschen und an jedem anderen Tag hätte ich abgelehnt seine Eier zu essen.

Aber dafür knurrt mein Magen zu sehr und ein Frühstück mit besagtem Lieblingsbruder, würde mich auf andere Gedanken bringen.

Balsam für meine SeeleWhere stories live. Discover now