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Ich sah es nicht kommen. Mein Stiefvater steht in einem Moment bedrohlich vor mir und im Nächsten sehe ich nur etwas Schnelles vorschnellen. Dann liege ich schon aufheulend auf dem Boden, ohne zu wissen was gerade geschieht.

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Man kann Menschen mit den Fäusten weh tun, sowie mit Worten oder anderen Taten. In meinem Fall war es in meinem kurzen Leben beides.

Menschen, die sich prügeln und somit verletzen, geht es nach einer Woche wieder besser. Ihre physischen Schmerzen verheilen schnell.
Menschen, die sich gegenseitig Worte an den Kopf schmeißen, denen geht es nach einer Woche nicht wieder gut. Vielleicht ein ganzes Leben lang nicht. Denn so her gesagte Sätze wie: Nimm doch verdammt nochmal ab, du fetter hässlicher Pottwal. Das kann Leben verändern. Die Psyche wird angegriffen und viele erholen sich nicht mehr davon.

Könnt ihr euch vorstellen, wie sich vergewaltige Frauen fühlen müssen?! Zu einem wegen des körperlichen Schmerzes, wenn der Mann gewaltsam in sie eindringt und dann die Wunden, die unter der Haut entstehen. Es ist unbeschreiblich, was für Leid sie ertragen müssen währenddessen und danach. Aber auch die vergewaltigten Männer, zwar seltener, dennoch gibt es das. Leider wird das oft totgeschwiegen oder auch belächelt. Es heißt, die Männer hätten sich ja wehren können. Aber in welcher Position bist du, um über andere Menschen urteilen zu dürfen? Mann oder Frau, oder Unbestimmt, bei jedem ist das gleich schlimm. Die Welt ist so grausam. Weshalb können wir nicht zueinander lieb und nett sein?

Ich will kein Mitleid von niemandem und gleichzeitig möchte ich die Sache nicht runterreden. Von Twix wurde ich misshandelt, körperlich sowie seelisch. Es verging kein Tag, wo er mich nicht schlecht redet. Mir klar gemacht hat, dass ich ein Nichtsnutz und eine Missgeburt bin und irgendwann fing ich an, es zu glauben. Es vergingen keine zwei Tage, wo er mich nicht zu sich rief und die Hand erhoben hat.

Und jetzt, wo ich auf dem Boden liege und mir die Ohren klingeln, bemerke ich, wie scheiße das Leben mit einem spielen kann. Welche Komplexe ich mit der Zeit entwickelt habe und allgemein spüre ich den Schmerz unendlich. Den Alten und den Neuen. Es ist ein Fiasko.

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"Das hast du davon, Livia. Hast du es immer noch nicht gelernt?!", flüstert er mir fast verständnislos für mich ins Ohr.

Ich spüre nur den teuflischen Schmerz, der von meiner Nase ausgeht und den kalten Boden. Nichts kann ich von mir geben, außer Wimmern.

"Und nun bist du dran uns das Geld zu geben, du bist es uns schuldig. Mein Sohn auch, wenn der mal hier wäre."

Durch die geschlossenen Augen stelle ich mir vor ganz ganz weit weg zu sein. Auf einem anderen Planeten, wo ich die Königin bin und auch die einzige Bewohnerin. Eine ganzer Planet für mich alleine.

Ein Tritt gegen meine Beine folgt, sodass ich auf dem Boden rutsche und mir den Kopf anstoße.

Es soll vorbei sein. Ich habe immer versucht stark zu sein, für Milky, aber es geht nicht mehr. Es geht einfach nicht mehr. Nichtsdestotrotz bin ich noch immer am Leben und das wird sich wahrscheinlich lange nicht ändern. Und auf der einen Seite ist das das Richtige.

Obwohl ich versuche, die Tränen aufzuhalten, laufen sie mir die Wange herunter. Dazu schluchze ich hässlich mit meiner letzten Kraft.

"Bitte gib uns einfach nur das Geld, Olivia. Dann verschwinden wir, mein Kind", sagt Robin gequält.

Fast habe ich vergessen, dass sie hier ist, aber das war auch schon immer so. Sie stand daneben und tat nichts, so wie jetzt auch und das schmerzt mir im Herzen.

"Ach weißt du was, Schatz? Wir suchen uns ein Hotel um dort zu übernachten und kommen Morgen zurück. Aus der Göre bekommen wir heute eh nichts mehr raus."

Balsam für meine SeeleDove le storie prendono vita. Scoprilo ora