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Ich mag den kleinen Planeten Pluto und er hat mein vollstes Mitgefühl, weil er ausgestoßen wurde und das, nur wegen seiner Körpergröße. Das ist unfair. Nur weil man zu klein ist, ausgeschlossen werden. Auch ich bin klein und wurde früher in der Schule ausgeschlossen. Wobei das zwei verschiedene Dinge sind.

Es waren andere Gründe, weshalb ich ausgeschlossen wurde. Weshalb ich keine Freunde hatte und meine Schulzeit zur Qual wurde. Sie sagten mir, ich sei nicht cool genug, würde schäbig aussehen und nicht genug von der Promi Welt wissen.

Ich wusste nicht, was es bedeutet, cool zu sein und hatte keine Ahnung, welcher Promi es mit wem treibt. Und bevor ich Zeitung ausgetragen hatte und so ein wenig Geld verdiente, habe ich kein Geld für Kleidung von meinen Eltern bekommen. Somit hatte ich Milkys getragene Kleidung an.

Ich wurde ausgeschlossen, weil ich so war wie ich bin. Weil ich nicht in die Norm passe. So wie bei Pluto.

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Tage sind vergangen und kein Sebastian ist am Horizont zu sehen. Ich bin enttäuscht und gleichzeitig macht es mir auch nichts aus. Mich hätte es mehr gewundert, wenn er wieder aufgetaucht wäre. Aber anscheinend ist sein Interesse an mir sehr schnell verflogen. Aber er hat bestimmt eine Freundin, ein Kerl wie er muss eine Freundin haben oder einen Freund.

"Elexis, ich bin dann mal weg", verabschiede ich mich.

"Natürlich und feier morgen deinen Geburtstag ausgiebig, Liv.", grinst sie.

Augenrollend gehe ich raus in die pralle Nachmittagssonne. Es ist Anfang August und ich wünsche mir, es wäre Winter. Also, wenn nach diesem höllisch heißen Sommer kein bitterkalter Winter kommt, dann schreibe ich eine Nachricht zum Wettergott. 38 Grad in Köln, wie soll man das bitte aushalten? Da kann man so kurze Klamotten anziehen wie man will, trotzdem ist alles nur ekelhaft und nicht auszuhalten.

Zum Glück dauert es nur fünf Minuten, bis ich Zuhause bin, wobei es dort auch nicht kälter ist. Zwar haben wir nicht die Dachgeschosswohnung, sondern die im 3. Stock, dennoch wäre ein wenig Kälte genau das Richtige.

Milky ist noch sonst wo und somit bin ich wieder alleine Zuhause. Das bin ich viel zu oft. Zwar bin ich bei der Arbeit genug mit Menschen in Kontakt, aber dann bin ich doch wieder alleine Zuhause und komme hier nicht raus. Alleine durch die Straßen zu laufen, dabei würde ich mir albern vorkommen.

Im Kühlschrank ist nichts mehr drin, außer Milch, die Milky trinkt. Keine Ahnung, was sich seine Eltern dabei gedacht haben ihn Milky zu nennen. Aber sein Vater hat auch keinen besseren Namen. Wenn Milky mir auf die Nerven geht, nenne ich ihn manchmal Milky Way, die er übrigens nicht leiden kann.

Meine Mutter hat mich immer getadelt, wenn ich die Kühlschranktür unnötig offen gelassen habe. Aber jetzt einfach nur davor zu stehen und die Kälte auf meiner Haut zu spüren, ist das schönste Gefühl, das es im Augenblick geben kann. Aber irgendwann wird mir der Stromverbrauch doch zu hoch und ich verlasse die schöne Kälte.

Aus irgendeinem unbestimmten Grund bin ich total hibbelig und kann nicht still sitzen. Aber auch das Hin- und Herlaufen, macht es nicht besser. Dazu schweifen meine Gedanken zu Markus, Blondie, Sebastian und dann zu Milky, meiner Mutter und wieder zurück, sodass langsam aber sicher mein Gehirn eine Kurzschluss Reaktion bekommt und sich abschaltet. Jedenfalls würde ich es mir wünschen, mal nicht nachzudenken, auch nur für einen Moment. Dass die Stille beruhigt und nicht ein völliges Chaos in meinem Kopf produziert.

Vielleicht lese ich mir deswegen den Post wieder mal durch, weil sich nur auf eine Sache zu konzentrieren sehr hilft.

Ich war genauso, wie ihr. Die, die Bilder hochstellen von aufgeschnittenen Armen und einen depressiven Text nach dem anderen. Bis sich irgendwann mal alles veränderte.

Ich habe Tumblr gelöscht und das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Wenn alle um dich herum krank sind, wirst du es auch und wenn du nur denkst, dass du es bist. Aber ich war es wirklich und werde es tief in mir auch immer sein. Doch ich lasse es nicht an die Oberfläche kommen.

Ich finde es krass zu lesen, wie diese Person zugibt was er getan hat. Denn es ist zwar anonym, aber es hat schon ein Gewicht zuzugeben, was man getan hat. Das können nicht viele. Zugeben welche Fehler man getan hat, zeigt von Stärke.

Zwar geht es mir nicht so schlimm wie HarryPotterVerrückt, denke ich. Ich ritze mich nicht, vielleicht hatte ich zwischendurch das Bedürfnis meine Gefühle irgendwie raus zu bringen. Habe sie aber nie an mir heraus gelassen.

Meine Kindheit war wirklich nicht die Beste. Dinge hätten nicht passieren sollen und verhindert werden müssen. Trotz allem habe ich mein Leben nie aufgegeben, auch wenn ich vieles einfach von mir weg drängen wollte. Aber ich bin halbwegs "ganz" aus der Sache gekommen und dennoch hat es Spuren an mir hinterlassen. Zum Beispiel, dass ich oft einfach nicht essen will. Viele kleine Ecken, die nicht sein müssen und dennoch da sind. Die zwischendurch "mir ist alles egal"-Phasen und das Misstrauen gegenüber anderer Menschen. Der Selbstzweifel, nach jahrelanger Eintrichterung meines Gehirns, dass ich ein Nichts bin.

Sowas bleibt hängen.

So, wie die Alpträume, die mich verfolgen oder auch die Angst zu schlafen. Es hängt alles zusammen. Und ja, es stimmt mich traurig. Ich hatte keine Kindheit und Jugendzeit, die ich eigentlich verdient hätte. Aber die Welt ist nicht fair, das habe ich schon früh verstanden.

Wenn es einmal da ist, ist es schwer wieder heraus zu kommen. Doch habe ich es geschafft und du kannst es auch, wenn du es willst.

Unbekannter, ich will es. Ich will es wirklich. Doch ich finde keinen Weg. Keine Brücke über den See. Kein Licht im langen Tunnel. Nichts und wieder nichts. Und das, ich weiß nicht… es macht mich fertig.

Alle sind so glücklich, verliebt und ich traurig, allein und verbittert. Und statt irgendwas dagegen zu machen, schiebe ich Selbstmitleid. Und das macht mich wieder traurig. Ein Teufelskreis. Und ich will ihn zerbrechen, definitiv.

Aber wie schaffe ich es?

Vielleicht ist es unnötig, vielleicht aber auch nicht. Ich lösche Tumblr und verabschiede mich von allen anderen leidenden Personen.

Mache den ersten Schritt in die richtige Richtung, einen kleinen aber sicheren.

Balsam für meine SeeleTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang